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Corona-Krise als Chance für die Bundesliga?

3. April 2020

Die Coronavirus-Krise wird den Fußball nachhaltig verändern: Vereine werden verschwinden, Ligen neu strukturiert und auch die 50+1-Regel scheint nicht mehr unantastbar. Doch es gibt auch Hoffnung.

Symbolbild Sport und Doping | Fußball
Quo vadis Vereinsfußball? Welche Vereine werden von der Landkarte verschwinden?Bild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

Der Ball ruht. Immer noch und mindestens noch bis Anfang Mai, so hat es DFL-Boss Christian Seifert verkündet. "Wir wollen den Profifußball irgendwie durch diese Phase bringen", so Seifert. Eine mögliche Fortführung des Spielbetriebs in wenigen Wochen ist aber nicht mehr als eine Hoffnung, denn das Ende dieser durch den Coronavirus erzwungenen Ruhephase ist momentan nicht planbar. Doch was kommt danach? Wie sieht die Bundesliga in Zukunft aus?

"Die Fußballwelt wird sich neu orientieren, wenn wir die richtigen Lehren daraus ziehen", prognostiziert Wirtschaftsexperte Prof. Henning Zülch von der Handelshochschule Leipzig (HHL) und fordert im Interview mit der DW mehr Professionalität einiger Bundesligaklubs. "Die deutsche Liga ist eine der solidesten Ligen Europas oder vielleicht sogar der Welt. Wenn wir diesen letzten Schritt der Professionalisierung, vor allem im Bereich des Managements nun vollziehen, dann wird diese Liga das sein, was sie wirklich ist: die Beste der Welt mit einer exzellenten Fankultur, welche die Liga tragen wird."

Nur Geisterspiele möglich

Vielmehr als eine Vision ist das momentan allerdings nicht, denn die Gegenwart sieht anders und weitaus dramatischer aus. Denn dem Wirtschaftsunternehmen Bundesliga sei momentan die Geschäftsgrundlage entzogen worden erklärt Zülch. "Das Produkt ist nämlich das Fußballspielen und dieses Produkt kann momentan nicht mehr angeboten werden." Das Resultat sind immense Einkommenseinbrüche in Millionenhöhe, die für manche Klubs existenzbedrohend sein können. "Ohne die Einnahmen aus TV, Ticketing und Sponsoring sind viele Vereine in akuter Gefahr", bestätigte auch DFB-Boss Seifert. 

Henning Zülch: "Vielleicht sogar bis zum Ende des Jahres keine Zuschauereinnahmen"Bild: HHL Leipzig/Michael Bader

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Die einzige Lösung, um den kompletten Zusammenbruch der Liga abzufedern, ist die Fortführung des Spielbetriebes und das geht nur ohne Zuschauer, denn renommierte Virologen, wie Christian Drosten von der Charité in Berlin, rechnen angesichts der Coronavirus-Krise nicht mehr mit einem regulären Sportbetrieb vor Fans in diesem Jahr.

Zülch: "Der nächste Schritt wäre die Insolvenz"

Trotzdem machten Vereinsvertreter und auch Seifert mehrfach deutlich, dass man die Saison unbedingt zu Ende spielen wolle, um zumindest die Fernsehgelder sichern zu können, zur Not eben auch ohne die Fans. "Der Entfall von Zuschauereinnahmen muss mindestens bis zum Ende der Saison eingerechnet werden. Vielleicht sogar bis zum Ende des Jahres", so Seifert. Die DFL sei derzeit in Gesprächen, damit Leistungen von Medienpartnern und Sponsoren weiterhin gezahlt würden.

Leere Ränge könnten ein dauerhaftes Phänomen in Deutschland bleibenBild: picture-alliance/bild pressehaus

"Die Fernsehgelder sind essentiell wichtig für alle beteiligten Klubs", erklärt Zülch und führt als Beispiel Borussia Dortmund an, wo diese Einnahmen rund 38 Prozent der 446 Millionen Euro Umsatzerlöse des Geschäftsjahres 2018/2019 ausmachen. "In der ersten und zweiten Liga sind die TV-Gelder eine tragende Säule der Erlösseite", so der Wirtschaftsexperte weiter. "Werden diese Gelder nicht gezahlt, kann der Fall der Illiquidität eintreten, das heißt die Klubs könnten ihren Zahlungsverpflichtungen nicht gerecht werden. Der nächste Schritt wäre dann die Insolvenz." Klubs wie Bayern München, Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen oder auch die TSG Hoffenheim sieht Zülch momentan aber nicht gefährdet.

Es droht ein "Flächenbrand in den Amateurligen"

Die Situation bei kleineren Klubs aus den unteren Ligen ist dagegen weitaus dramatischer, da TV-Gelder dort nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das Überleben dieser Verein steht und fällt mit den Einnahmen aus den Ticketverkäufen, die bei Geisterspielen komplett wegbrechen würden. Hinzukommen Sponsorengelder, welche oft von lokalen Unternehmen gezahlt werden, die sich momentan aber selbst in höchster Not befinden. "Wir befinden uns in der größten wirtschaftlichen Krise der Nachkriegszeit und da steht der Sport am Ende der Nahrungskette", so Zülch und ist sich sicher: "Das Bild der unteren Ligen wird es in Zukunft so nicht mehr geben. Ich gehe davon aus, dass wir in den Amateurligen einen Flächenbrand haben werden."

Ohne Unterstützung dürften die Auswirkungen für Amateurklubs verheerend sein. Kritik an zu niedriger Solidarität mit den "Kleinen" der Branche kam unlängst von Fußballprofi Neven Subotic. "Keiner schaut nach unten und ist selbst solidarisch. Es zeigt, dass die Kommerzialisierung des Fußballs als Geschäftsmodell die Werte des Sports überschattet", kritisiert der Bundesligaprofi von Union Berlin in einem Interview mit der Funke Mediengruppe und fordert Zusammenhalt der einzelnen Vereine, Spieler und Unternehmen. "Wir brauchen gemeinschaftliche Lösungen, nicht Individuallösungen."

Bleibt der Transfermarkt überhitzt?

Die Umsatzeinbüßen der Klubs haben zudem aber auch Einfluss auf den Transfermarkt, der seit dem Rekordwechsel des brasilianischen Fußballprofis Neymar zu Paris Saint Germain im Sommer 2017, überhitzt ist. Der Scheichklub aus Frankreich hatte damals rund 222 Millionen Euro an den FC Barcelona überwiesen und damit eine Kettenreaktion auf dem Markt in Gang gesetzt. Immer höhere Summen wurden für Spieler bezahlt, die Gehälter der Fußballer wuchsen ins Unermessliche.

Damit könnte jetzt aber Schluss sein. Noch vor wenigen Wochen wurde beispielsweise für Leverkusens Kai Havertz ein dreistelliger Millionenbetrag aufgerufen. Auch bei den möglichen Transfers von Jadon Sancho oder Leroy Sane erhofften sich die Beteiligten horrende Erlöse. Doch damit ist jetzt Schluss, prognostiziert Zülch: "Ich glaube, dass große Klubs massive Probleme haben werden, diese Zahlungen aufzubringen, so dass sich der ganze Markt regulieren wird." Transfersummen in dreifacher Millionenhöhe seien momentan unrealistisch.

Alle müssen mit finanziellen Einschnitten rechnen - auch gut bezahlte ErstligaspielerBild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

Alberto de Torres von ADTL Sportmanagement geht allerdings weiterhin von hohen Ablösesummen aus. "Ich glaube zwar, dass es weniger Vereine geben wird, die sich kostspielige Transfers von 70 oder 80 Millionen leisten können", so der Spielerberater, dessen Agentur Profis und Nachwuchsspieler vertritt. "Trotzdem wird es immer noch vier oder fünf Vereine geben, die solche Transfers tätigen können und auch werden." De Torres spricht von Klubs, die eine enorme Finanzkraft haben, wie zum Beispiel der vom Staat Katar unterstützte Verein Paris Saint-Germain. "Ob man das nun mag oder nicht, aber Vereine, die Finanzspritzen von externen Partnern kriegen, haben jetzt einen Vorteil." In Deutschland verhindert die 50+1-Regel momentan die Engagement solcher großen Geldgeber. Vor allem Fußballfans kämpfen für den Erhalt dieser Regelung, weil sie fürchten, die Fußballkultur könnte durch Investoren verloren gehen. Auch De Torres spricht sich für die Regelung. Man dürfe nicht zum Spielball für Investoren werden, so der Spielerberater.

Investoren als Chance?

Die 50+1-Regel kippen oder modifizieren? Für viele Fußball-Fans gilt 50+1als unantastbar; sie wollen keine Investoren in ihren Klubs sehen und genau dafür sorgt das aktuelle System. Geldgeber können keine Mehrheit von Vereinen erwerben. Und das soll nach Meinung der Fans auch so bleiben.

"Ich bin kein Freund davon, in Extremsituationen mit Extremszenarien zu antworten", reagierte DFL-Boss Seifert bei Sport1 angesprochen auf 50+1, ließ aber durchblicken, dass dieses Thema noch nicht gänzlich vom Tisch sei. "Wir versuchen erstmal, uns im Rahmen eines gewissen Rasters da irgendwie durchzusteuern."

Für den Wirtschaftsexperten scheint eine Modifizierung der viel diskutierten Regelung momentan allerdings eine echte Chance für die Bundesliga zu sein. Strategische Investoren, die das Gesamtkonstrukt um einen Verein herum wettbewerbsfähig machen, könnten ein Schlüssel für eine stabile Zukunft der Fußballklubs in Deutschland sein, so Zülch.

Zülch: "Tradition bewahren, aber Fortschritt zulassen"

"Die 50+1-Regel, wie wir sie momentan haben, wird es in dieser Form wahrscheinlich nicht mehr geben, aber sie ist auch ein wesentlicher Bestandteil der Fußballkultur in Deutschland", so Zülch und fordert von der DFL daher keine Abschaffung, sondern eine Modifikation dieser Regelung, "um strategische Investoren in den Markt zu holen, die positiv wirken und beispielweise in Infrastruktur eines Vereins investieren."

Investoren seien nicht schlecht, so der Wirtschaftsexperte. "Sie müssen eine positive Intention haben und den Klub unterstützen auf seinem Weg nach oben, auf seinem Weg ertragreich und erfolgreich zu sein." Besonderen Wert legt Zülch aber auch auf den Erhalt der Fankultur, die für ihn einer der wesentlichen Unterschiede und zugleich Vorteile der Bundesliga gegenüber anderen internationalen Ligen ist. "Tradition und Geschichte bewahren, aber Fortschritt zulassen."

Was kommt nach der Coronavirus-Krise? Die Fußballwelt wird sich nachhaltig verändern, das steht fest. Kleine Vereine werden von der Landkarte verschwinden, Transfersysteme werden hinterfragt und Wirtschaftssysteme der einzelnen Klubs müssen neu definiert werden. Nun liegt es an den handelnden Personen, solidarisch und zukunftsorientiert zu handeln - eine große und nicht zu unterschätzenden Aufgabe, die nur gemeinsam bewältigt werden kann.

"Die ganze Liga sitzt in einem Boot"

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