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Politik

Die Denkfabriken hinter dem G20-Gipfel

Nina Niebergall
16. Februar 2017

Dem G20-Gipfel geht ein langer Prozess voraus. An dessen Anfang stehen Wissenschaftler, die Lösungen für weltpolitische Probleme erarbeiten. Dabei stehen sie vor der Frage: Geht das mit der Trump-Administration?

Deutschland G 20 Außenministertreffen in Bonn
Bild: Reuters/B. Smialowski

Noch bevor der frisch gebackene Bundesaußenminister Sigmar Gabriel das G20-Außenministertreffen in Bonn einläutet, trifft er sich mit einer Hand voll Wissenschaftlern. Unter ihnen: Dirk Messner, Axel Berger und Adolf Kloke-Lesch vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). Sie begleiten den gesamten G20-Prozess bis zum Gipfel im Sommer. Das bedeutet: Hunderte Forschungs- und Beratungseinrichtungen aus den 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie der EU tauschen sich zu Themen wie Welthandel, Klimapolitik und Migration aus. Ihr Ziel sind konkrete Empfehlungen für den Gipfel am 7. und 8. Juli in Hamburg. Diese Vorschläge sollen möglichst in konkrete Politik umgesetzt werden. Im Falle der G20 bedeutet dies lediglich informelle Übereinkünfte.

Doch selbst dieses Minimalziel steht für Beobachter derzeit auf der Kippe. In der Vergangenheit verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs das Abschlusskommuniqué des G20-Gipfels stets einstimmig. Ob das diesmal gelingen wird, hängt unter anderem von US-Außenminister Rex Tillerson ab. Der ehemalige Geschäftsführer des Mineralölkonzerns ExxonMobil trat erst Anfang des Monats seine Stelle in der Administration des neuen US-Präsidenten Donald Trump an. Das G20-Außenministertreffen ist Tillersons erster Auftritt auf dem internationalen Parkett.

Sie begleiten den G20-Prozess wissenschaftlich: Adolf Kloke Lesch, Dirk Messner und Axel BergerBild: DW/N. Nibergall

Trump, der Unilateralist

Mit Trump hat in den USA ein Mann das Ruder übernommen, der vieles in Frage stellt, was etablierte Politiker in den vergangenen Jahren in diversen multilateralen Foren erarbeitet hatten. Die Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) kündigte er auf und strebt stattdessen vermehrt bilaterale Handelsverträge an. Im Wahlkampf sprach er davon, aus dem in Paris verhandelten Klimaabkommen auszusteigen und das Budget für die Vereinten Nationen drastisch zu kürzen.

"Wir stehen vor der Gefahr einer protektionistischen Abwärtsspirale", mahnt Axel Berger, der die G20-Forschungsgruppe am DIE leitet. Das könne vor allem für die Entwicklungsländer zum Nachteil werden, meint er. Auch die Beratungen der Think Tanks stehen vor der Herausforderung, Multilateralismus in Zeiten von Trump, aber auch populistische Aufwärtstrends in Europa zu gestalten. Berger gibt zu: "Das alte Narrativ, dass Freihandel für alle gut ist, greift nicht mehr." Daher müsse man ehrlich über die Vor- und Nachteile diskutieren. Gleichzeitig müssten die in den G20-Prozess involvierten Forschungs- und Beratungsinstitute für einen Abbau protektionistischer Tendenzen eintreten und stattdessen Institutionen wie die Welthandelsorganisation (WTO) stärken.

Auf ihn schaut die Welt besonders gespannt: Rex TillersonBild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Vier Ziele

Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) hat seine Arbeit bereits begonnen. In einer Erklärung verpflichtete sich das DIE ebenso wie zahlreiche andere Organisationen zu vier Zielen, die durch internationale Kooperation erreicht werden sollen: Eine offene Gesellschaft, Inklusion sozial schwächerer Menschen, Nachhaltigkeit und Weltfrieden. Zum letzten Punkt sagt der DIE-Vorsitzende und Co-Leiter des T20-Prozesses Dirk Messner: "Das ist eine Banalität, aber nichts ist mehr sicher." Das Papier sieht er auch als "Antwort auf rechtspopulistische und fremdenfeindliche Bewegungen, die 'our country first', statt Multilateralismus vorantreiben".  Dass nicht nur Arbeitgeberverbände, sondern auch Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Akteure das Positionspapier unterzeichneten, wertet Messner als besonders aussagekräftig - schließlich seien das Organisationen, die ansonsten nicht unbedingt gemeinsame Dokumente herausbringen.

Alle scheinen sich auf einmal einig zu sein, in einer Zeit, in der die USA sich immer mehr auf sich selbst konzentriert. Der Konsens ist groß, internationale Verbindungen nicht abreißen zu lassen. So demonstrierten auch Greenpeace-Aktivisten zu Beginn des G20-Außenministertreffens in Bonn für gemeinsames Handeln der Industrie- und Schwellenländer bei globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel. Auf dem Rhein fordert ein Transparent zwischen den Masten eines Greenpeace-Schiffs: "Planet Earth First" - Planet Erde zuerst. Die Umweltschützer spielen damit auf "America First" an, das Wahlkampfmotto von US-Präsident Trump. "Eine globale Bedrohung wie den Klimawandel müssen wir gemeinsam angehen", sagt Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid.

In Bonn protestieren Umweltaktivisten dafür, Klimaschutz vor nationale Interessen zu stellenBild: Reuters/T. Banneyer

Chancen und Risiken

In den informellen Foren der Wissenschaftler gelten ähnliche Voraussetzungen wie in der Diplomatie. Mit einigen Ländern lässt sich besser zusammenarbeiten, mit anderen weniger. So finde mit Saudi-Arabien und Russland beinahe kein Austausch statt, erzählt Berger. Im Gegensatz dazu habe die Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Think Tanks bisher gut funktioniert. Dennoch stellt er die Frage: "Sind das die Think Tanks, die Einfluss auf die Politikgestaltung der US-Administration haben?"

Sein Kollege Dirk Messner meint dennoch: "Wir dürfen uns nicht lähmen lassen von der Krisensituation." Einerseits gelte es, Kurs zu halten. Die internationale Gemeinschaft habe in den vergangenen Jahren wichtige Vereinbarungen getroffen. Andererseits biete die momentane Lage auch die Chance, "Prozesse in Gang zu setzen, die ohne diesen Druck der Krise vielleicht nicht möglich gewesen wären". Vielleicht habe Europa jetzt die Gelegenheit, in wichtigen Feldern näher zusammenzurücken, prognostiziert der DIE-Chef. "Vielleicht gelingt es uns auch, mit Akteuren zusammenzuarbeiten, die wir bisher nicht nötig hatten", fügt Messner mit Blick auf die deutschen Beziehungen beispielsweise zu Indien oder Indonesien hinzu. Mit solchen neuen Allianzen ließe sich letztlich eine inklusivere Weltpolitik gestalten.

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