"Die deutsch-polnische Zusammenarbeit funktioniert"
1. September 2006"Sehr geehrter Herr", "mit freundlichen Grüßen" – wenn eine E-Mail aus Deutschland kommt, wundert sich Anna Filipiak mittlerweile nicht mehr: Die Deutschen mögen es in der Kommunikation mit Geschäftspartnern nun mal förmlich. "Wir Polen sind da lockerer."
Die Vorstandsvorsitzende der polnischen Softwarefirma Comarch hat viel über solche Gepflogenheiten der deutschen Kollegen gelernt, seit ihr Unternehmen im Jahr 2000 beschloss, es in Deutschland zu versuchen - zunächst mit einer Vertriebseinheit in Frankfurt am Main, seit 2005 mit einem Kompetenzzentrum in Dresden. Heute gilt die Firma mit weltweit 2000 Mitarbeitern als führendes IT-Unternehmen in Polen.
Schwieriger Anfang in Deutschland
Größere Sorgen als steife E-Mail-Kontakte bereitete der Firma in den ersten Jahren die Skepsis der potenziellen Geschäftspartner: "Wir kamen aus einem wirtschaftlich schwächeren Land und hatten in Deutschland keine Referenzen - da war es schwer, deutsche Kunden zu finden", sagt Anna Filipiak. Aber einen Versuch war es wert: "Um uns weiterzuentwickeln, mussten wir exportieren. Deutschland als Nachbarland mit großem IT-Markt bot sich da an."
Der Plan ging auf, trotz der im Vergleich zu Polen höheren Steuersätze und höherer Arbeitskosten. "Für uns kommt es darauf an, vor Ort beim Kunden zu sein - dafür nehmen wir auch die derzeit höheren Kosten in Kauf." Die deutsch-polnischen Lohnunterschiede in der IT-Branche seien allerdings auch nie so groß gewesen wie in anderen Berufen, fügt Filipiak hinzu. Und sie geht davon aus, dass sich die Arbeitsbedingungen in Polen langfristig ohnehin an das deutsche Niveau angleichen werden.
Wie Comarch haben viele weitere polnische Unternehmen in den vergangenen Jahren den Schritt nach Deutschland gewagt: Nach Aussage der Polnischen Agentur für Information und Auslandsinvestitionen (PAIiIZ) sind knapp 9500 polnische Firmen in Deutschland registriert - davon 4500 in Berlin. Dabei handele es sich meist um Ich-AGs oder Mittelständler im Bereich der Dienstleistungen, so PAIiIZ-Sprecherin Danuta Kwasek.
Wirtschaftsaufschwung in Polen
Andersherum liege die Zahl der deutschen Firmen in Polen bei 8000 bis 10.000, schätzt Marko Walde, stellvertretender Geschäftsführer der deutsch-polnischen Industrie-und Handelskammer. Dabei sind die großen deutschen Konzerne nicht erst mit dem EU-Beitritt Polens auf den Nachbarn aufmerksam geworden: Die "Allianz Polska" etwa gibt es bereits seit 1997. "Zu dieser Zeit entwickelten sich in Polen marktwirtschaftliche Strukturen. Daran wollten wir uns beteiligen", sagt Klaus Junker, Mitglied des Allianz-Managements für Zentral- und Osteuropa.
Der EU-Beitritt Polens habe nur mittelbare Auswirkungen auf das Geschäft der Allianz in Polen. "Die Menschen können sich mehr Vorsorge leisten - davon profitiert die Versicherungswirtschaft." Mit Hauptverwaltung in Warschau und 44 Filialen beschäftigt die Allianz Polska heute 650 Mitarbeiter und rund 3000 Vertreter. Sie ist nach eigener Aussage viertgrößter Anbieter von Versicherungen und sechstgrößter Lebensversicherer im polnischen Versicherungsmarkt.
Produktive Mischung
Entsprechend gut fällt Junkers Urteil über die Zusammenarbeit aus: "Wir mögen uns - vielleicht auch deshalb, weil das Geschäft gut läuft." Kopfschmerzen bereite den deutschen Mitarbeitern des polnischen Managements allenfalls ab und zu die Kooperation mit polnischen Behörden: "Wenn es darum geht, Neues anzubieten, fehlt es dort oft an gesetzlichen Regelungen", sagt Junker. Aber in der Begegnung von Kollege zu Kollege habe er festgestellt, "dass die Polen jeden besonders herzlich behandeln".
Dem dürfte Anna Filipiak von Comarch zustimmen - sie kennt aber auch einige Schwierigkeiten zwischen deutschen und polnischen Mitarbeitern: "Deutsche Kollegen wundern sich oft, dass sie nicht ständig angeleitet werden. Wir verlangen viel Eigeninitiative", sagt sie. Dafür seien die deutschen Kollegen ordentlicher, und so ergebe sich eine produktive Mischung: "Die Zusammenarbeit funktioniert."
Damit das so bleibt, absolvieren alle deutschen Comarch-Mitarbeiter ein Praktikum in Polen - zum Kennenlernen der polnischen Arbeitsweise. Bis zum Jahr 2008 soll die Mitarbeiterzahl in Dresden von derzeit 35 überwiegend deutschen Softwareingenieuren auf 100 steigen. Und auch die Allianz AG blickt optimistisch in die Zukunft des Polen-Geschäfts: "Wir erwarten ein Wachstum von mehr als 20 Prozent auch in den nächsten drei Jahren."