1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die deutsche Justiz und der schwierige Fall Usmanow

15. Dezember 2023

Der russische Oligarch Alischer Usmanow wird in Deutschland der Steuerhinterziehung und des Verstoßes gegen das Sanktionsrecht verdächtigt. Doch die seit anderthalb Jahren laufenden Ermittlungen gestalten sich schwierig.

Oligarch Alischer Usmanow
Oligarch Alischer UsmanowBild: Mikhail Metzel/TASS/dpa/picture alliance/dpa

Mehr als zehn Jahre lang konnte der russische Milliardär Alischer Usmanow die bayerischen Alpen am Ufer des malerischen Tegernsees genießen. Dort hatten zuvor mit ihm verbundene Unternehmen gleich drei Häuser erworben, darunter eines nur für Sicherheitsleute und Bedienstete.

Alles änderte sich mit der groß angelegten militärischen Invasion Russlands in der Ukraine, woraufhin Usmanow als "Kreml-freundlicher Oligarch, der eng mit Wladimir Putin verbunden ist", auf die EU-Sanktionslisten kam. Mittlerweile beschäftigen sich in Deutschland mehrere Strafverfolgungsbehörden und Dienststellen gleichzeitig mit ihm, und es laufen eine ganze Reihe von Ermittlungen gegen ihn und mit ihm verbundene Unternehmen und Personen. Er wird der Geldwäsche, Steuerhinterziehung und des Verstoßes gegen das Sanktionsrecht verdächtigt.

Es vergeht kaum ein Monat, ohne dass in den deutschen Medien über groß angelegte Durchsuchungen oder andere Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Usmanow berichtet wird. Durchsucht wurde bereits die Jacht "Dilbar", die angeblich bis 2022 vom Oligarchen genutzt wurde, das deutsche Büro einer Schweizer Bank, bei der laut deutschen Medienberichten Usmanow Konten kontrollierte, und sogar das Münchner Büro der Rechtsanwälte des sanktionierten Milliardärs, was bei der Bundesrechtsanwaltskammer Empörung hervorrief und schließlich mit Erfolg vor Gericht angefochten wurde. Die Villa am Tegernsee und weitere Häuser, die vermutlich mit dem Milliardär in Verbindung stehen, wurden bereits zweimal durchsucht.

Usmanows Anwaltsteam und seine ersten Erfolge

Für Usmanow sind in Deutschland ein Dutzend erfahrene Anwälte tätig. Sie protestieren buchstäblich gegen jeden Schritt der Ermittler, einschließlich der Durchsuchungen. Die Anwälte bezeichnen diese als "Hexenjagd", die nur dazu dienen sollen, "der Öffentlichkeit deutlich politische Entschlossenheit zu demonstrieren".

Razzien bei Ermittlungen gegen Alischer Usmanow am Tegernsee im Herbst 2022Bild: Matthias Balk/dpa/picture alliance

Das Anwaltsteam des Milliardärs macht in vertraulichen Gesprächen keinen Hehl daraus, über die ersten spektakulären Erfolge vor Gericht zufrieden zu sein. So gelang es der Verteidigung Ende Oktober, den Ermittlungen in zweiter Instanz eine Ohrfeige zu versetzen: Ein Gericht in Frankfurt bestätigte eine Entscheidung vom Mai dieses Jahres, wonach die Durchsuchung der Villa, in der Alischer Usmanow zuvor angeblich gelebt hatte, für illegal erklärt worden war.

Alle führenden Medien in Deutschland hatten über die groß angelegte Durchsuchung im Herbst letzten Jahres berichtet, an der rund 250 Polizeibeamte beteiligt waren. Grundlage der Durchsuchung war vor allem der Verdacht der Geldwäsche durch Usmanow.

Nawalnys Video über Usmanow überzeugte die Richter nicht

Allerdings gelang es der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main auch nach anderthalb Jahren Ermittlungen nicht, Beweise zu sammeln, die die Richter davon überzeugen würden, dass der Verdacht der Geldwäsche begründet ist. Die Staatsanwaltschaft erklärte auf Anfrage der DW lediglich, dass die Ermittlungen noch andauern würden und verwies zugleich auf ihre Geheimhaltung.

Was genau gegen Usmanow im Zusammenhang mit Geldwäsche alles gefunden wurde, erfuhr die DW, nachdem sie die Texte der Gerichtsurteile bezüglich der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungen der Häuser am Tegernsee erhalten hatte. So bezieht sich die Entscheidung der ersten Instanz vom 12. Mai 2023 auf 88 Transfers von Geld auf von Alischer Usmanow kontrollierte Konten in Deutschland im Zeitraum von 2017 bis 2022. Ihren Verdacht, die Gelder könnten kriminellen Ursprungs sein, untermauerten die Ermittler vor Gericht mit einer ausgedruckten englischen Übersetzung eines Videos des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny darüber, wie Usmanow angeblich Steuern in Russland umgeht, indem er beim Export Scheinfirmen einsetzt.

Die Richter sahen jedoch weder Beweise für einen Verstoß gegen russische Gesetze noch einen direkten Zusammenhang zwischen Steuerhinterziehung und konkreten Geldüberweisungen nach Deutschland. Usmanows deutsche Anwälte machen aus ihrer Zufriedenheit kein Geheimnis und sagten in einem informellen Gespräch mit der DW, dieser Fall sei "praktisch eine ausgemachte Sache".

Frank Buckenhofer von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) glaubt nicht, dass dieser Fall Aussichten vor Gericht hat. "Man muss dem Gericht sehr glaubhaft machen, dass das Geld aus kriminellen Vortaten kommt. Wenn sie alle in Russland stattgefunden haben sollen, unterschreibt im Zweifelsfall Putin ihm persönlich, dass er der ehrlichste Mensch der Welt sei", stellte der Experte im Gespräch mit der DW rhetorisch fest.

Bei der Polizeigewerkschaft ist Buckenhofer seit 25 Jahren ein führender Analyst im Kampf gegen Finanzkriminalität. Ihm zufolge sei es ohne eine enge Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden im Herkunftsland des Geldes nahezu unmöglich, den Tatbestand der Geldwäsche nachzuweisen. Und eine solche Zusammenarbeit mit Russland gebe es nicht.

Nur ein "politisches Theater"?

Während die Strafverfolger also in diesem Punkt nicht vorankommen, treiben die Behörden ihre Ermittlungsmaßnahmen rund um das Eigentum, das Usmanow zugeschrieben wird, weiter voran. So kam es im Oktober dieses Jahres auf Initiative der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung (ZfS) zu wiederholten Hausdurchsuchungen am Tegernsee durch rund 30 Beamte verschiedener Strafverfolgungsbehörden.

Die Luxusjacht Dilbar wurde angeblich bis 2022 von Usmanow genutzt Bild: Imago/M. Segerer

Vertreter der eigens geschaffenen Sonderkommission "Matrjoschka", die sich mit dem Oligarchen befasst, beschlagnahmten vorübergehend mehrere Luxusautos, die Usmanow vermutlich bis 2022 nutzte. Grund für die Beschlagnahme waren angeblich Informationen über die Absicht des Eigentümers oder seiner Bevollmächtigten, Fahrzeuge zu verkaufen, die EU-Sanktionen unterliegen.

Frank Buckenhofer bezeichnet die eindringlichen Fotos und Videos von den Durchsuchungen als "Showprogramm für die Oligarchen" und "politisches Theater". Nach Ansicht des Experten wollen die deutschen Behörden den Bürgern nur zeigen, dass sie etwas gegen die Oligarchen unternehmen, nachdem sie diese jahrzehntelang ignoriert und sich nicht für die Herkunft ihres Geldes interessiert hatten.

Buckenhofer kritisiert die Rechtsfähigkeit des ZfS, das nicht einmal die Befugnisse einer Strafverfolgungsbehörde erhalten habe. "Wenn man wirklich den Oligarchen das Leben hätte schwer machen wollen, dann hätte man eine schlagkräftige Finanzpolizei nach dem Vorbild der italienischen Guarda di Finanza etabliert. Wenn das Konzept umgesetzt worden wäre, wäre das eine Botschaft an alle Menschen, die über illegales, verstecktes oder sanktioniertes Vermögen verfügen: Sie dürfen nicht ruhig schlafen", sagt der Experte.

Trust ohne Usmanow

Mittlerweile können die deutschen Strafverfolgungsbehörden nicht einmal mehr nachweisen, dass die Jacht "Dilbar" und die Häuser am Tegernsee wirklich Alischer Usmanow gehören, weil diese Objekte über eine Kette von Offshore-Unternehmen als Trusts registriert sind. Insbesondere gehört Anwälten zufolge ein Teil des deutschen Vermögens über Unternehmen in verschiedenen Jurisdiktionen einem Trust auf den Bermudas.

Usmanows Verteidigung behauptet, ihr Mandant habe sich im Februar 2022 als Begünstigter aus dem Trust zurückgezogen - nur wenige Tage bevor die groß angelegte militärische Invasion Russlands in der Ukraine begann und der Oligarch anschließend auf die Sanktionslisten der EU, der USA und des Vereinigten Königreichs gesetzt wurde. Zunächst wurde der Trust auf den Namen von Usmanows Schwester Gulbahor Ismailowa neu registriert. Und als im April 2022 auch die Schwester mit Sanktionen belegt wurde, wurde sie ebenfalls aus der Liste der Begünstigten des Trusts entfernt. Wer derzeit die Jacht, die Villen und andere Immobilien kontrolliert, die Alischer Usmanow bis 2022 nutzte, ist nicht bekannt. Auch die Anwälte weigern sich, den Namen des Begünstigten zu nennen, nicht einmal im vertraulichen Gespräch.

Durchsuchungen in einer Villa am Tegernsee als Teil der Ermittlungen gegen Alischer UsmanowBild: Christoph Reichwein/dpa/picture alliance

Laut Frank Buckenhofer zeigt diese Situation deutlich die Hilflosigkeit der deutschen Strafverfolgungsbehörden, aus der die Behörden Konsequenzen ziehen müssen. "Es wäre eine wichtige Grundvoraussetzung, dass in Deutschland Geld in Vermögensgegenstände wie Immobilien nicht investiert werden darf, wenn für die deutschen Behörden keine Chance besteht, den tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten gerichtsfest zu ermitteln, und wenn über Firmen aus irgendwelchen Bananenrepubliken oder Steuerparadiesen investiert wird", weist der Experte für Bekämpfung von Geldwäsche hin.

Von der Frage, wem die Villa am Tegernsee tatsächlich gehört, hängt ab, wie zwei weitere Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung und wegen Verstoßes gegen EU-Sanktionen ausgehen werden. Usmanows Anwälte behaupten, dass ihr Mandant nicht der Eigentümer der Villa sei und es auch nie gewesen sei. Er habe sie von einem von ihm gegründeten Trust gemietet, den er später verlassen habe. Wenn deutsche Ermittler vor Gericht nachweisen können, dass die Villa tatsächlich Usmanow gehört, wird er in Deutschland ansässig, was zu einer Steuerpflicht in Höhe von Hunderten Millionen Euro führen könnte.

Wird er aber nicht als Eigentümer anerkannt, dann werden die Ermittler nachweisen müssen, dass er sich mehr als 182 Tage im Jahr in Deutschland aufgehalten hat. "Deutschland war nie sein Hauptwohnsitz. Er ist ein Weltbürger", betonte einer von Usmanows Anwälten im Gespräch mit der DW. Neben Usbekistan, Russland und Deutschland sollen laut Medienberichten unter anderem auch in Frankreich, Italien und Großbritannien zu verschiedenen Zeiten Immobilien unter Usmanows Kontrolle gewesen sein.

Gehört das Geld auf den Firmenkonten Usmanow?

Sollte vor Gericht nicht nachgewiesen werden können, dass es Usmanow ist, der bayerische Immobilien kontrolliert, könnte der Fall wegen Verstoßes gegen das Sanktionsrecht scheitern. "Der Beschuldigte soll unter anderem nach Aufnahme seiner Person in die Sanktionsliste der EU die ihm wirtschaftlich zuzurechnenden Immobilien in Oberbayern weiter durch eine Sicherheitsfirma bewacht haben lassen und durch die Bezahlung dieser Bewachungsdienste dem Verfügungsverbot über eingefrorene Gelder zuwidergehandelt haben", erläuterte die Staatsanwaltschaft München II der DW den Kern der Anklage.

Doch zunächst müsse noch bewiesen werden, dass es sich bei dem Geld auf den Konten der entsprechenden Unternehmen überhaupt um Usmanows Geld handele, geben Gesprächspartner in den Strafverfolgungsbehörden zu. Deutsche Medien schreiben unter Berufung auf eigene Quellen, dass Ermittler bereits die Umstände der wiederholten Übertragung des Vermögens von Trusts zunächst an die Schwester des Oligarchen und dann an unbekannte Dritte untersuchen. Möglicherweise wird sich in diesem Zusammenhang die Frage der Zahlung einer Schenkungsteuer stellen.

Wie auch immer die Geschichte um die Vermögenswerte in Deutschland, die Alischer Usmanow zugeschrieben werden, ausgehen wird, hält Frank Buckenhofer die Aktionen der Strafverfolgungsbehörden nicht für sinnlos. "Das wäre schon mal ein ganz entscheidendes Ziel einer finanzpolizeilichen Aktivität, diesen Menschen das Leben so schwer zu machen, dass sie zumindest den Standort Deutschland als unattraktiv empfinden", betont Buckenhofer.

Auf ihre schriftlichen Anfragen bekam die DW von Alischer Usmanows Anwälten keine offizielle Antwort.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema