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Die Deutschen und ihre Autos

Melinda Reitz
10. März 2017

Stundenlang waschen und polieren, dann den Wackeldackel auf der Hutablage zurechtrücken: Die Ausstellung "Geliebt. Gebraucht. Gehasst" beleuchtet die besondere Beziehung der Deutschen zu ihren Autos über die Jahrzehnte.

Wackeldackel
Bild: picture alliance/Frank May

Der Deutsche und sein Auto - ein emotionales Thema. Das erste Mal vorne sitzen dürfen, den Führerschein bestehen, die Schlüssel des ersten eigenen Wagens in den Händen halten. Erinnerungen voller Glücksgefühle, für viele Generationen. Im Haus der Geschichte Bonn widmet sich ab Freitag (10.03.) eine Ausstellung dem Thema und stellt die Frage nach der sozialen und kulturellen Bedeutung des Automobils in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg.

Sparen für das eigene Gefährt 

So richtig angefangen hat es mit der Autoliebe der Deutschen in der Nachkriegszeit. Zwar werben die Nationalsozialisten bereits in den 1930er Jahren für ihren "Kraft durch Freude"-Wagen mit dem Slogan "Fünf Mark die Woche musst Du sparen - willst Du im eignen Wagen fahren!", aber die Sparer erhalten nicht die Möglichkeit, das versprochene eigene Auto zu erwerben. Denn als Hitler seinen Vernichtungsfeldzug beginnt, wird die gerade erst aufgebaute Volkswagenproduktion auf Militärfahrzeuge umgestellt. So kann der von Ferdinand Porsche (1875-1951) konstruierte PKW erst im Dezember 1945 unter britischer Regie in Massenproduktion gehen - und bekommt einen neuen Namen: Käfer.

Im Wolfsburger Volkswagenwerk wird am 5. August 1955 der millionste VW Käfer präsentiertBild: picture-alliance / dpa

Motorisierung dank Wirtschaftswunder

In den folgenden zehn Jahren laufen eine Million der rundgeschwungenen Autos vom Band. Die Motorisierung der Bundesrepublik wird Wirklichkeit und der VW Käfer zu einem Symbol des sogenannten Wirtschaftswunders. Ab Mitte der 1950er Jahre haben die Deutschen mehr Geld für Konsumgüter zur Verfügung als bisher. Es herrscht Vollbeschäftigung und durch Massenproduktion werden Konsumartikel außerdem immer günstiger. Auch in die individuelle Mobilität wird nun mehr und mehr investiert. Wer noch keinen PKW-Führerschein besitzt, der leistet sich zunächst ein Motorrad oder einen der schwach motorisierten Rollermobile. Aber das eigene Auto wird für viele zum Traum. Es verspricht Freiheit und lädt zum Reisen ein: Zunächst hauptsächlich innerhalb Deutschlands, später geht es am liebsten über den Brenner nach Italien. Die verschiedenen Modelle mit unterschiedlicher Ausstattung bieten dabei die Möglichkeit, sich individuell auszudrücken und veranlassen den ein oder anderen, sich mit Gleichgesinnten in Clubs zusammen zu tun. 

Die Zielgruppe ist zunächst klar: Männer Bild: picture-alliance/L. Albig-Treffers

Das Auto, das man fährt, sagt natürlich auch etwas über den sozialen Status aus. Ebenso wer es fährt. Lange ist Autofahren Männersache. So wird es meist mit hübschen, sich auf Motorhauben räkelnden Models beworben. Und Frauen dürfen erst nach 1958 ohne die Erlaubnis des Vaters oder Ehemanns einen Führerschein machen.

Fortbewegungsmittel sozialistischer Art

Auch in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ist ab den 1950er Jahren die Motorisierung ein Thema. In den Kraftfahrzeug-Werken in Eisenach und Zwickau läuft die Produktion der Automarken Wartburg und Trabant an. Aber wer in der DDR ein eigenes Auto erstehen möchte, muss viel Geduld aufbringen: Lieferzeiten von über zehn Jahren sind durch fehlende Produktionskapazitäten üblich. Auch Importwagen sind nur schwer erhältlich und kommen zunächst allein aus den sozialistischen Bruderländern, wie zum Beispiel der tschechische Skoda oder russische Lada. Erst in den 1970er Jahren importiert die DDR-Staatsführung westdeutsche Autos. 

Das Automobil  ist auch ein Symbol der deutschen Teilung. Beim Umbau von Autos zu Fluchtwagen beweisen manche viel Kreativität. Aus einem BMW Isetta werden die Heizanlage und Batterie entfernt, um Platz für ein Versteck zu schaffen. Als dann endlich die Grenze am 9. November 1989 öffnet, strömen die Deutschen aus der DDR mit ihren Trabis und Wartburgs "nach Drüben" und werden von ihren Landsleuten jubelnd begrüßt.

Zu sehen im Haus der Geschichte: Der Melkus RS 1000, der Sportwagen aus der DDRBild: DW/M. Reitz

Nachlassende Euphorie

Im Westen werden Autos jedoch seit den 1970er Jahren zunehmend kritisch gesehen. Im Zuge der Ölkrise 1973 und angesichts zehntausender Tote pro Jahr im Straßenverkehr entfacht eine heftige Debatte um ein generelles Tempolimit auf deutschen Straßen. Der Autoclub ADAC wehrt sich mit der Parole "Freie Bürger fordern freie Fahrt". Letztlich kann die SPD-geführte Bundesregierung nur auf Bundes- und Landstraßen ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern durchsetzen, für Autobahnen wird eine unverbindliche Richtgeschwindigkeit von 130 km/h ausgesprochen.

Als weitere Maßnahme zur Verkehrssicherheit wird 1976 das Anlegen eines Sicherheitsgurts zur Pflicht, was in der Republik allerdings für regelrechte Grabenkämpfe sorgt. Die Anschnallpflicht wird als Eingriff in die individuelle Freiheit gesehen und Frauen fürchten um ihre Oberweite. Es möchte einfach keiner wirklich gerne über die Gefahren der so liebgewonnenen motorisierten Fortbewegung nachdenken. Schließlich sollen Werbekampagnen die Bürger zum Angurten bewegen, doch den größeren Effekt erzielt erst ein 1984 eingeführtes Bußgeld.

Der Manta war ein großer Erfolg für Opel. Im Haus der Geschichte gibt es das Original aus dem Kultfilm "Manta, Manta" (1991) zu sehen. Bild: DW/M. Reitz

Das Ende der Autos, wie wir sie kennen?

Im Zuge der Debatte um ein Baumsterben in deutschen Wäldern Anfang der 1980er Jahre wird auch die Umweltverschmutzung durch PKWs ein Thema. Die Bundestagsabgeordneten der Grünen ersetzen 1983 Dienstwagen durch Fahrräder, um für eine umweltfreundlichere Fortbewegung zu werben.

Bis in die Gegenwart hält die Diskussion um eine Verringerung des Schadstoffausstoßes und einen niedrigeren Spritverbrauch an. Erst kürzlich hat sie durch die VW-Abgasaffäre - Volkswagen hatte mit Tricks Abgasnormen umgangen - neue Brisanz erhalten. Wurde in den 1980ern noch die Lösung in Katalysatoren und bleifreiem Kraftstoff gesucht, rückt heute nicht nur das Ende der Ära der Verbrennungsmotoren in greifbare Nähe, sondern man denkt auch über neue Beförderungskonzepte nach.

Mit Carsharing, dem unkomplizierten Kurzzeit-Mieten von Autos, gehen immer mehr Deutsche weg vom eigenen Fahrzeug. Und die Industrie arbeitet mit Hochdruck an selbstfahrenden Autos, darunter der Elektroauto-Hersteller Tesla und Google-Mutterkonzern Alphabet. Liegt die Zukunft der Autos in ihrem Selbstzweck, der reinen Fortbewegung? Das ist nun auch wieder unwahrscheinlich. Nach wie vor empfinden viele Deutsche eine tiefe emotionale Bindung zu ihrem Gefährt. 

"Geliebt. Gebraucht. Gehasst. Die Deutschen und ihre Autos" heißt die neue Ausstellung im Haus der Geschichte in Bonn, die am 10. März eröffnet und bis zum 21. Januar 2018 andauert. Zu sehen sind der originale Manta aus dem Film "Manta, Manta" mit Til Schweiger sowie 800 weitere Ausstellungsstücke.

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