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Politik

Die Deutschen zweifeln an von der Leyen

4. Juli 2019

Wird Ursula von der Leyen EU-Kommissionschefin? Darüber diskutiert ganz Europa. Viele Deutsche glauben nicht, dass sie einen guten Job in Brüssel machen würde. Das ist das Ergebnis des neuen ARD-Deutschlandtrends.

Ursula von der Leyen CDU Verteidigungsministerin Deutschland
Bild: picture-alliance/dpa/A. Bänsch

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben überraschend die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker nominiert. Ob sie tatsächlich EU-Kommissionspräsidentin wird - diese Entscheidung liegt nun beim EU-Parlament. Das sei auch richtig so, meint eine Mehrheit der Deutschen. 71 Prozent sagen, dass das Parlament das letzte Wort haben sollte und nicht die Regierungschefs der EU-Staaten.

Für den aktuellen ARD-Deutschlandtrend, den das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap jeden Monat erhebt, wurden die Bürger gefragt, ob Ursula von der Leyen die richtige Person für den EU-Spitzenjob sei. 56 Prozent der Befragten stimmten mit Nein, nur 33 Prozent glauben, dass die deutsche Ministerin eine gute Kommissionspräsidentin abgeben würde.

Die Ministerin steht in Berlin politisch unter Druck. Ihr wird vorgeworfen, millionenschwere Verträge für externe Beraterfirmen rechtswidrig vergeben zu haben. Ein Untersuchungsausschuss beschäftigt sich mit der sogenannten Berateraffäre. Allein die Anhänger der FDP sind trotzdem mit knapper Mehrheit der Meinung, dass von der Leyen eine gute EU-Kommissionspräsidentin sein würde. Die Unionsanhänger sind gespalten.

Ablehnend äußern sich die Anhänger der SPD, der Linken und der AfD. Hier spricht sich nur jeder fünfte Befragte für von der Leyen aus. Besonders groß ist die Skepsis unter jüngeren Bürgern im Alter bis 34 Jahren. Aber auch bei den älteren Bürgern sind die Bedenken höher als das Zutrauen in Ursula von der Leyen.

Debatte über Seenotrettung

Die vorübergehende Festnahme der deutschen Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete hat die Diskussion über die europäische Flüchtlingspolitik und den Umgang mit in Seenot geratenen Flüchtlingen im Mittelmeerraum neu entfacht. Die Kapitänin war am vergangenen Wochenende mit ihrem Schiff ohne Erlaubnis in den Hafen der italienischen Insel Lampedusa eingelaufen, worauf die italienischen Behörden die Einleitung eines Verfahrens wegen Begünstigung illegaler Migration prüften.

Ein Vorgehen, dass die deutsche Bevölkerung mehrheitlich kritisch sieht: Drei Viertel der Deutschen sprechen sich dafür aus, die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot grundsätzlich nicht juristisch zu verfolgen. Dass Italien Rettungsschiffen, die Flüchtlinge aufgenommen haben, den Zugang zu seinen Häfen verweigert, finden 70 Prozent nicht richtig.

Hingegen erfahren private Initiativen, die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer retten, mehrheitlich Unterstützung (72 Prozent). Frauen beurteilen die private Flüchtlingsrettung häufiger positiv als Männer (80:64 Prozent) und kritisieren die restriktive Haltung Italiens häufiger (79:60 Prozent).

Knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Befragten finden es falsch, dass die Europäische Union mit dem Ende der Marine-Mission "Sophia" die Seenotrettung für Flüchtlinge im Mittelmeer ausgesetzt hat. Das Gros der Bürgerinnen und Bürger (88 Prozent) spricht sich außerdem für eine Änderung des europäischen Asylrechts aus. Die EU-Staaten an den Außengrenzen sollten entlastet und die Flüchtlinge möglichst gleichmäßig auf alle Mitgliedsländer verteilt werden.

Eine andere Haltung zur Flüchtlingsrettung im Mittelmeer vertreten allein die Anhänger der rechtspopulistischen AfD. Sie lehnen die private Seenotrettung zu 65 Prozent ab und finden die restriktive Haltung Italiens zu 68 Prozent richtig.

Unzufrieden mit dem Klimaschutz

Ein weiteres Thema im aktuellen ARD-Deutschlandtrend ist der Klimaschutz. In der Bevölkerung überwiegen die Zweifel, dass sich wichtige gesellschaftliche Akteure ausreichend dafür einsetzen. Zwei Drittel der Befragten bewerten die Bemühungen der Bevölkerung, aber auch die Anstrengungen der Europäischen Union, der Bundesregierung und der Unternehmen in Deutschland als unzureichend. Am deutlichsten fällt die Kritik an der internationalen Staatengemeinschaft aus.

Zur Verbesserung des Klimaschutzes setzen die Bundesbürger mit großer Mehrheit (92 Prozent) auf den Ausbau erneuerbarer Energien, die Einführung einer Kerosinsteuer (68 Prozent) und einen schnelleren Ausstieg aus der Kohleverstromung (64 Prozent). Die Einführung einer CO2-Steuer befürworten hingegen nur 39 Prozent. Noch deutlicher sind die Deutschen dagegen, die Anschaffung und den Unterhalt von Autos mit Verbrennungsmotor zu verteuern. Nur 24 Prozent fänden das richtig.

Der Höhenflug der Grünen hält an

Die Zweifel, ob genug für den Umwelt- und Klimaschutz getan wird, steigen mit dem Bildungsgrad und sind erwartungsgemäß unter den Anhängern der Grünen und der Linken besonders ausgeprägt. Doch während die Linkspartei politisch nicht profitieren kann, hält der Zuspruch für die Grünen an. Sie sind, wie schon im Vormonat, die stärkste Partei in der Wahlumfrage.

Mit der Arbeit der Bundesregierung sind aktuell nur drei von zehn Bürgern zufrieden. Dem Ansehen von Kanzlerin Angela Merkel tut das keinen Abbruch. Sie bleibt im aktuellen Deutschlandtrend die beliebteste Politikerin. 54 Prozent der Befragten sind mit ihrer Arbeit zufrieden. Zulegen kann auch der grüne Parteichef Robert Habeck, der auf 37 Prozent kommt. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer verliert dagegen weiter. Nur noch 22 Prozent der Befragten stellen ihr ein positives Zeugnis aus.

Rechtsextreme Haltungen salonfähiger

Nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke wird über den Umgang mit Rechtsextremismus in Deutschland diskutiert. Dabei äußern zwei Drittel der Bevölkerung die Sorge, dass Rechtsextremisten den Staat verändern könnten und finden gleichzeitig, dass rechtsextreme Positionen in letzter Zeit gesellschaftsfähiger geworden seien.

Zwar sehen bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus 66 Prozent der Bürger Defizite. Diese Kritik ist allerdings weniger häufig als noch 2011 zu hören, als nach der Aushebung der NSU-Terrorzelle noch rund 80 Prozent einen zu laxen Umgang mit Rechtsextremisten beklagten.

Große Unterschiede gibt es bei den Parteianhängern der AfD und der Grünen. Einig sind sie sich allein in dem Wunsch, dass die Sicherheitskräfte mehr Befugnisse bekommen sollten, um die Kommunikation im Internet und in den sozialen Medien zu überwachen. Das lehnen die Anhänger der Linkspartei mehrheitlich ab.

Welcher Terror ist gefährlicher?

Bei politisch motivierter Gewalt geht nach Ansicht der Bürger die größte Gefahr von rechtsextremen Gewalttätern aus (71 Prozent). Sorge besteht auch vor islamistischem Terror (60 Prozent). Die Gefahr, die von linksextremen Straftätern ausgeht, bewerten 41 Prozent als sehr groß oder eher groß.

Deutliche Abweichungen gibt es bei der AfD. Während die Anhänger der meisten anderen Parteien die größte Gefahr im Rechtsextremismus sehen, verbinden die Anhänger der AfD mit islamistischen Straftätern das mit Abstand höchste Risiko.

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