Die Diplomatin
8. April 2010Rauch lag über dem Regierungsviertel in Bischkek, bis tief in die Nacht waren noch Schüsse zu hören, da machte bereits die Meldung die Runde, der Präsident sei geflohen und die Aufständischen hätten eine neue Regierung gebildet. Kurz darauf trat eine resolute kleine Frau vor die Kameras und verkündete: Eine Übergangsregierung habe die Kontrolle über die Sicherheitsorgane übernommen.
Eine Frau an der Spitze
Es ist das erste Mal, dass eine Frau die Geschicke in einer der zentralasiatischen Republiken leitet. In den letzten Monaten hat sich Rosa Otunbajewa zur wichtigsten Figur der kirgisischen Opposition entwickelt. Als Chefin der Übergangsregierung muss sie nun die Lage in Kirgisistan beruhigen. Die Kirgisistan-Expertin Beate Eschment glaubt, dass Otunbajewa sowohl in Kirgisistan und auch im Ausland hohes Ansehen genießt. "Aber sie ist eine Frau, was in ganz Zentralasien nicht gerade für eine Führungsposition qualifiziert. Und sie alleine wird sicherlich nichts bewegen können."
Wie viele Politiker Zentralasiens entstammt Otunbajewa der kommunistischen Nomenklatur des Landes. Sie wurde 1950 im südkirgisischen Osch geboren und studierte in Moskau Philosophie. In den achtziger Jahren stieg sie zunächst in der kirgisischen Kommunistischen Partei auf, bevor sie Botschafterin der Sowjetunion bei der UNESCO in Paris wurde. Nach der Unabhängigkeit Kirgisistans übernahm sie den Posten der Botschafterin in den USA, später diente sie als Außenministerin unter dem ersten Präsidenten des unabhängigen Kirgisistan, Askar Akajew. Sie blieb nur drei Jahre. Dann ging sie erneut als Diplomatin ins Ausland. 2005 gehörte sie zu den führenden Köpfen der so genannten "Tulpenrevolution", die Akajew aus dem Amt vertrieb. "Mein Volk hat bewiesen, dass es vom Geist her demokratisch ist", sagte sie damals. "Wir haben bewiesen, dass Demokratie ein universeller Wert ist, der hier in Asien die gleiche Bedeutung hat wie in Europa."
Geschickte Vermittlerin ins Ausland
Kurz darauf wurde sie wieder zur Außenministerin. Weder sie noch die demokratischen Werte hatten in der neuen Regierung lange bestand. Sobald der neue Präsident Bakijew seine Macht gefestigt hatte, fand sie sich erneut in der Opposition wieder. Nun gehört sie zum zweiten Mal zu den Anführern eines Volksaufstands. Vor wenigen Wochen noch nannte sie Bakijew ein "Monster". Gespräche mit dem Präsidenten lehnte sie ab. Gleichzeitig verhielt sich die Diplomatin nach außen geschickt. Sowohl die USA als auch Russland unterhalten Stützpunkte in Kirgisistan. Den USA sagte sie zu, im Falle eines Machtwechsels nicht auf eine schnelle Schließung der Airbase zu drängen. Russland aber bezeichnete sie als bevorzugten strategischen Partner. Moskau, das zuletzt auf Distanz zu Bakijew gegangen war, sagte der neuen Regierung dann auch schnell seine Unterstützung zu.
Den Kirgisen versprach Otunbajewa am Donnerstag eine echte Kehrtwende. "Die Menschen sind aufgestanden gegen die Repression, gegen die Diktatur und die Clanwirtschaft", erklärte sie. Eine Situation wie 2005, als Bakijew "kaum an der Macht, die Interessen des Volkes verraten und mit den Füßen getreten“ habe werde es nicht noch einmal geben. "Wir werden dieses Ausplündern des Landes nicht fortsetzen. Daran arbeiten wir Tag und Nacht."
Leere Versprechungen?
Die Kirgisen kennen diese Ankündigungen. Zweimal haben sie sie bereits gehört, wahr gemacht hat sie bisher noch niemand. Und auch die Oppositionsparteien genießen in der Bevölkerung kein besonders hohes Ansehen. Ob die Hoffnungsträgerin Otunbajewa ihre Versprechen halten kann, wird auch davon abhängen, ob sie ihre Mitstreiter überzeugen kann.
Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Silke Ballweg