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Politik

Die Disziplinierung polnischer Richter

5. Februar 2020

Polens Präsident hat das umstrittene Disziplinierungsgesetz gegen kritische Richter unterzeichnet. Brüssel prüft seine Rechtmäßigkeit und die polnische Opposition spricht vom Entzug der Bürgerrechte.

Polen Posen Protest gegen Justizreform der Regierung
In Posen protestieren Tausende am 1. Dezember 2019 gegen die JustizreformBild: Reuters/Agencja Gazeta/L. Cynalewski

Weder landesweite Proteste in Polen noch Kritik aus Brüssel und aus dem Europarat haben die PiS gestoppt, das umstrittene Gesetz durchzudrücken. Zwar wurde das im Dezember vom Sejm verabschiedete Disziplinierungsgesetz vom Senat, der zweiten Parlamentskammer, abgelehnt. Doch der Sejm hat es vor kurzem noch einmal abgesegnet. Auch Polens Präsident, der Juradoktor Andrzej Duda, hatte keine Bedenken und hat Gesetz unterzeichnet.

Künftig können polnische Richter bestraft werden, wenn sie die seit vier Jahren durchgeführte Justizreform der PiS in Frage stellen. Sie müssen mit Geldstrafen, Herabstufung oder sogar Entlassung rechnen, wenn sie die Entscheidungskompetenzen anderer Richter oder eines Gerichts nicht anerkennen. Sie dürfen nicht politisch aktiv sein und müssen ihre Zugehörigkeit zu Organisationen und Bürgerinitiativen angeben.

Der Unbotmäßige wird bestraft

Noch vor der Unterzeichnung des Gesetzes haben die PiS-treuen Gerichte mit anderen Mitteln versucht, die Kritiker zu disziplinieren. Pawel Juszczyszyn ist Richter am Bezirksgericht in Allenstein und ist seit Monaten der Regierung ein Dorn im Auge. Diese Woche wurde er von der im Rahmen der Justizreform geschaffenen "Disziplinarkammer" suspendiert und sein Gehalt um 40 Prozent gekürzt. Sein "Vergehen": die kritische Haltung gegen die neugewählten und überwiegend regierungstreuen Richtergremien. In einem Verfahren vor dem Allensteiner Gericht hat er die Kompetenzen eines Richters in Frage gestellt, der von dem neuen Landesjustizrat gewählt wurde.

Proteste vor dem polnischen Sejm gegen die Justizreform im Dezember 2019Bild: DW/M. Gwozdz-Pallokat

In seiner Kritik steht Juszczyszyn in einer Linie mit dem Obersten Gericht Polens, das entschieden hat, dass das Richterwahlgremium - in seiner neuen Zusammensetzung "Neo-Landesjustizrat" - so nicht von der Politik unabhängig sei. Die über 500 Richterberufungen durch das Gremium seien deshalb fragwürdig und deren Urteile anfechtbar.

Proteste gegen die Richterdisziplinierung

Nicht nur die neugewählten Richter, sondern auch die neugewählten Richtergremien sind für Juszczyszyn illegal. Die Disziplinarkammer, die ihn am Dienstag (4.02.) suspendiert hat, sei "kein Gericht im Sinne der Rechtsregelungen der Europäischen Union und damit kein Gericht im Sinne des Landesrechts", schrieb er auf Facebook.

Als er am Mittwoch ins Allensteiner Gericht kam, wurde er von einer Gruppe Kollegen begleitet, die damit ihre Solidarität zeigen wollten. Vor dem Gerichtsgebäude hielten einige Protestler Transparente, auf denen stand: "Unabhängige Gerichte sind jedermanns Recht" und "Heute Richter, morgen wir!". Die für Mittwoch geplanten Gerichtsverhandlungen unter der Leitung des kritischen Richters wurden verschoben. Juszczyszyn dürfe weiter arbeiten, aber nur in seinem Arbeitszimmer und in der Bibliothek, entschied das Gericht.

Brüssel analysiert das Gesetz

"Die Europäische Kommission (EK) analysiert das polnische Gesetz unter dem Aspekt der Übereinstimmung mit dem Recht der Europäischen Union", sagte der Pressesprecher der EK, Christian Wigand. Brüssel werde vor "weiteren Entscheidungen" nicht zögern, wenn sie nötig würden. Die Opposition und die kritischen Richter in Polen erwarten, dass das Gesetz zur Prüfung an den Europäischen Gerichtshof verwiesen wird.

"Ich glaube, dass wir eine Reaktion auf dieses Gesetz sehen werden, weil es sich der ganzen europäischen Gesetzgebung querstellt", sagte der Pressesprecher des Obersten Gerichts Polens Michal Laskowski.

Ein Schritt in Richtung "Polexit"

Die Opposition ist empört. "Es ist ein trauriger Tag. Wieder hat Andrzej Duda ein Gesetz unterzeichnet, das den Rechtsstaat zerstört. Das ist ein nächster Schritt in Richtung Polexit", schrieb die Vizevorsitzende des Sejms, Malgorzata Kidawa-Blonska auf Twitter. "Wir haben verstanden, dass wir verraten wurden und dass unsere Bürgerrechte nicht mehr geschützt werden", sagte die Politikerin der liberalen Bürgerplattform.

​​ "Wir haben verstanden, dass wir verraten wurden" - Malgorzata Kidawa-Blonska, Vizevorsitzende des SejmBild: Getty Images/AFP/W. Radwanski

Früher forderten sowohl die Liberalen als auch die Linke und die Bauernpartei PSL von Andrzej Duda, dass er sein Veto gegen das Gesetz einlegt. Auch der polnische Ombudsmann für Menschenrechte und das Oberste Gericht haben auf die Illegalität mehrerer Punkte des Gesetzes hingewiesen. Das Disziplinierungsgesetz wurde vor einigen Wochen von der sogenannten Venedig-Kommission (berät Staaten in verfassungrechtlichen Fragen) des Europarates kritisch beurteilt.

Verfahren gegen die polnische Justizreform

Auch die Europäische Kommission geht seit Anfang 2016 wegen mehrerer Teile der sogenannten Justizreform gegen Polen vor. Sie wirft der nationalkonservativen Regierung in Warschau vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu beschneiden und die Gewaltenteilung zu untergraben. Die Kommission hat schon mehrere Vertragsverletzungsverfahren eröffnet und Klagen beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Seit 2017 läuft gegen Polen ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge, was die Stimmrechte des Landes im EU-Rat gefährden könnte.

Doch Warschau schreckt vor möglichen Konsequenzen nicht zurück. Mehrmals hat die polnische Regierung betont, dass die Organisation des Gerichtswesens in den Händen des jeweiligen EU-Mitgliedsstaates und nicht bei EU-Gremien liege.

Bis 13. Februar soll Warschau seine Erklärungen zum Disziplinierungsgesetz beim EUGH einreichen.

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