"Die Donau ist einer der Hauptwege des Menschenschmuggels"
2. September 2003Bonn, 2.9.2003, DW-radio, Dejan Zlatic
Die Regierungen der Länder Südosteuropas haben weitreichende Maßnahmen gegen Menschenschmuggel ankündigt. Der Handel mit Frauen vor allem aus Osteuropa blüht, und die Wege laufen nach Ansicht von Experten häufig durch Serbien. Dejan Zlatic hat sich an der Donau, die Rumänien und Serbien trennt, umgeschaut und dort einen Fährmann aufgespürt, der an dem Menschenschmuggel beteiligt ist:
Der Teil der Donau, der Serbien von Rumänien trennt, birgt viele Geheimnisse: Die 1990er Jahre sind durch den Öl-Schmuggel in Erinnerung geblieben. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts steht eine andere Art von Schmuggel im Vordergrund: Frauenhandel. Ein Donau-Fährmann aus der Gegend um die nordserbische Kleinstadt Kladovo, dem diese Geschäfte nicht unbekannt sind, erzählt:
"Am meisten wird jetzt mit Menschen und besonders mit Frauen Handel getrieben. Die Frauen sind die aktuellste Schmuggelware. In dieser Region werden jeden Monat rund 100 Frauen über die Grenze geschleust."
Die Reise dieser Frauen beruhe von Anfang auf einer Lüge, so der Fährmann:
"Die Frauen denken, dass sie zur Arbeit nach Italien, Griechenland oder Deutschland gebracht werden. Aber das ist natürlich eine Lüge. Wenn sie an das andere Donau-Ufer gelangen, warten auf sie ganz andere Männer, mit denen die Frauen nicht gerechnet haben - meistens aus dem Kosovo. Und diese Männer, die an der anderen Uferseite warten und die die Frauen ins Kosovo bringen, sind nicht Albaner, sondern Serben, die mit der Mafia im Kosovo in Verbindung stehen."
Ein Zurück gibt es nicht. Wenn sich eine Frau wehrt, wenden die Menschenhändler brutale Gewalt an. Die meisten Frauen seien noch junge Mädchen, beinahe Kinder, sagt der Fährmann:
"Unter ihnen sind auch 14-, 15-jährige Mädchen. Aber es gibt auch Frauen bis 30 Jahre."
Der Preis für den Transport der Frauen sei Verhandlungssache, sagt er:
"Der Preis wird nach Zahl der Personen festgelegt. Wenn es sich um mehr als 20 Personen handelt, dann sinkt der Preis auf rund 70 Euro. Über alles lässt sich verhandeln."
Dass Serbien-Montenegro eine wichtige Drehscheibe im internationalen Menschenhandel ist, darauf haben Experten wiederholt hingewiesen. Anfang Juli wurde der aus Mazedonien stammende Albaner Dilaver Boiku verhaftet. Die Ermittlungen ergaben, dass der "ungekrönte Mafia-König" - wie er genannt wurde - der Drahtzieher eines großen Schmuggler-Rings war: Mehr als 3 000 Frauen hat er als Prostituierte an Nachtlokale vermittelt, wo sie wie Sklavinnen behandelt werden. Die Frauen hatte Boiku zuvor aus Moldavien, Rumänien und der Ukraine für 1 500 bis 5 000 Euro gekauft.
Die Menschenhändler-Organisationen sind offenbar bestens organisiert. Das meint auch Bozidar Spasic, der früher einen hohen Posten beim Staatssicherheitsdienst innehatte:
"Es handelt sich um eine ganze 'Industrie', in der jeder seinen Job zu erledigen hat: Einer nimmt die Bestellung in Empfang und transportiert die Frau an den vereinbarten Ort. Dort wartet auf sie ein LKW. Falsche Dokumente sind natürlich schon auf ihren Namen ausgestellt und vorhanden. Die Frauen müssen dazu schon vorab ihrem 'Verbindungsmann', der sie verkauft, ihr Foto einreichen. Die gefälschten Dokumente sind notwendig, um die Frauen von Moldawien über Rumänien auf das andere Donau-Ufer zu transportieren. Für professionellen Fälschungen von Dokumenten sind Banden in Bulgarien bekannt. Daran sieht man, dass die Mafia-Organisationen über Grenzen hinweg gut zusammenarbeiten. Also, es handelt sich um eine sehr professionelle Mafia-Organisation, wo Vorschüsse bezahlt werden oder andere schmutzige Geschäfte als Gegenleistung erledigt werden."
In Kürze soll ein Regionalzentrum zur Bekämpfung des Menschenschmuggels gegründet werden, das den Informationsaustausch zwischen den Ländern des ehemaligen Jugoslawien sowie Rumänien und Moldavien verbessern soll. In der ersten umfangreichen Interpol-Fahndung, an der auch die Länder Südosteuropas beteiligt waren, wurden jüngst 38 bekannte Menschenhändler verhaftet. Insgesamt stehen 110 Namen auf der Liste der Fahnder.
In Montenegro hat der Kampf gegen Frauenhandel jedoch einen Rückschlag erlitten: Vor wenigen Monaten wurde auf Druck der Regierung ein Ermittlungsverfahren gegen hochrangige Politiker eingestellt, die unter Verdacht standen, in den Menschenschmuggel verwickelt zu sein. Eine betroffene Frau aus Moldavien hatte sich bereit erklärt, vor Gericht auszusagen, aber es kam nicht zum Prozess.
Es gibt mehrere Hinweise darauf, dass Regierungspolitiker und Polizisten auch selbst in den Menschenhandel verwickelt sind. Bis jetzt hat jedoch nur eine griechische Polizeigewerkschaft zugegeben, dass "manche Polizisten mit den Schmuggelbanden verstrickt" seien. Auch an der rumänisch-serbischen Grenze habe die Polizei ihre Finger im Spiel, sagt der Donau-Fährmann:
"Dort in Rumänien wird einfach bezahlt: Man besticht den Chef, der sagt den Polizisten wie sie verfahren sollen, manchmal werden wir von den Polizisten auch beschützt. Hier in Serbien ist es anders. Ich kann mich nur auf meine Geschicklichkeit verlassen."
Der Menschenschmuggel über die Donau floriert. Das weiß auch Bozidar Spasic:
"Die Donau ist einer der Hauptwege des Schmuggels. Dadurch bekommt die Donau zwei Gesichter - ein hässliches und ein schönes zugleich. Ein Fluss mit vielen Geheimnissen. Leider enden viele der Frauen in der Donau selbst..." (TS)