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Musik

Dresdner Sinfoniker spielen gegen Trumps Mauer

Rick Fulker
7. April 2017

"Tear Down This Wall" - unter diesem Motto geben die Dresdner Sinfoniker am 3. Juni ein Konzert an der Grenze zwischen den USA und Mexiko. Im DW-Gespräch sieht Intendant Markus Rindt das Potential für noch viel Größeres.

Friendship Park Grenze USA Mexiko
Im Friendship Park ist die Grenzabsperrung besonders hochBild: Maria Teresa Fernandez

Mit "Tear Down This Wall!" wollen die Dresdner Sinfoniker ein Zeichen gegen Mauern setzen - sowohl gegenständliche als auch gegen die Mauern in den Köpfen der Menschen. Das durch Crowdfunding finanzierte Konzert könnte Auslöser für etwas viel Größeres sein - vielleicht sogar für Konzerte entlang des gesamten Grenzverlaufs zwischen den beiden Ländern.

Deutsche Welle: Wie ist die Idee entstanden, am 3. Juni im "Friendship Park" zwischen San Diego/Kalifornien und Tijuana/Mexiko ein Konzert zu spielen?

Markus Rindt: Wir hatten eine Einladung zu einer Konzerttournee nach Mexiko. Dann las ich in den Nachrichten mal wieder über Trumps geplante Mauer, die neun Meter hoch werden soll und ein schlimmes Konstrukt in unserer heutigen Zeit ist. Wir dachten: Wenn wir schon in Mexiko sind, könnten wir doch eine Aktion dagegen veranstalten - und gleichzeitig auf das unsägliche Flüchtlingselend aufmerksam machen, das täglich im Mittelmeer oder an den Grenzen der Welt bzw. Europas passiert. Dieses Thema ist ziemlich aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden. Schauen sie sich die Situation in Ungarn oder an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien an!

Markus RindtBild: Graziela Diez

Wie sieht die Grenze im Friendship Park aus?

Im Friendship Park an der Grenze zwischen Tijuana und San Diego ist die Absperrung besonders hoch. Durch den Gitterzaun können sich getrennte Familien nur mit den Fingerspitzen berühren. Wir rufen so viele Menschen wie möglich auf, an unserer Aktion teilzunehmen. Und entlang der gesamten 3200 Kilometer langen Grenze viele verschiedene Aktionen zu initiieren: mit friedlichem Protest, originellen Kunstaktionen, Volleyball-Spielen über die Mauer - zumindest dort, wo sie nicht so hoch ist -, Musik, Tanz, Performance: Alles ist erwünscht. Damit soll ein Zeichen gesetzt werden, dass Mauern nicht die Lösung für die Probleme dieser Welt sind. Der Titel "Tear Down This Wall" ist ein Zitat von Ronald Reagan aus seiner Rede an der Berliner Mauer vor genau 30 Jahren, am 12. Juni 1987.

Das Konzert selbst wird durch Crowdfunding finanziert, aber der Erfolg der weiterführenden Aktion wird auch von der Beachtung in den amerikanischen Medien abhängen. Was sind Ihre Erwartungen diesbezüglich?

Die Verantwortlichen bei kickstarter.com waren begeistert, und viele Künstler auf amerikanischer Seite finden das großartig. Wir haben inzwischen ein ganz gutes Netzwerk aufgebaut. Wenn die Medien in den USA mitziehen - das weiß man im Moment noch nicht - dann gibt es eine Chance, dass sich uns viele anschließen. Der Protest muss an diesem einen Tag so groß wie möglich sein, damit die Botschaft vernommen wird. Auch in kleineren Grenzstädten: Viele Menschen trauen sich anscheinend bisher nicht, ihre Stimme gegen die ungeheuerlichen Mauerbau-Pläne zu erheben. Auf jeden Fall wird es eine Herausforderung, alle zu erreichen. Wir sind aber optimistisch. Jeder, der eine originelle Aktion am 3. Juni an der Grenze veranstaltet, soll sich einfach filmen und das Video unter dem Hashtag teardownthiswall veröffentlichen. Dann wird es gefunden und kann geteilt werden.

Haben Sie selbst prägende Erfahrungen mit Mauern und mit Abgrenzung gemacht?

Die Dresdner Sinfoniker bei einem Konzert in Berlin 2015Bild: Markus Rind

Ich bin in der DDR aufgewachsen, hatte ein gute musikalische Ausbildung und eine Stelle als Hornist im Orchester. Dennoch habe ich mich entschlossen, das Land zu verlassen. Kurz vor dem Fall der Mauer im Oktober 1989 bin ich über die Botschaft in Prag geflohen und war einer der vielen Flüchtlinge in den Zügen, die dann im Westen herzlich begrüßt wurden. Es war ein toller Empfang, den ich niemals vergessen werde. Im Osten Deutschlands haben wir 1989 die friedliche Revolution erlebt. Die Menschen haben es mit friedlichen Protesten geschafft, die Mauer zu Fall zu bringen. So etwas ist auf der Welt bisher ziemlich einmalig. Warum sollte das nicht auch an anderen Orten der Welt funktionieren?

Oft wird ein Konzert mit internationalen Musikern veranstaltet, und es wird dann gesagt: Musik verbindet die Völker. Wobei ich den Beleg dafür nicht immer gleich erkennen kann. Sie gehen aber weiter, werden konkret und unmissverständlich. Warum?

Weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass Kulturprojekte etwas bewirken können - sei es unsere "Symphony for Palestine" im Westjordanland 2013 oder das Maja-Projekt "Konzert zum Ende der Zeit" mit Musikern aus Guatemala und Mexiko im Jahre 2012. Die größte Aufmerksamkeit haben wir mit "aghet" erfahren. 100 Jahre nach dem Völkermord an den Armeniern, haben wir 2015/2016 ein Versöhnungsprojekt mit deutschen, türkischen und armenischen Musikern initiiert. Nachdem die Türkei dagegen protestiert hatte, erfuhr dieses Projekt plötzlich eine ganz große Aufmerksamkeit. Es war uns gelungen, das Thema wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.

"Tear Down This Wall" ist eine internetbasierte Aktion. Wie funktioniert das eigentlich? 

Kickstarter ist eine Crowdfunding-Plattform aus den USA, die aber auch eine mexikanische Abteilung hat. Jeder kann unser Projekt unterstützen - bereits ab 10 Euro. Für jede Geldgabe gibt es auch eine Gegenleistung, etwa einen Konzertmitschnitt. Wenn wir 15.000 Euro zusammen haben, ist das Konzert gesichert.

Ein Mädchen auf der mexikanischen Seite des "Friendship Park" zwischen den Städten San Diego und TijuanaBild: Maria Teresa Fernandez

Wenn wir noch mehr Geld bekommen sollten, können wir zum Beispiel einen Dokumentarfilm darüber drehen oder musikalisch alles noch größer machen. Man geht also auf kickstarter.com, gibt "Dresdner Sinfoniker" ein und gelangt zur Projektseite mit allen Informationen.

Sicher haben Sie schon viele Behördengänge hinter sich. Wurden Sie freundlich empfangen?

Ja, man begegnet aber viel Bürokratie und muss detailliert angeben, was genau und in welchem Umfang geplant ist. Wir sind aber noch in der Beantragungsphase und wissen manches noch nicht so genau: Was passiert, wenn zum Beispiel nicht 100, sondern 2.000 Leute als Publikum kommen? Von mexikanischer Seite sehe ich allerdings wenig Probleme.

Da liegt mir jetzt eine Frage auf der Zunge...

Auf amerikanischer Seite wird es interessant, ob die Genehmigung erteilt wird. Falls den US-amerikanischen Kollegen die Teilnahme verweigert wird...

Dann würde das in der Öffentlichkeit wirklich auffallen! Nicht dass ich mir das wünsche…

Es ist jedenfalls nicht in erster Linie eine politische Veranstaltung, sondern ein grenzüberschreitendes Konzert, ein Kunstprojekt, ein riesiges Happening. Wenn die Musiker von Seiten der US-amerikanischen Behörden keine Genehmigung für unser Konzert im Friendship Park bekämen, wird man wohl fragen, wie es um die Freiheit der Kunst im freien Amerika bestellt ist.

Der Hornist Markus Rindt ist Intendant der Dresdner Sinfoniker, die er 1997 zusammen mit dem Komponisten und Regisseur Sven Helbig gründete. Rindt wurde 1967 in Magdeburg geboren und studierte Musik und Horn. Seine Dresdner Sinfoniker gehören mittlerweile zu den profiliertesten europäischen Orchestern für zeitgenössische Musik und machten immer wieder durch völkerverbindende Projekte auf sich aufmerksam. 

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