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Braune Schatten

Rick Fulker
23. Juli 2009

Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier treten die Nachfolge ihres Vaters Wolfgang an und leiten die Bayreuther Festspiele. Sie wollen das Opernfestival modernisieren - vor dem Hintergrund einer dunklen Vergangenheit.

Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier (Foto: DPA)
Die mächtigen Frauen vom Grünen Hügel: Katharina Wagner (links) und Eva Wagner-PasquierBild: picture-alliance/ dpa

Es weht ein frischer Wind über den Grünen Hügel. Und dieser Wind sieht auffallend gut aus, ist groß und blond und noch eher jung: Die 31-jährige Katharina Wagner. Sie ist neue Festspielleiterin in Bayreuth, Urenkelin des Komponisten und die Tochter von Wolfgang Wagner, der die Festspiele über ein halbes Jahrhundert geleitet hat.

Auch in diesem Jahr bietet der Grüne Hügel wieder großes Theater vor der Oper: Die Auffahrt der Prominenten, der Reichen und der Mächtigen. Wenn zum Beispiel die Bundeskanzlerin ihren Auftritt hat und sich das Interesse nur noch um die Frage dreht, ob sie jetzt ihr Kleid schon wieder vor dem ersten Akt durchgeschwitzt hat. Dann beherrschen wieder die Prominenten die Schlagzeilen.

Der Antisemitismus des Richard Wagner

Richard Wagner: Nur seine Opern werden im Bayreuther Festspielhaus aufgeführtBild: dpa

Prominente Gäste machen aber nicht nur den Glanz der Festspiele aus, sie zeigen auch das Dilemma, in dem sich das Opernfestival seit Jahrzehnten befindet. Denn vor dem Zweiten Weltkrieg war der berühmteste Gast bei Aufführungen oder auch ganz privat: Adolf Hitler. Der war ein glühender Wagnerianer und der Familie Wagner in Freundschaft verbunden.

Es sind viele Bücher darüber geschrieben worden, ob der 1883 gestorbene Richard Wagner so etwas wie ein Vorläufer der Nazis und ihrer menschenverachtenden Ideologie gewesen sei - beantworten lässt sich die Frage nicht. Dass Wagner ein Antisemit war, ist jedoch bewiesen. Die Belege dafür hat er selbst geliefert, wie in seinem berüchtigten "Traktat über das Judentum in der Musik".

Hitler im Festspielhaus, 1938Bild: PA/dpa

Seit dem Beginn der Festspiele im Jahr 1876 ist die Leitung immer in den Händen der Familie Wagner geblieben. 1930 übernahm Winifred Wagner, die Schwiegertochter des Komponisten, die Leitung der Bayreuther Festspiele. Sie war überzeugte Nationalsozialistin, Parteimitglied seit 1926 und pflegte ein besonders enges Verhältnis zu Hitler. Schon zehn Jahre bevor dieser Reichskanzler wurde, führte sie ihn in die Familie Wagner ein. Dort war er ein gern gesehener Gast, privat in der "Villa Wahnfried" wie auch als Zuhörer im Festspielhaus.

Die Schatten der Vergangenheit sind braun

 

Winifred Wagner und Adolf Hitler - eine Freundschaft über den Tod hinausBild: picture-alliance/dpa

Winifred Wagner hat auch lange nach dem Untergang des "Dritten Reiches" und dem Tod Hitlers sein Andenken hoch gehalten. Noch 30 Jahre nach Kriegsende erzählte sie, sie sähe in Hitler nur den Freund; sie würde sich freuen und glücklich sein, wenn er jetzt wieder zur Tür hereinkäme. Diese Äußerung, gefallen in einem Gespräch mit dem Filmregisseur Jürgen Syberberg, schlug hohe Wellen.

Ihre Söhne Wieland und Wolfgang waren um Schadensbegrenzung bemüht und versuchten, Winifred und die Familie Wagner insgesamt aus der Schusslinie zu bringen. Sie stellten die Aussage ihrer Mutter als Schrulle einer alten Frau dar. Öffentlich sagte Wieland, seine Mutter sei ja nicht mehr ernst zu nehmen. "Die glaubt noch heute an den Endsieg!", behauptete er.

Den Vorwurf, den braunen Gespenstern nicht abgeschworen zu haben, müssen sich die Wagnerfestspiele aber bis heute gefallen lassen. Denn Wieland und Wolfgang sahen sich nicht als Aufklärer. Die Aufarbeitung der braunen Geschichte ihrer Familie haben sie anderen überlassen.

An diesem Punkt allerdings scheiden sich die Geister: Während einige Forscher beklagen, von den Wagners nicht unterstützt worden zu sein, loben andere wieder, sie hätten frei und ungehindert recherchieren können.

Neuanfang mit einem Brüderpaar

1951 übernahmen Wieland und Wolfgang Wagner gemeinsam die Leitung der "Richard-Wagner-Festspiele". Den beiden Enkeln des Komponisten ist es gelungen, das nach dem Krieg darniederliegende Festival wiederzubeleben, sowohl künstlerisch als auch geschäftlich.

Nach dem Tode Wielands 1966 leitete Wolfgang die Festspiele allein. Seine Nachfolgerin ist nun Tochter Katharina. Gemeinsam mit ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier leitet sie jetzt das allsommerliche Hochamt der Werke Richard Wagners.

Wolfgang Wagner und Tochter KatharinaBild: AP

Im Scheinwerferlicht steht aber hauptsächlich Katharina. Das könnte an ihrer Jugend liegen oder an ihrem guten Aussehen. Eine junge, großgewachsene Frau mit dem gewissen Glamour-Faktor. Auch in seriösen Magazinen liest man Artikel, die die Regisseurin und Festspielleiterin Katharina Wagner zum Thema haben und sich dann doch ausführlich mit ihrem Aussehen beschäftigen. Und auch in diesem Artikel wurde dies hiermit zum zweiten Mal erwähnt.

In Zukunft alles anders?

In diesem Jahr haben Katharina und Eva das Ruder übernommen und tatsächlich schon Neues eingeführt: Die Aufführung von "Tristan und Isolde" im Festspielhaus ist jetzt zeitgleich im Internet als "Live-Stream" zu hören. Vom "Fliegenden Holländer" gibt es eine Fassung für Kinder.

Ob der frische Wind aber auch nachhaltige Veränderung mit sich bringt, bleibt abzuwarten. Denn allzu viel Zeit, den Laden durchzulüften, haben die beiden neuen Festspielleiterinnen nicht. All ihre Vorgänger, von Vater und Onkel bis zum Urgroßvater und seiner Witwe, sie alle hatten gemeinsam, dass sie Chef auf Lebenszeit waren. Aber das hat sich schon geändert: Katharina und Eva haben nur einen befristeten Vertrag. Er läuft nach sieben Jahren aus.

Autor: Dirk Kaufmann
Redaktion: Kay-Alexander Scholz

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