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Gesellschaft

Die dunkle Seite der K-Pop-Saubermänner

Fabian Kretschmer aus Seoul
14. März 2019

Heimliche Sex-Videos und illegale Prostitution: Die koreanische Popbranche wird von einem Skandal erschüttert, der sich immer mehr ausweitet.

Südkorea Seoul - Seungri Mitglied der K-Pop Band Big Bang bei der Seoul Metropolitan Police Agency
Bild: picture- alliance/AP Photo/A. Young-Joon

Die "Washington Post" hatte sie einst als "größte Band Asiens" bezeichnet: Die fünf Mitglieder von "Big Bang" wurden nicht zuletzt deswegen international gefeiert, weil sie die strengen Konventionen des sogenannten K-Pop (koreanische Girl- bzw. Boy-Bands) gesprengt haben. Im Gegensatz zur zuckersüßen Einheitsmusik ihrer Kollegen haben Big Bang ihre Lieder weitgehend selber geschrieben und teilweise auch komponiert. Seit ihrem Debüt 2006 verkauften sie über 140 Millionen Platten, ihre Videos erreichen regelmäßig bis zu 400 Millionen Zuschauer auf Youtube. Der rasanten Erfolgsgeschichte von Big Bang folgt nun jedoch ein spektakulärer Fall.

Am Donnerstag erschien der 28-jährige Seungri (Titelfoto) reumütig in Anzug und Krawatte vor der Seouler Polizeibehörde. Der Sänger, der bürgerlich Lee Seung Hyun heißt, wurde angeklagt, einen Prostitutionsring betrieben zu haben. "Ich werde der Untersuchung zur Verfügung stehen und wahrheitsgemäß antworten", sagt er, ohne jedoch auf die Fragen der Dutzenden Reporter einzugehen.

(Archiv) Auftritt von Big Bang 2012 in SeoulBild: picture alliance/dpa/K.Hee-Chul

Ein Skandal mit Konsequenzen

Die Polizisten haben Chat-Verläufe aus dem Jahr 2015 gesichert, die belegen sollen, dass der gefeierte Popstar von Big Bang für Geschäftspartner aus Taiwan Prostituierte organisiert haben soll. Im Gegenzug habe er sich Investitionen an seiner Firma Yuri Holding versprochen. Prostitution ist illegal in Südkorea, wenn auch weit verbreitet.

In südkoreanischen Online-Medien sorgte der Skandal für einen Aufschrei. "Man sollte eine einstweilige Verfügung veranlassen und all sein Einkommen an den Staat weiterleiten", schreibt etwa ein erboster User unter einem Online-Artikel. Ein anderer meint: "Das war kein individueller Fehler. Der Skandal hat negative Auswirkungen auf unsere ganze Gesellschaft."

Seungri gilt als der geschäftstüchtigste unter den fünf Big Bang Mitgliedern - er betreibt unter anderem eine Restaurantkette und wird aufgrund seines extravaganten Lebensstils als "Great Gatsby des K-Pop" bezeichnet. Bis vor Kurzem fungierte er zudem auch als PR-Manager für den Club "Burning Sun" im Seouler Nobelbezirk Gangnam.

Trauer nach dem Frauenmord 2016 im Bezirk Gangnam Bild: Steven Borowiec

Das K-Pop-Patriarchat

Der mittlerweile geschlossene Club ist bereits vor Monaten aufgrund einer ganzen Serie an Skandalen unter Verruf geraten. Immer wieder haben junge Frauen in anonymen Online-Posts behauptet, dort Opfer von KO-Tropfen geworden zu sein. Koreanische Medien berichten von einer "rape culture", die von den Club-Betreibern, Türstehern und Polizeibehörden gedeckt wurde.

"Die Gewalt gegen Frauen ist strukturell - und oft finden die Verbrechen im Verborgenen statt", sagt die feministische Aktivistin Seoyun: "Sexueller Missbrauch und Belästigungen werden in Südkorea oft als leichte Vergehen abgetan. Nicht selten werden sogar die Betroffenen aufgrund ihrer Kleidung als Schuldige diskriminiert."

Die junge Südkoreanerin ist Teil einer Gruppe, die sich "brennende Feministen" nennen. Gegründet haben sie sich nach einem Mord im Jahr 2016, als eine Frau in einer öffentlichen Toilette im Seouler Nobelbezirk Gangnam niedergestochen wurde. Der Täter gab damals an, sein Opfer nicht gekannt zu haben, jedoch von einem tiefen Hass gegen Frauen getrieben worden zu sein. Jener Fall wurde zur zur Geburtsstunde der feministischen Bewegung Südkoreas. Erstmals prangerten Frauen im öffentlichen Raum systematisch das Patriarchat an, teilten ihre Leidensgeschichten und zeigten in Demonstrationen ihre Solidarität.

Vor einigen Jahren wäre der Skandal rund um Sänger Seungri vielleicht ohne Folgen geblieben. Diesmal jedoch hat der Popstar nach massivem öffentlichen Druck angekündigt, sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen zu wollen. Die Aktien seines Labels YG Entertainment brachen zudem am Tag seines Rückzugs um 15,6 Prozent ein.

Der Skandal zieht seither immer weitere Kreise: Der tief gefallene K-Pop-Star Seungri war laut Polizeiermittlern Teil einer Chatgruppe, in der heimlich gefilmte Sexvideos geteilt wurden. Bei einem der Täter handelt es sich um den Sänger Jung Joon Young, der Handy-Videos von mindestens zehn Frauen, mit denen er Sex hatte, online weiterverbreitet hat. Auch er muss sich nun vor Gericht verantworten. Der Sänger Choi Jong Hoon von der Band F.T. Island steht ebenfalls im Visier der Ermittler: Seine Aussagen im selben Gruppenchat legen nahe, dass eine betrunkene Autofahrt dank seiner Beziehung zu einem korrupten Polizisten zu den Akten gelegt wurde.

Protest gegen heimliche Sex-Aufnahmen 2018 in SeoulBild: Getty Images/J. Chung

Allmähliches Umdenken

"Molka" wird das traurige Phänomen in Südkorea genannt, bei dem heimliche Aufnahmen von Frauen im Internet landen - beim Geschlechtsverkehr, aber auch beim Duschen oder in der Öffentlichkeit. Es ist für viele Südkoreaner üblich, beim Gang auf öffentlichen Toiletten zunächst nach versteckten Kameras zu suchen. Lange Zeit wurde das Problem von den Behörden ignoriert. Doch nach massiven Protesten kam es zu einem Umdenken: Viele Webseiten, auf denen die voyeuristischen Videos landeten, wurden mittlerweile geschlossen. Die Seouler Stadtregierung hat zudem speziell ausgerüstete Suchtrupps ausgebildet, die den öffentlichen Raum systematisch nach Spanner-Kameras durchforsten.

Auch wenn die koreanische Unterhaltungsindustrie nach außen hin rigide moralische Vorstellungen propagiert, kommt es hinter den Kulissen immer wieder zu sexueller Ausbeutung und Machtmissbrauch. Laut einer Umfrage der südkoreanischen Menschenrechtskommission von 2010 gaben 55 Prozent aller befragten Schauspielerinnen an, solche sexuellen Angebote erhalten zu haben. Die Hälfte von ihnen habe im Fall einer Absage berufliche Nachteile erlitten.

Aktivistin Seoyun glaubt jedoch, dass sich die koreanische Gesellschaft seit den massiven Protestbewegungen des letzten Jahres verändern würde. Frauen leisten mittlerweile Widerstand, viele Täter landen vor Gericht. "Auch die koreanische Unterhaltungsindustrie wird sich verändern. Sex-Straftäter werden bald nicht mehr auf den TV-Schirmen zu sehen sein. Ihre Plätze werden von Sängerinnen eingenommen, denen früher keine Chance gegeben wurde", sagt sie.

 

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