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Politik

Die "Einflüsterer" im Regierungspoker

Richard A. Fuchs
13. November 2017

Am Donnerstag sollen die Jamaika-Sondierungen ihr Ende finden. Für CDU, CSU, FDP und Grüne bedeutet das: jetzt müssen Kompromisse in besonders strittigen Themen her. Wichtige Stunden für die "Einflüsterer".

Berlin Greenpeace: Jamaika lasst die Sau raus
Bild: picture-alliance/Zumapress/S. Kuhlmey

Es ist die letzte Woche der Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen. Bis zum angekündigten Ende der Sondierungsgespräche in der Nacht von Donnerstag auf Freitag muss eine möglichst tragfähige Grundlage für ein Regierungsbündnis gefunden werden - sonst drohen Neuwahlen oder eine politische Hängepartie. Und je größer der Erfolgsdruck wird, desto emsiger scheinen auch Interessensvertreter und Lobbyisten zu agieren. Gerade auf den letzten Metern auf dem Weg zu einem möglichen Jamaika-Bündnis gilt es, die politische Agenda zu besetzen.

Wie die Lockerung der Arbeitszeiten auf die Agenda kam

Wie gut das Räderwerk dieser "Einflüsterer" funktioniert, das zeigt die neu entbrannte Debatte um die Arbeitszeiten in Deutschland. Besonders die Liberalen hatten sich in den zurückliegenden Tagen mit Verve dafür ausgesprochen, das starre Arbeitszeitgesetz gegen ein flexibel handhabbares Gesetz zu ersetzen. Statt täglichen Höchstarbeitszeiten von acht Stunden schlagen sie vor, nur noch eine wöchentliche Maximalarbeitszeit von 48 Stunden vorzuschreiben und die Detailregeln zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aushandeln zu lassen. Ein Vorschlag, der zuvor massiv von einem Bündnis von Arbeitgeberverbänden und Wirtschaftsweisen beworben wurde. 

Auch Christoph Schmidt, Vorsitzender der Wirtschaftsweisen, will mit seinen Ideen Kanzlerin Merkel und ihre mögliche Jamaika-Koalition impfen Bild: picture-alliance/dpa/S. Stein

Christoph Schmidt, Vorsitzender des Rats der Wirtschaftsweisen der Bundesregierung, befeuerte die Debatte. "Die Vorstellung, dass man morgens im Büro den Arbeitstag beginnt und mit dem Verlassen der Firma beendet, ist veraltet", sagte er zuletzt gegenüber der Zeitung "Welt am Sonntag". Arbeitgeberverbände applaudierten, und sprangen dem Vorstoß für eine Deregulierung der Arbeitszeiten zur Seite. Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer legte die Messlatte hoch: "Gute, sichere Jobs müssen flexibel sein", so seine Botschaft.


Wenig verwunderlich, dass insbesondere Gewerkschaften das Thema möglichst schnell wieder von der Sondierungs-Agenda verbannt sehen wollen. Sie fürchten eine Ausweitung der Arbeitszeiten durch die Hintertür. In diesem Zusammenhang wird auf bereits heute geleistete 1,8 Milliarden Überstunden verwiesen. Die Ärzte-Gewerkschaft warnte die Jamaika-Unterhändler deshalb davor, die Mindeststandards für Arbeits- und Gesundheitsschutz aufzuweichen. Urlaubsansprüche und Ruhezeiten seien keine Relikte, sondern gerade in einer Zeit der Dauererreichbarkeit zu verteidigen. Die Grünen schickten sich bislang in den Jamaika-Gesprächen an, diese Position im Gerangel um Kompromisse zu verteidigen. Von der Linkspartei hagelte es dennoch Kritik. Insbesondere die FDP entpuppte sich als der "Wurmfortsatz der Arbeitgeber". Zur Stunde ist eine mögliche Reform der Arbeitszeitregeln weder vom Verhandlungstisch herunter, noch auf der Haben-Liste der Unterhändler fest verankert. Welche Lobbygruppe also triumphiert, das bleibt an dieser Stelle noch offen.

So massiv wie in diesem Jahr wurde in der deutschen Öffentlichkeit noch nie über eine Energieversorgung ohne Kohle debattiert Bild: picture alliance/dpa/W. Kumm

Wer hat das richtige Rezept für den Klimaschutz?

Ganze Arbeit leisten Interessensvertreter und Lobbyisten derzeit auch in der Debatte, wie Deutschland seine selbst-gesteckten Klimaschutzziele erreichen kann. Das Herzensthema der Grünen galt bislang als einer der größten Stolpersteine auf dem Weg zu einem Regierungsbündnis in neuer Farbenlehre. Insbesondere Klima- und Umweltverbänden war es zuletzt durch Demonstrationen und Protestaktionen gelungen, die Frage einer Abschaltung von Braunkohlekraftwerken zu einem der Top-Themen des Jamaika-Schlussspurts zu machen. Während die Grünen bislang auf die Sofortabschaltung von mindestens 20 großen Kohlemeilern pochten, drang am Montag aus Verhandlungskreisen durch, dass Union und FDP jetzt zumindest zehn Abschaltungen für machbar hielten. Ob so ein Weg aus der Verhandlungs-Sackgasse beim Thema Klima aussehen könnte, bleibt zur Stunde noch offen. Deutlich sichtbar wurde allerdings, dass gerade der Druck der "Einflüsterer" auch in diesem Themenbereich spürbar wird. 

Besonders viel Beachtung fand der öffentliche Appell von 51 namhaften Unternehmen, die das kommende Regierungsbündnis dazu aufriefen, die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit der deutschen Klimapolitik zu schließen. Aktuelle Zahlen zeigen, dass Deutschland seine Treibhausgasemissionen bis 2020 wohl nicht wie anvisiert um 40 Prozent wird senken können, sondern lediglich um etwa 33 Prozent gegenüber 1990. Vorausgesetzt natürlich, ein Jamaika-Bündnis beschließt keinen Kurswechsel. Branchenverbände energieintensiver Unternehmen laufen gegen eine solche Vorreiterrolle Deutschlands allerdings derzeit Sturm, was bislang durch Teile der Unionsparteien und der FDP auch in die Sondierungen hineingetragen wurde. Wie standhaft diese Fraktion der "Einflüsterer" bleibt, könnte also entscheidend sein, ob es das Jamaika-Bündnis also letztendlich gibt.

Hauptsache, es geht bald was !

Neben den Ideen-Jongleuren melden sich in diesen Stunden aber auch jene Interessengruppen, die vor allem auf eines hoffen: ein schnelles Ende des Verhandlungsmarathons. "Die Wirtschaft erwartet, dass bis Weihnachten eine neue Regierung steht", gab der Präsident der Mittelstandsvereinigung, Mario Ohoven, zu Protokoll. Sein Statement schmückte er nicht durch eine Liste an Extrawünschen an die möglichen, neuen Koalitionäre. Das könnte helfen, dass sein Wunsch dann auch tatsächlich in Erfüllung geht.

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