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Politik

Die "Eiserne Lady" fordert Erdogan heraus

Hilal Köylü
21. April 2018

Die Wahlen in der Türkei wurden auf den 24. Juni vorgezogen. Beim Rennen um das Amt des Staatspräsidenten ist die nationalistische Politikerin Meral Akşener stärkste Konkurrentin von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Meral Aksener oppositionelle Politikerin MHP Partei
Meral Akşener lässt sich gerne die türkische Fahne auf ihre Hände malenBild: DW/H. Köylü

"Die 'Gute Partei' erfüllt alle Anforderungen, um an den Wahlen teilnehmen zu können. Wenn Ihr versucht, von heute auf morgen die Regeln zu ändern, werde ich euch den Himmel über den Kopf ziehen. Bei meiner Ehre!"

Mit großem Selbstbewusstsein wendet sich die Gründerin und Vorsitzende der "Guten Partei" (İYİ Parti), die nationalistische Politikerin Meral Akşener, an den Staatspräsidenten Erdoğan, kurz nachdem dieser erklärt hatte, die für November 2019 angesetzten Wahlen auf den 24. Juni 2018 vorzuziehen.

Doch bislang ist noch nicht offiziell geklärt, ob ihre junge, am 25. Oktober 2017 gegründete Partei die Anforderungen des türkischen Wahlgesetzes erfüllt. Derzeit wartet man noch auf die diesbezügliche Entscheidung des Hohen Wahlgerichts. Für die 62-jährige Akşener gibt es noch eine Möglichkeit, an den Wahlen teilzunehmen. Wenn sie es schafft, hunderttausend Unterschriften zu sammeln, kann sie auch als unabhängige Kandidatin gegen Erdogan antreten. Sie ist überzeugt davon, dass ihr das gelingt und sie an den Wahlen teilnehmen wird.

"Niemand konnte sie stoppen"

Wer ist diese Frau, die sich häufig die türkische Fahne mit Henna auf ihren Handinnenflächen malen lässt, ab und an mit Kopftuch auftritt, bereits vor einiger Zeit mit ihrer Wahlkampagne begonnen hat und sich darauf vorbereitet, als starke Konkurrentin gegen Erdoğan anzutreten? Seit 1995 ist sie politisch aktiv. Doch schon viel früher war sie durch ihre nationalistische Gesinnung und ihre dominante Persönlichkeit aufgefallen.

Prof. Yusuf Halaçoğlu, Mitglied der "Guten Partei", erinnert sich an den hartnäckigen Charakter seiner Studentin: "Sie gab niemals auf. Sie tat immer, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte. Niemand konnte sie stoppen."

In der Türkei ist Meral Akşener trotz umstrittener Aussagen beliebtBild: DW/Hilal Köylü

Halaçoğlu kennt Akşener, die Geschichte studiert hat, gut. Ihre Durchsetzungskraft sei in der Politik von Nutzen, glaubt er. "Schon während ihres Studiums war sie immer in Streitereien verwickelt", berichtet er. "Sie geht vor wie eine wahre Historikerin. Ihre Vorhersagen treffen häufig zu. Sie hat gesagt, dass es zu vorgezogenen Wahlen kommen würde, und hat unsere Partei darauf vorbereitet. Sie ist eine wahre Patriotin", sagt er.

Von Partei zu Partei

Akşeners politische Karriere beginnt 1995. Damals gehört sie der "Partei des rechten Weges" (DYP) an. Sie ist eine enge Vertraute der ersten Ministerpräsidentin Tansu Çiller. Während der Koalition des wirtschaftsliberal denkenden Çiller mit dem islamistisch-konservativen Necmettin Erbakan wird sie 1996 türkische Innenministerin.

Während ihrer Amtszeit erregt sie Aufmerksamkeit, als sie Abdullah Öcalan, den Chef der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei, PKK, als "armenische Brut" bezeichnet. Später entschuldigt sie sich für ihre Aussage und versucht, die Sache zu bereinigen, indem sie erklärt, sie habe nicht die in der Türkei lebenden Armenier gemeint, sondern allgemein von der armenischen Rasse gesprochen. Mit dieser Äußerung zog Akşener den Zorn vieler Menschen auf sich. Doch mit ihrer politischen Erfahrung gelang es ihr, sich aus der schwierigen Situation zu befreien.

2001 hat die Politikerin am Aufbau der islamisch-konservativen AKP mitgewirkt. Allerdings war sie bald von Erdogan enttäuscht, woraufhin sie nach vier Monaten zur ultranationalistischen Partei MHP wechselte. Dort war sie Beraterin von Parteichef Devlet Bahçeli. Später führte sie den oppositionellen Block innerhalb der MHP an und gründete am 25. Oktober 2017 die "Gute Partei".

Akşener, die in den internationalen Medien häufig als "Eiserne Lady" bezeichnet und mit Margaret Thatcher verglichen wird, stehe derzeit unter großem Druck durch Erdogan und dessen Regierung, glaubt Şükrü Küçükşahin, einer der erfahrensten politischen Reporter in Ankara. Derzeit versuche der Staatspräsident, seine einzige Konkurrentin zu ignorieren. "Er ist ihr gegenüber zurückhaltend", erklärt er.

Meral Akşener werde von den Medien zensiert und man verweigere ihr TV-Auftritte, sagt der Politikwissenschaftler Baskın Oran. Trotz dieser Zensur sei sie eine große Sympathieträgerin.

Kurdische Wähler ausschlaggebend bei der Wahlen im Juni

"Diejenigen, die in der Türkei kein diktatorisches Regime wollen, werden den Kandidaten unterstützen, der sich am stärksten Erdoğan entgegenstellt. Und es scheint, dass das Akşener ist", erwartet Oran. Die Politikerin polarisiere die Bevölkerung nicht, sondern vereinige sie, erklärt der Politikwissenschaftler und ist sich sicher, dass sie von den Wählern aller Parteien, auch der AKP, Stimmen bekommen wird.

Nach einer Umfrage vom März mögen 30 Prozent der Wähler in der Türkei Meral Akşener. Diese Sympathie habe sich noch nicht auf die Stimmen der İYİ Parti niedergeschlagen, so der Leiter des Meinungsforschungsinstituts Metropoll, Özer Sencer. Wie die Chancen von Akşener stehen, hänge auch von den anderen Kandidaten ab.

Ausschlaggebend bei den Wahlen am 24. Juni werden nicht zuletzt die Stimmen der kurdischen Wähler sein. Von den 55 Millionen Wähler sind 18 Prozent Kurden. "Alle Kandidaten, die gegen Erdoğan antreten, sollten das berücksichtigen", so Sencar. "Auch Akşener sollte sich fragen, ob sie die kurdischen Stimmen bekommen kann, und ihre Strategie diesbezüglich verbessern."

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