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Die elektronische "Fußfessel" im Kopf

10. Januar 2017

Elektronische Fußfesseln sind nicht nur Geräte am Fußgelenk. Die Fessel ist ein komplexes System zur Verhaltenskontrolle von Straftätern oder Verdächtigen. Und die müssen mitspielen, sonst funktioniert es nicht.

Anlegen einer Elektronische Fußfessel
Bild: picture-alliance/dpa/H. Techt

Nach verschiedenen Anschlägen in Deutschland diskutieren Politiker und Journalisten, ob sich die Gewalttaten durch elektronische Fußfesseln verhindern lassen. Vorab schon mal so viel: Die Systeme können helfen, Täter mit einer guten Resozialisationsprognose bei ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu unterstützen.

Sie können auch dazu dienen, Angeklagten eine mögliche Untersuchungshaft zu ersparen, oder Verurteilten Freigängern die Aufnahme einer Arbeit zu ermöglichen. Voraussetzung ist stets, dass die Fluchtgefahr nur gering ist. Und in allen Fällen müssen die Betroffenen aktiv mitwirken. Ihnen muss klar sein, dass die Fußfessel das kleinere Übel ist - verglichen etwa mit Gefängnis.

Fußfesseln können entschlossene Gewalttäter aber nicht von einem Verbrechen abhalten. Wer ohnehin vorhat, in die Illegalität abzutauchen, sich der Fußfessel also zu entledigen, kann das tun. Dafür reicht eine starke Schere aus. Und wer sogar ein Selbstmordattentat plant - den wird ein solches System schon gar nicht stoppen.

Der Richter bestimmt die Eskalationsstufe

In den USA gibt es die Fußfesseln schon länger. In Deutschland wurde die Überwachung vor fünf Jahren eingeführt. Die Daten laufen in einem gemeinsamen Technikzentrum der Bundesländer zusammen. Es beobachtet derzeit praktisch nur ehemalige Straftäter, die im Freigang oder auf Bewährung sind oder Verdächtigte, denen die Untersuchungshaft erspart werden soll.

Allerdings tragen nicht alle von ihnen wirklich einen Sender am Fuß, der ihre Bewegungen kontrolliert. Welche technische Eskalationsstufe für die jeweiligen Personen gilt, legt ein Richter vorab fest. Es hängt von der Art und Schwere des Verbrechens, von der Sozialprognose und auch stark vom Verhalten des Betroffenen ab.

 Alarm an den Träger und potentielle Opfer

Die eigentliche Fußfessel kommt vor allem für Täter in Frage, denen das Verlassen oder Betreten bestimmter Gebiete streng verboten ist - etwa einem gewalttätigen geschiedenen Ehemann, der sich dem Wohnsitz oder Arbeitsplatz seiner ehemaligen Frau nicht nähern darf.

Die Fußfessel selbst ist ein wasserdicht verkapselter Sender, der mit einem Band am Fußgelenk befestigt wird. Im Haus des Probanden wird ein Receiver installiert, der eine bestimmte Reichweite hat und die Signale von der Fußfessel empfängt.

In Deutschland sowie in Österreich laufen die Daten von Teilnehmern in einem Zentralcomputer zusammenBild: picture-alliance/dpa/H. Pfarrhofer

Die Fußfessel lässt sich zudem mit einem zweiten Apparat so erweitern, dass der Verurteilte auch außerhalb des Hauses überwacht werden kann. Dann übernimmt die Fußfessel per Navigationssystem GPS die Ortung und überträgt die Daten per Mobilfunk an die Zentrale.

Diese Daten müssen mit einem bestimmten Zeitplan, oder mit Auflagen übereinstimmen, die auf dem Rechner im Technikzentrum hinterlegt sind. Wenn Straftäter zum Beispiel außerhalb des Gefängnisses einer Arbeit nachgehen dürfen, können solche Systeme überwachen, dass sie morgens ohne Umwege zur Arbeit gehen und Abends wieder zurück ins Gefängnis.

Überschreitet der Träger seinen erlaubten Bereich, teilt ein Vibrationsalarm in der Fußfessel ihm das unmissverständlich mit. Und möglicherweise nicht nur ihm: Im Fall der verfolgten Ex-Frau bekommt diese auch eine Warnmeldung aufs Mobiltelefon.

Das Alkoholtestgerät stellt sicher, dass die Freigänger zur vorgeschriebenen Zeit zuhause und nüchtern sindBild: 3M/Elmotech

Der Alkoholtester prüft, ob die Verurteilten trinken

Neben Fußfesseln werden auch andere Geräte zur Überwachung genutzt. Geht es etwa um einen Menschen, der nach übermäßigem Alkoholkonsum strafrechtlich auffällig geworden ist, kommt ein Alkoholtestgerät zum Einsatz. In Deutschland stammt das Standardgerät von der Firma 3M. Es verfügt über eine Gesichtserkennung.

Hat der Betroffene die Auflage, ab einer bestimmten Uhrzeit zu Hause zu sein und grundsätzlich nüchtern zu bleiben, muss er mehrmals täglich in das Gerät blasen. Tut er das in den vereinbarten Abständen und erkennt das Gerät dabei seine Gesichtszüge, meldet der Alkoholtester dies an die Zentrale und alles ist gut. Alternativ kann auch ein Zufallsprinzip gelten: Dann muss der Betroffene immer dann blasen, wenn die Maschine ihn dazu auffordert.

In Fällen, wo es nicht um schwere Gewaltdelikte geht, kann auch eine schwächere Form der Überwachung genutzt werden. So kann ein Betroffener auch per Telefon überwacht werden. Dann wirkt das Überwachungssystem vor allem durch den eigenen Willen des Betroffenen, die ihm vorgegebenen Regeln einzuhalten - er muss seine "Fußfessel" quasi selber im Kopf haben.

Die Gesichtserkennung des Alkoholtestgerätes erkennt jeden Täuschungsversuch Bild: 3M/Elmotech

In diesem Fall ruft der Zentralcomputer ihn Zuhause oder auf der Arbeit an - zu den Zeiten, wo Anwesenheitspflicht herrscht. Der Zentralcomputer ist mit einer individuellen Stimmerkennung ausgestattet. Die funktioniert wie ein akustischer Fingerabdruck. Ist der Betroffene dann nicht da oder beantwortet jemand anderes das Telefon, erkennt der Computer die Täuschung und gibt eine Rückmeldung an den Bewährungshelfer oder die Polizei.

So kann zum Beispiel ein Richter einem Fußball-Hooligan vorschreiben, dass er sich während Fußballspielen seines Vereins zu Hause aufhalten muss. Auch hier gibt es dann keine festgelegten Zeitpunkte für den Anruf. Der Mensch im Hausarrest kann sich also nicht nach dem Anruf einfach aus dem Staub machen. Und seine Stimme aufzuzeichnen nützt auch nichts, denn das System stellt ihm nicht immer dieselben Fragen. Und nur bei der richtigen Antwort gibt es auch eine Entwarnung an die Zentrale.

Unterstützung von Therapie und Resozialisation

Nicht nur Hausarrest kann so überwacht werden. Es kann nämlich auch sein, dass der Überwachte gar nicht zu Hause sein darf - falls der Verurteilte arbeiten, zu einem Arzttermin oder zu einer Therapie muss. Trifft das System ihn dann doch zuhause an, schickt es eine Alarm-Meldung an die Überwachungszentrale.

Und sollte sich ein Täter tatsächlich dabei erwischen lassen, die Überwachungssysteme zu manipulieren, hätte das wohl ein Ende der begrenzten Freiheit zur Folge - falls die Polizei ihn schnappte, ginge es auf direktem Weg zurück ins Gefängnis.

 

Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen
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