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PolitikAfrika

Spannungsreiche Wahl an der Elfenbeinküste

Silja Fröhlich
6. Oktober 2020

Am 31. Oktober wählen die Ivorer einen neuen Präsidenten. Die Kandidaten sind allesamt alte Bekannte - und genau das könnte das Land in eine neue Krise stürzen. Schon vor Wochen kam es zu Gewaltausbrüchen.

Ausschreitungen in Abidjan im August
Ausschreitungen in Abidjan im AugustBild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Alles ruhig in der Elfenbeinküste. Und das Tage vor einer Wahl, der Proteste mit einem Dutzend Toten und mehr als hundert Verletzten vorausgegangen sind. Wo im August noch Straßenblockaden und brennende Autos zu sehen waren, leben Ivorer jetzt wieder ihren normalen Alltag. Mit einem Unterschied: An fast jeder Straßenkreuzung in der Wirtschaftsmetropole Abidjan seien nun Polizeiwagen zu sehen, sagt Thilo Schöne, Landesrepräsentant der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).

"Die aktuelle Situation ist beunruhigend", so Schöne zur DW. "Wir steuern auf eine Wahl zu, die von vielen politischen Akteuren nicht als legitim wahrgenommen wird und die sich Sorgen machen, wie frei und demokratisch die Wahl ablaufen wird." Gleichzeitig sei der Alltag extrem ruhig: "Die Opposition hat es nicht geschafft, zu mobilisieren. Es gab vereinzelte Proteste im August, aber seit etwa fünf Wochen ist die Lage unter Kontrolle."

"Unzulässig und verfassungswidrig"

Die Präsidentschaftswahl am 31. Oktober ist aus mehreren Gründen umstritten: Von 44 Bewerbern hat die Wahlkommission nur vier zugelassen, was zu heftigen Protesten geführt hatte. Abgelehnt wurden etwa der im Exil lebende Ex-Präsident Laurent Gbagbo und Ex-Premierminister Guillaume Soro.

Präsident Ouattaras erneute Kandidatur ist umstrittenBild: AFP/I. Sanogo

Amtsinhaber Alassane Ouattara bekam dagegen vom Verfassungsgericht die Erlaubnis, für eine dritte Amtszeit zu kandideren. Dabei erlaubt die Verfassung eigentlich nur zwei Amtszeiten. Begründung des Gerichts: Durch eine Verfassungsänderung im Jahr 2016 zählen seine ersten beiden Amtsperioden nicht. Das stößt auf Kritik: "Die dritte Kandidatur von Alassane Ouattara ist vollkommen unzulässig und verfassungswidrig. Und Ouattara weiß das", sagt Simone Gbagbo, Vize-Präsidentin der Oppositionspartei Ivorische Volksfront (FPI) im DW-Interview. Das Gesetz müsse respektiert werden, so Gbagbo. "In der aktuellen Situation können und werden wir an keiner Wahl teilnehmen."

Opposition fordert Absage der Wahl

Das sieht der Oppositionspolitiker Soro auch so: "Wir fordern, dass diese Wahl nicht stattfindet und dass sich die Politiker zusammensetzen, um einen idealen Rahmen für eine demokratische, transparente und integrative Wahl festzulegen, die einen dauerhaften Frieden in unserem Land ermöglicht."

Wie Ex-Präsident Gbagbo wurde auch Soros Kandidatur mit der Begründung abgelehnt, in Abwesenheit zu Haftstrafen verurteilt worden zu sein. Gbagbo wurde 2018 zu 20 Jahren Haft wegen Bereicherung verurteilt. Vom Vorwurf, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, sprach ihn der Internationale Strafgerichtshof dagegen 2019 frei. Der Afrikanische Menschenrechtsgerichtshof plädierte dafür, ihn an der Wahl teilnehmen zu lassen. Sein Oppositionskollege Soro wurde im April zu einer Haftstrafe von ebenfalls 20 Jahren verurteilt, weil er öffentliche Gelder zweckentfremdet haben soll.

Der Internationale Strafgerichtshof sprach Ex-Präsident Gbagbo 2019 freiBild: Reuters/P.v.d. de Wouw

Drei Oppositionskandidaten werden gegen Amtsinhaber Ouattara antreten:  Der unabhängige Kandidat Kouadio Konan Bertin, Pascal Affi N'Guessan von der Oppositionspartei FPI und Ouattaras wohl wichtigster Herausforderer, der 86-jährige Henri Konan Bédié.

Bédié war bereits von 1993 bis 1999 Präsident der Elfenbeinküste. 1999 untersagte er Ouattara die Teilnahme an den Wahlen- und wurde im gleichen Jahr durch einen Staatsstreich gestürzt. 2010 unterstützte er bei den Präsidentschaftswahlen Ouattara wieder, um den damaligen Präsidenten Gbagbo zu verdrängen. Seine Chancen stehen gut, falls es am Ende zu einer Stichwahl zwischen ihm und Ouattara kommt: Dann könnten auch die Stimmen der anderen Oppositionskandidaten auf sich vereinen.

Keine Wiederholung von 2010

Das Problematische an der Wahl seien die persönlichen Konflikte der drei großen Spieler, so Florian Karner, Vertreter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Abidjan. "Diese Akteure prägen seit Jahrzehnten das politische Geschäft, und darin liegt vielleicht das Problem." Der Wahlkampf sei geprägt von Stolz und Seniorität. "Keiner kann einen Rückzieher machen. Das Land ist wie gefangen in dieser Dreier-Konstellation", sagt Karner. Ein Beispiel: Ouattara hatte 2019 angekündigt, zu kandidieren, sollten seine Vorgänger Bedie und Gbagbo sich für eine Kandidatur entscheiden.

Henri Konan Bédié gilt als wichtigster Herausforderer OuattarasBild: picture-alliance/dpa/AP/D. B. Blonde

Die Ruhe vor der Wahl sei daher trügerisch. "Ich kann nicht sagen, wie man Gewaltausbrüche und Zusammenstöße vermeiden sollte. Es gibt nicht das geringste Anzeichen von Dialog zwischen dem Präsidenten und der Opposition", so Karner. Trotzdem glaubt er nicht, dass es zu einer ähnlichen Krise kommen wird wie nach den Wahlen 2010. Damals beanspruchten sowohl Amtsinhaber Gbagbo und als auch Herausforderer Ouattara den Sieg beanspruchten. Es kam zu Unruhen, bei denen über 3000 Menschen ihr Leben verloren.

"Der Unterschied zu 2010 ist, dass es keine zwei Lager mit gleicher Macht gibt, die gezwungen sind, miteinander zu verhandeln", erklärt Thilo Schöne von der Friedrich-Ebert-Stiftung. "Wir haben dieses Mal eine Regierung, die die Armee kontrolliert, die internationale Netzwerke hat und zu zeigen versucht, dass sie die Lebensbedingungen der Ivorer verbessert hätte. Die Opposition hat ihre Anführer im Ausland, kann sich nicht mobilisieren und hat es vernachlässigt, sich lokal zu präsentieren."

Silja Fröhlich Redakteurin, Reporterin und Moderatorin
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