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Die Erfolgsgeheimnisse der deutschen Wirtschaft

Zhang Danhong23. Oktober 2013

Die Welt ist fasziniert von Europas größter Volkswirtschaft, die in der Krise wächst, Arbeitsplätze schafft und ihre Schulden abbaut. Worin ist dieser Erfolg begründet?

Zwei Arbeiter prüfen im MTU-Werk Friedrichshafen einen Motor (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Für den Erfolg einer Volkswirtschaft ist die Wirtschaftsordnung in der Regel nicht unwichtig, schließlich schafft sie den Rahmen für die wirtschaftlichen Aktivitäten. In Deutschland heißt diese Ordnung "soziale Marktwirtschaft". Sie basiert einerseits auf dem kapitalistischen Wettbewerb und erlaubt dem Staat andererseits, soziale Korrekturen vorzunehmen.

Die Wurzeln liegen im 19. Jahrhundert: "Bismarck, der damals auch 'Eiserner Kanzler' genannt wurde, hatte die soziale Gesetzgebung auf den Weg gebracht, indem er die Renten- und Krankenversicherung geschaffen hatte", sagt Werner Schreiber, ehemaliger Sozialminister von Sachsen-Anhalt. Das geschah paritätisch, das heißt: Die Hälfte zahlte der Arbeitnehmer, die andere Hälfte übernahm der Arbeitgeber. Dieses Prinzip bildet immer noch den Kern der heutigen sozialen Gesetzgebung, die nach dem Zweiten Weltkrieg um Familienpolitik, Sozialhilfe und vieles andere erweitert wurde.

Keine Neigung zur Revolution

Zur sozialen Marktwirtschaft gehöre auch die Tarifautonomie: "Das heißt, die Gewerkschaften und die Arbeitgeber handeln die Löhne frei aus - ohne staatliche Einwirkung", sagt Schreiber im Gespräch mit der DW. Das partnerschaftliche Miteinander zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern hat in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass hierzulande wenig gestreikt wurde - ein weiterer Pluspunkt für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

In einer Zeit, wo ringsum Deutschland die Arbeitslosenquote in Rekordhöhe klettert, ist hier ein Arbeitsmarktwunder entstanden. 42 Millionen Menschen sind in Beschäftigung - so viel wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Dieser Erfolg ist auch der Agenda 2010 zu verdanken, der Arbeitsmarktreform vor zehn Jahren: "Ein wichtiger Punkt dabei ist die Schaffung eines Niedriglohnsektors, die Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte. Das hat zum einen mehr Jobs geschaffen, zum anderen aber auch sehr viele schlecht bezahlte Jobs geschaffen", sagt Uli Brückner von der Stanford University.

Das Arbeitsmarktwunder hat auch eine Schattenseite, meint Uli BrücknerBild: DW/Z. Danhong

Egal, wer die neue Regierung stellt, sie wird versuchen, die negativen Auswüchse dieser Reform zu beseitigen. Eher kleine Korrekturen statt große Würfe wie die Agenda 2010 - das gehört vielleicht auch zum Geschäftsmodell der Deutschland AG: "Deutschland hat einen großen gesellschaftlichen Konsens darin, dass wir vieles wie eine Art Ingenieursleistung ansehen. Unser politisches System ist so etwas wie ein Räderwerk, in dem verschiedene Institutionen ineinander greifen auf der Grundlage einer Rechtsordnung", sagt Brückner im Interview mit der DW.

Das duale Bildungssystem

Während das politische Räderwerk auch mal quietscht, ist die echte Ingenieursleistung in Deutschland spitzenmäßig. Jährlich kommen rund 100.000 neue Ingenieure und Naturwissenschaftler auf den Arbeitsmarkt, die gerade eine Top-Ausbildung an einer der 200 Fachhochschulen oder in einer technischen Fakultät einer Universität absolviert haben. Zur hohen Produktivität tragen aber auch nicht studierte und dennoch gut qualifizierte Arbeitskräfte bei. Das macht das viel gerühmte duale Bildungssystem, das seine Wurzeln im mittelalterlichen Handwerkerlehrsystem findet. Dabei eignen sich die jungen Menschen das praktische Können im Betrieb und das grundlegende Wissen an einer Berufsschule an. Uli Brückner nennt ein Beispiel: "Wenn ich im Logistik-Bereich tätig bin, lerne ich Sprachen, Buchhaltung, Wissen über Märkte, was sozusagen der Rahmen ist, in dem ich mich als Spedition- oder Logistikexperte bewege."

Banken der Euro-Zone im Stresstest

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So wird die deutsche Wirtschaft jährlich mit einem zuverlässigen Strom an Facharbeitern versorgt. Davon profitiert vor allem der Mittelstand - das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Als Mittelstand gilt, wer nicht mehr als 500 Menschen beschäftigt. Das sind über 99 Prozent der rund drei Millionen Unternehmen in Deutschland. Die meisten davon werden familiengeführt. Für Klaus-Heiner Röhl vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) ist das auch der Grund, warum die Industrie in Deutschland immer noch einen Anteil von rund 26 Prozent an der Wirtschaftsleistung hält, während die Deindustrialisierung in anderen Ländern weit vorangeschritten ist: "Das heißt, die Familie hat dieses Unternehmen und nichts anderes, während in Großbritannien ein Unternehmen schon lange am Kapitalmarkt war, die Aktien vielleicht von einem Großunternehmen übernommen wurden, und irgendwann die Fabrik in Großbritannien geschlossen und die Produktion ins Ausland verlagert wurde." In Deutschland bestehe der Lebensinhalt dieser Familie aus ihrem Unternehmen und das bleibe dann natürlich auch in Deutschland, sagt Röhl der DW.

Familiengeführt und langfristig orientiert

Die meisten dieser Familien besitzen ein gutes Kapitalpolster und bringen ihr Unternehmen deshalb nicht an die Börse. Das macht eine langfristige Orientierung möglich: "Man geht nicht Quartal für Quartal nach irgendwelchen Daten für die Börse vor, sondern man steckt sich langfristige Ziele. Dabei übereilt man sich nicht. Man expandiert nicht schneller als es dem Unternehmen guttut", so der IW-Experte weiter.

Der deutsche Mittelstand ist flexibel und zielstrebig, meint Klaus-Heiner RöhlBild: IW

Da sich die deutschen Unternehmen in der Konkurrenz mit Billiglohn-Ländern vor allem aus Asien behaupten müssen, reicht oft ein gutes Produkt nicht mehr aus. Zu "Made in Germany" gehören inzwischen auch eine Reihe Service-Leistungen, meint Röhl: "Ein Unternehmen verkauft nicht nur eine Maschine, sondern es installiert sie, es schult die Belegschaft des Käufers, es bietet einen 24-Stunden-Reparaturservice an. Im Endeffekt geht es sogar so weit, dass man praktisch die Leistung der Maschine garantiert."

Eine Garantie für den Erfolg des "Modells Deutschland" besteht in der Hochtechnologie. Das Land ist zu Innovationen verdammt, weil es nicht über nennenswerte Bodenschätze verfügt. Elf Prozent der deutschen Beschäftigten arbeiten in High-Tech-Industrien, weit mehr als der EU-Durchschnitt. Jährlich werden rund 70 Milliarden Euro für Forschung ausgegeben, mehr als in jedem anderen Land in Europa. "Wir haben ein ganzes Netz von öffentlich finanzierten Grundlagen-Forschungsinstituten wie Max-Plack-Institute und Frauenhofer-Institute, die übers ganze Land verteilt sind und versuchen, in der Zusammenarbeit mit der Industrie Dinge zu durchdringen, die nicht sofort marktfähig sind", sagt Uli Brückner vom Team Europe der Stanford University.

Im Herzen Europas

Während in der Forschung Träumen erlaubt ist, zählen im Bereich der Infrastruktur nur harte Fakten. Auch hier besteht Deutschland den Stresstest. Nur wenige Länder auf der Welt verfügen über solch ausgebaute Netze aus Energie, Telekommunikation, Straßen, Bahn- und Flugverbindungen wie hierzulande. Von Berlin aus können alle Länder Europas innerhalb von 24 Stunden erreicht werden. Das hat sicherlich auch mit der geographischen Lage Deutschlands zu tun - dem letzten Puzzleteil für das deutsche Modell. Im Herzen Europas gelegen seien die Deutschen auch klimatisch begünstigt, sagt Brückner. Es gebe keine übertriebenen Hitzewellen, keine Tornadostürme, die sich als Schocks auswirken könnten. "Alles ist relativ moderat und führt dazu, dass hier über die Jahrhunderte günstigere Wachstums- und Produktionsbedingungen entstanden sind als an den Rändern Europas", so Brückner weiter. Und auch davon profitiere Deutschland nicht wenig.

Die Interviews wurden am Rande eines Seminars über die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland an der Konrad-Adenauer-Stiftung in Wendgräben geführt.

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