1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Ernennung eines Richters

Sven Brüggemann12. Januar 2006

Günther Hirsch ist der Präsident des deutschen Bundesgerichtshofs. Die wenigsten Deutschen kennen seinen Namen. Die Richter der höchsten juristischen Instanz sind keine Medienmenschen. Ganz anders in den USA.

Hier wird schon die Anhörung eines potenziellen neuen Bundesrichters zum TV-Event. CNN, NBC oder Fox, überall spricht Samuel Alito live, keine Tageszeitung ohne seinen Namen auf dem Titelblatt. Alito ist George W. Bushs nunmehr dritter Kandidat für die beiden vakanten Richterpositionen im Supreme Court der Vereinigten Staaten. Er nominierte zunächst John Roberts, der nach dem Tod von William Rehnquist aber gleich Vorsitzender des Obersten Gerichtshofs wurde. Anschließend schlug der Präsident seine persönliche Rechtsberaterin Harriet Miers vor, die nach heftiger Kritik aus republikanischen Kreisen auf das Amt verzichtete. Nun soll also Alito die Nachfolge der amtsmüden Sandra Day O’Connor antreten. Kein leichtes Erbe, denn die 75-jährige war bei strittigen Entscheidungen häufig das Zünglein an der Waage der neun Bundesrichter.

Wie verhört man einen Richter?

So einen Job bekommt man aber selbst in den USA nicht einfach vom Präsidenten geschenkt. Mindestens drei Tage lang muss sich Alito vor dem Senat verantworten und nicht zuletzt vor Millionen von Fernsehzuschauern, die an den Live-Übertragungen gar nicht vorbeikommen. Fernsehtauglich ist die Veranstaltung allemal, denn der 55-jährige Alito muss vor laufenden Kameras den 18 Senatoren gegenüber sein ganzes Leben rechtfertigen und versucht sich dabei vor allem im Weichspülen seiner bisherigen Überzeugungen. Die acht demokratischen Senatoren hatten schliesslich schon vor den Anhörungen mit einer Verschleppung des Verfahrens gedroht, sollten ihnen Alitos Aussagen nicht gefallen. Dies ist letzten Endes auch ihre einzige Trumpfkarte, denn sowohl im Ausschuss als auch im gesamten Senat sind sie den Republikanern zahlenmäßig unterlegen. Nach der ersten Anhörung hoffen die Republikaner nun, dass Alito am 20. Januar vom gesamten Senat als 110. Richter am Obersten Gerichtshof bestätigt werden kann.

Abtreibung und Präsidialmacht

Doch bis dahin gibt es um einige Themen noch kontroverse Diskussionen. Den Job auf Lebenszeit in Aussicht gelingt es Alito immer wieder, seine früheren Aussagen und Publikationen zu relativieren oder doch zumindest den Anschein zu erwecken, er wäre nicht der erzkonservative Abtreibungsgegner, als den ihn seine Gegner ausgemacht haben. Nun heißt es, er werde "die Abtreibungsfrage mit offenem Geist angehen" und überhaupt stehe ja niemand über dem Gesetz auch nicht der Praesident, dem Alito bisher fast unbeschränkte Vollmachten zugesprochen hatte.

Ein Zustand den vor allem der demokratische Senator Edward Kennedy als besorgniserregend anprangert, gerade "zu einer Zeit, in der das Weiße Haus Macht missbraucht, Folter entschuldigt und legitimiert und amerikanische Bürger ausspioniert".

Letztlich ist es vor allem Alitos Alter, das ihn einer derart starken öffentlichen Aufmerksamkeit aussetzt. Denn es wäre nicht das erste Mal, dass ein Praesident durch die Ernennung eines noch recht jungen Kandidaten die politische Richtung der USA weit über seine eigene Amtszeit hinaus beeinflussen kann. Immerhin säßen mit Alito dann schon vier Männer im Supreme Court, die von einem Mitglied der Familie Bush nominiert wurden. Bei insgesamt nur neun Richtern, keine schlechte Ausbeute aus zusammengerechnet bisher zehn Jahren Präsidentschaft.