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Politik

EU-Hilfe für Syrer in der Türkei

Diego Cupolo
15. November 2017

Die EU finanziert neue Gesundheitszentren in der Türkei. Dort erhalten syrische Flüchtlinge medizinische Hilfe in arabischer Sprache - und syrische Ärzte eine neue Lebensperspektive. Diego Cupolo berichtet.

Türkei EU-Unterstützung für Krankenhäuser | Frauen aus Syrien
Medizinische Hilfe auf arabisch: Das Altindag-Gesundheitszentrum in AnkaraBild: DW/D. Cupolo

Raniye Elgis, 41 Jahre alt, kommt aus Aleppo. Lächelnd blickt die 41-Jährige auf eine Krankenpflegerin, die ihre beiden Enkelkinder untersucht. Alles normal, so der Befund, der Elgis noch mehr lächeln lässt. Bevor sie geht, bekommt sie ein Vitamin-D-Präparat mit auf den Weg, das sie den Säuglingen zu Hause als Nahrungsergänzungsmittel geben soll. Zu Hause, das ist etwas weiter die Straße hoch, dort, wo sich die junge Mutter der Zwillinge von ihrem Kaiserschnitt erholt.

Elgis ist eine von tausenden syrischen Flüchtlingen, die vom kostenlosen Beratungs- und Behandlungsangebot im "Altindag Bab-i Sifa" (zu deutsch: Tür zur Gesundheit), einem Gesundheitszentrum für Migranten profitiert. Hier wird arabisch gesprochen, die behandelnden Ärzte und Krankenpfleger stammen selbst aus Syrien. Das Gesundheitszentrum, das in einem zweistöckigen Gebäude untergebracht ist, liegt in einem der Viertel Ankaras, in dem sich besonders viele Flüchtlinge aus Syrien angesiedelt haben. Im September feierte man Eröffnung. Davor gab es für die rund 85.000 Syrer in Ankara nur die Möglichkeit, sich von türkischen Ärzten behandeln zu lassen - eine Situation, die von Sprachbarrieren und kulturellen Missverständnissen geprägt war.

178 Gesundheitszentren für syrische Flüchtlinge

Finanziert wird das Altindag-Gesundheitszentrum von der EU. Die Grundlage dafür ist ein Abkommen mit der Türkei, das zum Ziel hat, die Lebenssituation der mehr als 3,3 Millionen syrischen Flüchtlinge im Land zu verbessern. Das ist, zumindest aus der Sicht von Raniye Elgis, bereits gelungen. "Es ist sehr angenehm, dass hier arabisch gesprochen wird", sagt die 41-jährige Syrerin. "Man kümmert sich wirklich gut um uns und hört uns zu".

Raniye Elgis, mit Enkelsohn, ist froh über die Beratung in ihrer MutterspracheBild: DW/D. Cupolo

Insgesamt sollen 178 solcher Zentren für syrische Flüchtlinge in der ganzen Türkei aufgebaut werden. Dabei geht es nicht nur um die klassische Gesundheitsversorgung, auch Beratung zur Familienplanung und psychogische Betreuung soll angeboten werden. Daneben sind Impfzentren, Rehabilitationszentren und auch mobile Krankenstationen geplant. Letztere sollen für die Syrer bereitgestellt werden, die außerhalb der Städteregionen leben. Insgesamt 300 Millionen Euro zahlt die EU dafür an das türkische Gesundheitsministerium.

Wissen nutzen, das brach liegt

Darin sind auch die Gehälter für rund 1500 Syrer eingeplant, die als Ärzte oder Pfleger in den Einrichtungen arbeiten sollen. Mit diesem Schritt werde endlich das Potential der medizinisch ausgebildeten Flüchtlinge genutzt, welches bislang völlig brach lag, sagt Felix Leger, technischer Assistent für Gesundheit und Bildung bei "ECHO", einer EU-Dienststelle, die für Flüchtlingsprojekte in der Türkei zuständig ist. "Wir wissen, dass viele der geflohenen Syrer Ärzte und Krankenpflegerinnen sind, deswegen testen wir gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium Möglichkeiten, wie die syrische Gemeinde von diesem Potential profitieren kann", erzählt Leger im Gespräch mit der DW.

Viele der syrischen Ärzte seien in der Türkei ohne Nachweise ihrer Qualifikation angekommen, anderen fehlten Zeugnisse über Prüfungen, die für eine Beschäftigung im türkischen Gesundheitswesen notwendig seien, so Leger.

Partnerprogramme für syrische Ärzte

Um derlei bürokratische Hemmnisse zu überwinden, seien Partnerprogramme für arbeitssuchende Syrer mit Qualifikationen im Gesundheitswesen entwickelt worden. In diesen ausbildungsähnlichen Programmen arbeiteten die Syrer dann Seite an Seite mit türkischen Ärzten, erläutert "ECHO"-Mann Leger. Dabei sollten die Flüchtlinge einerseits ihre medizinische Expertise demonstrieren und andererseits lernen, mit den erforderlichen türkischen Vorschriften umzugehen.

"Dieses Vorgehen des türkischen Gesundheitsministeriums ist sehr fortschrittlich", findet Leger. Es gehe der Behörde wirklich darum, eine Möglichkeit zu schaffen, den Menschen zu helfen.

"Als Arzt nicht praktizieren zu können, ist schlimm"

Dr. Nidal Ozturk ist einer von fünf syrischen Ärzten, die derzeit im Altindag-Gesundheitszentrum in Ankara arbeiten und ein solches Partnerprogramm durchlaufen haben. Ozturk stammt aus dem nordsyrischen Manbidsch, einer Stadt unweit der türkischen Grenze, und floh im Jahr 2013 in die Türkei. Seitdem war er arbeitslos, obwohl er türkisch sprach.

"Die Tatsache, als Arzt nicht praktizieren zu können, obwohl dich die Gemeinschaft braucht, ist noch härter als die Arbeitslosigkeit an sich." Deswegen sei er sehr dankbar, wieder im Gesundheitswesen tätig sein zu können, sagt Ozturk. Nun sitzt der syrische Arzt in einem Büro, dessen Möbel und elektronische Geräte alle einen kleinen Aufkleber mit der EU-Flagge tragen. "Gefördert von der Europäische Union", steht auf den Stickern.

Nidal Ozturk: Der syrische Arzt darf in der Türkei praktizieren Bild: DW/D. Cupolo

Rund 50 Patienten täglich betreue er, erzählt Ozturk. Sein Augenmerk lege er vor allem auf Impfungen, sagt der syrische Arzt, und versuche, alle seine Patienten von der Wichtigkeit des Impfens zu überzeugen. "Als Flüchtling hast Du erst einmal ganz andere Dinge im Kopf, als eine Impfung. Und doch ist das erste, nach dem wir fragen, wenn wir ein Kind sehen, ob es geimpft ist."

3 Milliarden von der EU, 25 Milliarden von der Türkei

Das Altindag-Gesundheitszentrum betreut rund 200 Patienten pro Tag. Ausgestattet mit einem Budget von 600.000 Euro sind alle Kosten bis Ende November 2019 gedeckt, sagt Burcu Kuru, von "Sihhat", der Gesundheitsorganisation für Syrer in der Türkei.

Insgesamt drei Milliarden Euro stellt die EU für syrische Flüchtlinge in der Türkei bereit. Das Geld fließt in verschiedene Flüchtlingsinitiativen im Land, auch in Bildungseinrichtungen und Sozialprogramme. Der türkische Staat selbst hat bisher insgesamt rund 25 Milliarden Euro für die Flüchtlinge ausgegeben.

Langfristige Integration statt Notfallhilfe

Damit stellt sich die Frage, welche Organisationen künftige Flüchtlingsprogramme finanzieren sollen. Derzeit jedoch sind sich alle Experten einig: Die beste Antwort auf die Bedürfnisse der Flüchtlinge wäre es, die Notfallhilfen in langfristig angelegte Projekte zur Integration umzuwandeln, die bei den Ministerien direkt angesiedelt sein sollten. Denn in absehbarer Zukunft werden viele syrische Flüchtlinge in der Türkei bleiben.

Auch Felix Leger ist vom Sinn langfristiger Strukturen überzeugt. Er geht davon aus, dass die türkischen Behörden solche Überlegungen bereits aufgegriffen haben. "Andernfalls sehe ich keinen Sinn darin, warum das türkische Gesundheitsministerium so deutlich in den Aufbau einer humanitären Infrastruktur investieren sollte. Außer für den Fall, dass 2,5 Millionen Menschen schon morgen zurück nach Syrien gehen, was mehr als unwahrscheinlich ist, gehe ich davon aus, dass diese Strukturen aufgebaut werden, weil sie fortbestehen sollen."

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