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PolitikEuropa

Die EU-Korruptionsjäger

Barbara Wesel
1. Juni 2021

An diesem Dienstag nimmt die neue EU-Staatsanwaltschaft den Kampf gegen Korruption in den Mitgliedsstaaten auf. Vor allem beim Corona-Wiederaufbaufonds muss künftig viel Geld vor Missbrauch geschützt werden.

Rumänien Staatsanwältin Laura Codruta Kövesi
Die rumänische Regierung kämpfte heftig gegen die Ernennung von Laura Kövesi zur EU-Ermittlerin (Archivbild)Bild: Reuters/Inquam/O. Ganea

"Mehr Geld, mehr Flexibilität, weniger Regeln" - die Chefin der neuen EU-Staatsanwaltschaft sieht mit den Corona-Wiederaufbaufonds riesige Aufgaben auf ihre junge Behörde zu kommen. Laura Kövesi ist als frühere Korruptionsbekämpferin in Rumänien berühmt geworden, wo sie dem Druck durch die Regierung jahrelang mutig standhielt. Jedenfalls ist sie durch die Kämpfe in ihrem Heimatland für ihre neue Aufgabe gestählt, künftig die EU-Milliarden vor Missbrauch zu schützen.

Ein Meilenstein der Korruptionsbekämpfung

Besonders das Europaparlament hatte jahrelang für die Einrichtung des EPPO (European Public Prosecutors Office) gekämpft. Allzu deutlich war, dass die Machtlosigkeit der Anti-Betrugsbehörde OLAF den Missbrauch von europäischen Geldern quasi straflos stellte. Denn es fehlte an Anklägern, um solche Fälle vor Gericht zu bringen.

Wegen Berichten über Korruption ermordet - Gedenken an den slowakischen Journalisten Jan Kuciak und seine VerlobteBild: Reuters/David W. Cerny

Die Europäische Staatsanwaltschaft hat ihren Sitz in Luxemburg, ist aber wesentlich auf die Kooperation mit nationalen Staatsanwälten angewiesen, die dafür von den Mitgliedsländern ernannt werden müssen. Da beginnen auch schon die Probleme: Zunächst hatte Malta die Ernennung seiner EU-Staatsanwälte verzögert, jetzt blockiert Slowenien. Premierminister Janez Jansa verhindert die Ernennung der slowenischen Kandidaten, weil er die Ermittlungen der Anti-Korruptionsjäger wohl verhindern will.

"Es ist ein Skandal, was in Slowenien passiert, (...) Wenn Jansa da wieder Trump-mäßig herumtwittert, dann zeigt das die ganze Schwierigkeit" für die neue Behörde, sagt der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner. Slowenien sollte sich zu Beginn seiner turnusmäßigen EU-Ratspräsidentschaft diese "Peinlichkeit" besser ersparen. Und EPPO-Chefin Kövesi schrieb in der slowenischen Zeitung "Delo", "das Fehlen aufrichtiger Zusammenarbeit macht es uns schwer, (...) den Schutz des EU-Budgets zu verbessern und die Rechtsstaatlichkeit zu wahren".

Trotzdem wird die EU-Staatsanwaltschaft als Meilenstein betrachtet. Die SPD-Europaabgeordnete Katarina Barley sieht die Behörde im größeren politischen Zusammenhang: Die EU erlebe zum ersten Mal die Gefahr einer Erosion von Innen. "Korruption hatten wir schon immer, jetzt aber gibt es Kräfte, die unsere Werte verschieben wollen." Die neue transnationale Staatsanwaltschaft sei auch Teil der europäischen Selbstverteidigung.

Schon 2015 protestieren Demonstranten in Bulgarien gegen die Politisierung der Justiz (Archiv)Bild: BGNES

Transnationale Ermittlungen, nationale Strafverfolgung

Die Konstruktion der Europäischen Staatsanwaltschaft beruht auf der Akzeptanz durch die Mitgliedsländer: Unter Chefin Kövesi und ihrem Stellvertreter, dem deutschen Juristen Andrès Ritter, tagt ein festes Gremium aus 23 Staatsanwälten, die entscheiden ob die untersuchten Korruptionsfälle verfolgt werden sollen. Ihnen arbeiten in den Mitgliedsländern Juristen zu, die dort für diesen Job speziell ernannt wurden. Für die praktische Ermittlungsarbeit in Luxemburg gibt es Finanzanalysten und andere Experten, die illegale Geldflüsse und Verwendungen grenzüberschreitend untersuchen können.

Ist das EPPO-Gremium überzeugt, dass die Beweise für den Missbrauch von EU-Geldern ausreichen, muss der Fall allerdings vor die nationalen Gerichte des Landes gebracht werden, in dem die korrupten Praktiken stattfanden. Hier rächt sich, dass die EU nicht früher intensiver  für die Unabhängigkeit der Justiz in einigen Mitgliedsländern gekämpft hat. Da wo die Regierung bereits die Justiz politisch unterwandert hat, können solche Verfahren am Ende an der Willfährigkeit der Richter scheitern. 

Andès Ritter sieht eine Woge von Arbeit auf die EU-Staatsanwälte zukommen. Rund 3000 Fälle seit 2017, als die Behörde beschlossen wurde, fallen in ihre Zuständigkeit. "Wir sind ein Versprechen an die Bürger Europas", sagt der Jurist darüber hinaus, denn gerade bei den Corona-Hilfen sei es sehr wichtig, dass die Gelder nicht zweckentfremdet werden. Er klagt allerdings schon jetzt darüber, dass nur rund die Hälfte der bewilligten Stellen in der Zentrale in Luxemburg besetzt werden konnten. Man brauche dringend mehr spezialisierte Ermittler. 

Ungarn und Polen spielen nicht mit

Ausgerechnet Ungarn und Polen gehören zu der Gruppe von Ländern, die sich der Kooperation mit der EU-Staatsanwaltschaft verweigert. Die Teilnahme daran ist nämlich freiwillig, weil sie kraft der sogenannten "verstärkten Zusammenarbeit" ins Leben gerufen wurde. Damit kann die EU neue Vorhaben umsetzen, ohne die Verträge zu ändern. Neben Ungarn und Polen machen auch Dänemark, Schweden und Irland nicht mit. Die Skandinavier gehen bei der Justiz- und Innenpolitik häufig eigene Wege.

In Ungarn werden seit Jahren die lukrativen Verträge aus EU-Mitteln kritisiert, von denen Angehörige und Unterstützer von Premier Viktor Orbán profitieren. Viele glauben, hier gebe es längst genug Stoff für Korruptionsverfahren. Aber alle Versuche, Ungarn zur Mitarbeit zu verpflichten, scheiterten am Widerstand des Premierministers. 

Trotzdem hofft der Grünen-Europaabgeordnete Sergey Lagodsky, dass die EPPO in der Rechtsrealität "kein zahnloser Tiger" wird. "Wir können uns von diesen Ländern nicht aufhalten lassen", und sie könnten sich den Erkenntnissen der EU-Staatsanwälte auch nicht ganz verschließen. Zumindest für politischen Druck könnten die entsprechenden Untersuchungen genutzt werden.

Die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia hatte zu Korruption und Geldwäsche recherchiertBild: picture-alliance/Zuma/S. Babbar

In den Negativlisten der Anti-Korruptionswächter von Transparency International rangieren fünf EU-Länder in der unteren Hälfte: Ungarn, Polen, Rumänien, Kroatien und Griechenland. In allen habe es zahlreiche Fälle von Betrug mit europäischen Geldern gegeben, erklärte der Direktor der Organisation, Michiel van Hulten zum letzten Jahresbericht.

Laura Kövesi will sich zu den Gründen nicht äußern, warum einige Länder nicht mit der Europäischen Staatsanwaltschaft zusammen arbeiten wollen. Sie meidet politische Äußerungen, um ihre Behörde zu schützen. Und die Erwartungen an die rumänische Juristin sind hoch: Die Familien der ermordeten Investigativ-Journalisten Daphne Caruana Galizia in Malta und Jan Kuciak in der Slowakei, die beide wegen der Aufdeckung von Korruptionsfällen starben, unterstützten Kövesis Ernennung ausdrücklich. Sie sei die "mutigste und am meisten geeignete Kandidatin für den Job". Das ist Lob und Verpflichtung zugleich für die Rumänin, die ein schwieriges Amt antritt.

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