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Politik

EU-Notfallplan gegen harten Brexit

Barbara Wesel
19. Dezember 2018

100 Tage vor dem Brexit-Datum veröffentlicht Brüssel Pläne für einen harten Ausstieg Großbritanniens. Für Straßentransport, Flugverkehr und Bürger sollen die schlimmsten Folgen vorübergehend abgemildert werden.

England Blockade Eurotunnel
Bild: Getty Images/AFP/B. Stansall

"Das sind keine verhandelten Abkommen, um die Folgen eines harten Brexit abzumildern, das sind unilaterale Maßnahmen von Seiten der EU im eigenen Interesse", erklären EU-Beamte bei der Vorstellung der Notfallpläne. Hundert Tage vor dem Brexit-Datum und mit Blick auf die unberechenbare politische Lage in Großbritannien veröffentlicht die Kommission eine Reihe von Direktiven, die das zu erwartende Chaos zumindest teilweise auffangen sollen.

Kein Ersatz für ein Austrittsabkommen

Britische Journalisten in Brüssel waren besonders interessiert daran, ob diese Notfallpläne nicht genau der sogenannte "verhandelte harte Ausstieg" darstellen könnten, den überzeugte Brexiteers derzeit in London als erstrebenswerte Lösung darstellen. Die Antwort der EU-Kommission aber hieß Nein und nochmal Nein: Die Maßnahmen seien eben nicht ausgehandelt, sondern werden einseitig von der EU in Kraft gesetzt.

Sie dienten allein dem Interesse der 27 Mitgliedsländer, sie gelten nur kurzfristig - in der Regel bis zu einem Jahr - und sie können jederzeit einseitig zurückgezogen werden. Außerdem treten sie nur in Kraft wenn Großbritannien die Gegenseitigkeit anerkennt. Die Notmaßnahmen seien keinesfalls Ersatz für den ausgehandelten Austrittsvertrag, dessen politisches Schicksal im britischen Parlament weiter infrage steht. Ihr Zweck sei lediglich, einen Teil der Folgen aufzufangen und zwar nur für einige eng begrenzte Wirtschaftsbereiche. 

Gütertransport

Die EU verlängert die Lizenzen für britische Transportunternehmen und LKW-Fahrer bis Ende 2019. So lange kann der Warenaustausch auf den Straßen vor allem über den Fährhafen Dover weiterlaufen. Großbritannien muss diese Maßnahme im Gegenzug auch gelten lassen. In diesen neun Monaten müssten dann neue Regelungen ausgehandelt werden oder der LKW-Transport würde auf internationale Abkommen zurück fallen. Das bedeutet, dass etwa die Vergabe von Lizenzen begrenzt werden kann.

Britische Fluglinien dürfen noch ein Jahr lang in der EU starten und landenBild: picture-alliance/dpa/T. Ockenden

Flugverkehr

Die EU will auch einen Teil des Luftverkehrsabkommens für bis zu einem Jahr verlängern: Demnach können britische Fluglinien von Heimatflughäfen aus einen Zielort in der EU vorerst weiter anfliegen, allerdings ist ein Stopover nicht erlaubt. Der Flug London - Paris ist also möglich, nicht aber London - Paris - Rom. 

Zollkontrollen

Die EU-Kommission weist die Mitgliedsländer darauf hin, dass ab 30. März nächsten Jahres Zollkontrollen, Veterinär- und ähnliche Überprüfungen für Exporte aus Großbritannien wie bei einem Drittland wieder in Kraft treten. Sie müssen sich durch Ausbau der früheren Kontrollpunkte und ein Aufstocken des Personals darauf vorbereiten. Vor allem Frankreich, die Niederlande und Belgien, durch die ein großer Teil des britischen Warenverkehrs läuft, sind hier gefragt. Zu erwarten sind lange Wartezeiten an den Grenzpunkten. Allein eine Abfertigungszeit von zwei Minuten in Dover würde zu über 40 Kilometer Stau hinter der Grenze führen, so haben Experten errechnet. 

Irland

Kein Kommentar von der EU-Kommission... Im Prinzip müssten im Fall eines harten Brexit Zollkontrollen geben und eine harte Grenze zwischen EU-Mitglied Irland und dem zu Großbritannien gehörende Nordirland entstehen. Aber zu diesem politisch heißen Eisen will sich Brüssel nicht äußern.

Bürgerrechte

Die Kommission empfiehlt den 27 Mitgliedsländern, die Aufenthaltsrechte und den Zugang zu Sozialversicherungsleistungen für britische Bürger großzügig und unbürokratisch zu behandeln. Allerdings liegt die juristische Zuständigkeit dafür bei den einzelnen Ländern. Bereits jetzt gibt es Klagen etwa aus den Niederlanden und Frankreich über die Handhabung dieser Überprüfungen.

Der Londoner Finanzmarkt würde von einem harten Brexit schwer getroffen Bild: picture alliance/dpa/D. Kalker

Finanzmarkt

Der Zugang zur EU für den britischen Finanzmarkt, das sogenannte "Passporting", endet mit dem 30. März nächsten Jahres. "Das wird für die City überaus schädlich sein", heißt es dazu bei der EU-Kommission. Eine Ausnahme wird dabei für das Clearing von Derivaten gemacht: Es darf noch ein Jahr weiter laufen, im Wesentlichen weil europäische Finanzdienstleister das bestehende Volumen noch nicht übernehmen können.

Der Rest ist nicht geregelt

Insgesamt gibt es 14 solcher Notfallmaßnahmen. Sie gelten aber ausdrücklich nur für die aufgeführte Liste von Aktivitäten. Alle weiteren Wirtschaftsbereiche oder etwa die polizeiliche Zusammenarbeit, die Sicherheitskooperation der Geheimdienste, der Wissenschaftsaustausch und vieles mehr sind davon nicht betroffen. Hier gilt, dass der 30. März 2019 das Ende der Welt bedeutet, wie sie bisher in der Zusammenarbeit mit Großbritannien im Rahmen der EU existierte. 

Theresa May dürfte ihr letztes Treffen auf EU-Ebene auf dem Frühjahrsgipfel im März habenBild: Getty Images/D. Kitwood

Auch von Zahlungen ist bei dem Katalog der Notmaßnahmen für einen harten Brexit nicht die Rede. Die EU allerdings geht davon aus, dass Großbritannien seine Schulden bezahlt, das heißt die bisher aufgelaufenen vertraglichen Verpflichtungen auch in diesem Fall erfüllt. Notfalls könnten diese Forderungen mit gerichtlicher Hilfe durchgesetzt werden.

Ob die britischen Brexiteers, die inzwischen den "verhandelten No-Deal" erfunden haben oder den "Gleitpfad aus der EU-Mitgliedschaft", sich von den Zusicherungen der EU beeindrucken lassen, diese Notmaßnahmen seien keinesfalls ein Ersatz für das Austrittsabkommen, sei dahin gestellt. "Sie reichen in keinem Fall an die Vorteile des Abkommens heran", sagt EU-Kommissar Valdis Dombrovskis jedoch mehrfach.

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