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Politik

Die EU setzt auf Härte

Barbara Wesel
23. November 2021

Die EU-Kommission will die Fluglinie Belavia sowie Reiseunternehmen bestrafen, die Migranten und Flüchtlinge nach Belarus bringen. Auch die Debatte im Europaparlament definiert die Situation als "Angriff" gegen die EU.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer Plenarsitzung des Europäischen Parlaments in Straßburg (23.11.2021)
Kommissionspräsidentin von der Leyen: "Dies ist keine Flüchtlingskrise"Bild: Christian Hartmann/AP/picture alliance

Die Debatte an diesem Dienstag im Europaparlament und die gleichzeitige Sitzung der EU-Kommission in Straßburg standen ganz im Zeichen der Abwehr des sogenannten "hybriden Angriffs" gegen Europas Grenzen durch Belarus. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte zur Situation an der Grenze: "Dies ist keine Flüchtlingskrise, es ist der Versuch eines autoritären Regimes, seine Nachbarn zu destabilisieren.”

So wie sie konzentrierte sich die Mehrzahl der Redner auf die politische Auseinandersetzung mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko und weniger auf die humanitäre Krise und die Lage der Menschen im Grenzgebiet.

Mehr Strafmaßnahmen, aber kaum humanitäre Hilfe

Die Kommission will zunächst Reise- oder Transportunternehmen auf eine schwarze Liste setzen, die beim Menschenhandel mit Migranten helfen. Das könne etwa Einreise- oder Überflugverbote oder ein Tätigkeitsverbot in der Europäischen Union zur Folge haben, wurde erklärt.

Auch die belarussische Fluglinie Belavia soll jetzt sanktioniert werden. Das Leasing von Flugzeugen in Irland soll dem Unternehmen untersagt werden, sodass Belavia keine weiteren Flüge organisieren könnte.

Embraer 195 der Belavia (in Frankfurt): Flotte bald ohne im Irland geleaste Flugzeuge?Bild: Andreas Arnold/dpa/picture alliance

Außerdem sollen alle Sanktionen mit den USA, Kanada und Großbritannien koordiniert werden, sagte von der Leyen. Man werde intensiv mit den Herkunftsländern zusammenarbeiten, um weitere Flüchtlinge von der aussichtslosen Reise abzuhalten.

Kommissions-Vizepräsident Margaritis Schinas hatte bereits mit den Regierungen des Irak, der Arabischen Emirate wie der Türkei verhandelt, die daraufhin die Flüge nach Minsk für mutmaßliche Flüchtlinge unterbunden haben. Am Mittwoch will er in gleicher Mission nach Usbekistan reisen, erklärte die Kommissionspräsidentin.

Schinas betonte, er sei stolz auf das Erreichte, denn die EU zeige Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit: "Nennen wir die Dinge beim Namen", sagte er im Europaparlament, "den Menschen wurde eine Lüge verkauft. Sie bezahlen für ein Ticket in einen eiskalten Wald". Er sprach von rund 15.000 Menschen im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen, eine weit höhere Zahl als bisher von den beteiligten Ländern genannt wurde.

Der Vizepräsident sagte auch, internationale Hilfsorganisationen der UN könnten jetzt Zugang zu einem Lager bekommen, das auf belarussischer Seite einen kleineren Teil der Flüchtlinge beherbergt. Bisher war das nicht der Fall. Weder Polen noch Belarus erlaubten Helfern, die weiträumig gesperrten Grenzgebiete zu betreten.

Ursula von der Leyen vermied hier wesentliche Details und verwies nur darauf, dass die EU inzwischen 900.000 Euro Notfallmittel für Hilfsorganisationen bereitgestellt habe. "Diese Menschen sitzen in der Falle, diese Menschen brauchen Hilfe", räumte sie ein - ohne allerdings zu erklären, warum EU-Mitgliedsland Polen diese Hilfe bislang verweigern darf.

Migranten im Wald bei Grodno in Belarus (am 8. November): 15.000 Menschen im GrenzgebietBild: Leonid Shcheglov/Belta/AFP/REUTERS

Die EU wandelt hier auf einem schmalen Grat. Indem die Situation als rein politische Krise bewertet wird, konzentriert sie sich ganz auf die Abwehr des "Angriffs" gegen ihre Außengrenzen. Die Kommissionspräsidentin erwähnte zwar, dass die Mitgliedsländer ihre internationalen Verpflichtungen erfüllen und sie mit den Maßnahmen zur Grenzsicherung in Einklang bringen sollten: "Sie müssen die irregulär Ankommenden schnell und in Übereinstimmung mit den fundamentalen Rechten behandeln".

Allerdings meldet die polnische Grenzpolizei seit Wochen täglich die Zahl der durchgeführten Pushbacks - also der Zurückweisung an der Grenze - mit rund 30 pro Nacht. Sie stehen im Gegensatz zur Genfer Flüchtlingskonvention. Dennoch wurde diese Praxis vom polnischen Parlament sogar für rechtmäßig erklärt. Nur wenige Flüchtlinge, die es auf polnisches Gebiet geschafft haben, bekamen bisher überhaupt die Chance, Asyl oder vorübergehenden Schutz zu beantragen.

Mehr Solidarität und Sicherung der Grenzen

"Wir unterstützen unsere Mitgliedsländer an der Frontlinie im Osten und im Süden", betonte die Kommissionspräsidentin weiter. Im EU-Haushalt seien 6,4 Milliarden Euro für Grenz-Management vorgesehen, um mehr Ausrüstung zu finanzieren oder die Grenzübergänge zu sichern. Außerdem würden die Mittel zur Unterstützung der baltischen Länder und für Polen verdreifacht: "Wir müssen der Notsituation ins Gesicht sehen und Solidarität zeigen."

Schließlich nannte von der Leyen die Aktion der belarussischen Seite einen Versuch, eine anhaltende Krise an den EU-Außengrenzen anzufachen: Das Regime in Belarus unterdrücke gewaltsam seine eigenen Bürger. "Seine Aktionen sind eine reale Gefahr für die EU, sie stellen unsere Entschlossenheit und Einheit auf die Probe." Aber Europa sei unbedingt entschlossen, sich dagegen zu wehren.

Sollen aber die versprochenen Gelder nun tatsächlich dafür verwandt werden - entsprechend polnischem Wunsch aber entgegen bisheriger EU-Politik - an der Grenze zu Belarus eine Mauer zu bauen? Es gehe um ein "robustes System", sagte dazu Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas, das man aber "nicht als Mauer verstehen" solle, er spreche von Fahrzeugen, Technologien oder Kommandostrukturen.

Die EU-Kommission versucht hier Zusagen einzukassieren, die Ratspräsident Charles Michel vorige Woche bei seinem Besuch in Warschau locker gemacht hatte: Er hatte erklärt, man könne über einen Mauerbau mit EU-Mitteln durchaus reden.

Zwischen Grenzsicherung und Hilfe für Flüchtlinge

Bei der Debatte im Europaparlament fand die harte Linie der Kommission viel Unterstützung. Der Vorsitzende der EVP-Fraktion gratulierte ihr dazu, den Zustrom von Migranten gestoppt zu haben. "Wir können mit Belarus keinen Deal machen", sagte Manfred Weber. "Wir unterstützen einen humanitären Korridor nicht. In der Grenzfrage stehen wir fest." Die Menschen im Grenzgebiet nannte er Opfer. Er hoffe auf ein Eingreifen der UN-Organisationen.

Die Vorsitzende der Sozialdemokraten, Iratxe Garcia Perez, betonte einerseits, es sei wichtig die Migranten von der Reise an die Grenzen abzuhalten. Man müsse mehr Druck auf Russland ausüben, das hinter der ganzen Aktion stehe. Aber Perez kritisierte auch die polnische Regierung: "Premier Morawiecki will Solidarität, aber verstößt gegen unsere fundamentalen Werte." Das Recht auf Asyl müsse respektiert werden und Medien wie Hilfsorganisationen Zugang zur Grenze erhalten.

Die spanische Sozialistin stellte auch die Frage, ob die EU sich wirklich zur "Festung Europa” entwickeln wolle. Aber angesichts der Mehrheiten im Europaparlament und der vorherrschenden Meinung in der Kommission wie bei den Mitgliedsländern scheint der Weg inzwischen weitgehend vorgezeichnet.

Allein Grüne und Linke konzentrierten sich auf die humanitäre Seite der Situation. "Solange wir Menschen als die größte Bedrohung ansehen, spielen wir Lukaschenko in die Hände", sagte Ska Keller von den Grünen. "Sie sind keine Waffen, das sind Leute in Not.".

Und der Linken-Abgeordnete Martin Shirdewan fügte hinzu, die Debatte werde von der politischen Rechten dominiert: "Sie sprechen von einer Bedrohung, wir sprechen von Menschen, die an der Grenze sterben. Die Diskussion verleugnet die humanitäre Seite". Das größte Versagen der EU sei es hier, keine Einigung auf eine humane Flüchtlingspolitik gefunden zu haben.

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