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Die EU spricht im Nahostkonflikt mit leiser Stimme

Bernd Riegert, Brüssel1. September 2003

Der EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik Javier Solana ist noch bis Mittwoch (3.9.) in Nahost unterwegs, um dort für den Friedensprozess zu werben. Der Einfluss der EU ist dort jedoch sehr begrenzt.

Palästinenser-Präsident Jassir Arafat und Javier Solana bei einem früheren TreffenBild: AP

Die "Roadmap", die Straßenkarte zum Frieden im Nahen Osten, ist eigentlich eine Erfindung der Europäischen Union. Die ersten Entwürfe entstanden unter dänischer Ratspräsidentschaft im Herbst 2002, meint zumindest Chris Patten, der zuständige Kommissar für Außenbeziehungen. Die Roadmap, die zur Bildung eines lebensfähigen Palästinenserstaates und zu einem Ende des Terrors führen sollte, sei dann von den übrigen Mitgliedern des Nahost- Quartetts, den USA, Russland und den Vereinten Nationen übernommen worden, so Patten.

Die USA sehen das freilich anders. Bei seinem Gipfeltreffen zur Annahme der Roadmap mit dem israelischen und dem palästinensischen Ministerpräsidenten Anfang Juni 2003 hatte US-Präsident George W. Bush die Europäische Union nicht erwähnt. In den Überlegungen der USA spielen die Europäer im Nahen Osten keine große politische Rolle.

Palästinenserfreundlich?

Die Europäische Union leistet sich dennoch seit 1996 einen eigenen Sonderbeauftragten für den Nahen Osten. Mitte Juli 2003 hat der belgische Spitzendiplomat Marc Otte das Amt übernommen. Der Hohe Beauftragte der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Javier Solana - so etwas wie die Vorstufe des europäischen Außenministers - ist vom 29. August bis zum 3. September wieder einmal in der Region unterwegs. Er engagiert sich persönlich stark im Friedensprozess. In den Augen der Amerikaner und Israelis agiert er zu palästinenserfreundlich. Solana lehnte es ab, jeden Kontakt zu Palästinenserpräsident Yassir Arafat abzubrechen und nur noch mit dem palästinensischen Premierminister Mahmud Abbas zu verhandeln, wie das Israel und die USA praktizieren. Solana hat es nicht immer leicht, die Außenminister der Europäischen Union für den frustrierenden Friedensprozess mit seinen zahllosen Rückschlägen zu begeistern.

Immer wieder tote Israelis, die durch Terror-Attentate der Palästinenser sterben - die Attentage behindern den FriedenBild: AP

Der ehemalige NATO-Generalsekretär Solana schrieb in einem Zeitungsbeitrag, gerade in aussichtslosen Zeiten müssten die Europäer ihre Anstrengungen noch vergrößern. Die italienische Ratspräsidentschaft der EU will sich dafür einsetzen, noch im September ein Ministertreffen des sogenanten Nahost-Quartetts (USA, EU, Russland, UN) einzuberufen. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac wird nicht müde, ein eigenständiges Auftreten der Europäer auch im Nahen Osten zu fordern. Er möchte gar eine zweite "Roadmap" vorschlagen, um Frieden zwischen Israel und Syrien sowie zwischen Israel und Libanon zu stiften.

Geldgeber EU

Eine führende Rolle spielt die Europäsiche Union nicht auf der politischen Bühne, sondern bei der Finanzierung der Palästinensischen Autonomiebehörde und bei humanitärer Hilfe im Gaza-Streifen und im Westjordanland. Nach Angaben von Chris Patten, dem EU-Außenkommissar, pumpt die Union seit Juni 2001 monatlich 10 Millionen Euro in die Autonomiebehörde, um deren schiere Existenz zu gewährleisten, sprich einen großen Teil der Gehälter der über 120.000 Angestellten zu zahlen. Israel hatte nämlich nach Beginn der zweiten Intifada die Überweisung von Steuer- und Zolleinnahmen an die palästinensische Autonomiebehörde eingefroren. Die EU sprang in die Bresche. Im Juli dieses Jahres hat die EU-Kommission in Brüssel ein Extra-Paket von 100 Millionen Euro geschnürt, davon 30 Millionen allein für die Ausbesserung von Straßen. Die Friedenspläne kamen und gingen, die EU zahlte weiter, allein in den Jahren 2002 und 2003 über eine halbe Milliarde Euro für direkte Beihilfen, Kredite und humanitäre Programme.

Vorwürfe von Medien und EU-Parlamentariern, die Hilfsgelder würden von der Palästinensischen Autonomiebehörde, deren Präsident Yassir Arafat ist, in schwarze Kassen abgezweigt, weisen die Kassenprüfer in Brüssel zurück. Bislang sei alles mit rechten Dingen zugeganen. Das hätten mehrere unabhängige Prüfverfahren ergeben, so Chris Patten, der zuständige EU-Kommissar.

Hilfe für Israel

Die wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel sind ebenfalls eng. Die EU ist der größte Handelpartner Israels, mit dem ein Assozierungsabkommen besteht. Seit 1995 sitzt Israel mit allen Mittelmeer-Anrainerstaaten in einem speziellen Programm der EU zusammen, hier fließen ebenfalls Hilfsgelder an Israel und seine Nachbarn.

Unter dem Dach der Europäischen Union gehen trotz Terrors und Vergeltungsschlägen die direkten Gespräche von Israelis und Palästinensern weiter, wenn es um praktische Fragen geht. So konnte die EU ein Abkommen zwischen dem israelischen Minister für Infrastruktur, Joseph Pritzky und dem palästinensischen Energieminister Azzam Shawwa zu gemeinsamen Energieversorgungs-Projekten vermitteln.

Solche Projekte sind genau nach dem Geschmack des EU-Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana. Der Spanier möchte vor allem ein Klima des Vertrauens zwischen den Parteien stiften. Angesichts der täglichen Gewalt wird er langen Atem brauchen. Am Freitag und Samstag (5./6.9.) will er beim informellen Außenministertreffen der EU am Gardasee über seine jüngsten Gespräche berichten.

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