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Kartell-Chronik

16. September 2007

Telekommunikation, Chemie, Bier - die Branchen, in denen die EU-Wettbewerbshüter Kartelle aufdecken, sind vielfältig. Die Strafen für die Markt-Sünder steigen von einem Rekord zum nächsten. Ein Überblick.

Konzernzentrale von ThyssenKrupp
In vielen Konzernzentralen wurden und werden verbotene Preisabsprachen getroffenBild: AP

Die EU-Kommission hat im Jahr 2006 Kartellbußgelder von insgesamt 1,85 Milliarden Euro kassiert - das war ein Rekord. Im Jahr 2007 werden die Strafgelder für Unternehmen wegen Marktmissbrauchs und Preisabsprachen noch höher ausfallen, schätzt die EU-Wettbewerbskommission. Schon im ersten Halbjahr wurde der Gesamtbetrag von 2006 eingestellt.

Die Chronik der wichtigsten Entscheidungen der EU-Wettbewerbskommission:

Juli 2007

Der spanische Telefonkonzern Telefónica muss nach dem Will der EU-Kommission wegen überhöhter Großhandelspreise ein branchenweit beispielloses EU-Bußgeld von 151,9 Millionen Euro zahlen. Beim Weiterverkauf von schnellen Internetzugängen nahm Telefónica Konkurrenten auf dem Heimatmarkt zu viel Geld ab, entschied die EU-Kommission nach eineinhalbjährigen Ermittlungen. Es war die höchste Strafe, die Brüssel bisher in der Telekombranche verhängte. Telefónica klagte gegen den Beschluss - Entscheidung offen.

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes sagte: "In Spanien ist ein Breitbandanschluss etwa um ein Fünftel teurer als im Schnitt der 15 alten EU-Länder. Das schadet Verbrauchern, Unternehmen und der ganzen Wirtschaft - und damit auch Europa." Sie sprach von einem "besonders schwerwiegenden Missbrauch".

April 2007

Auch in der Bierbranche wurde gemogeltBild: picture-alliance/ dpa

Wegen unerlaubter Preisabsprachen für Bier in den Niederlanden verhängte die EU-Kommission gegen drei Großbrauer ein Bußgeld von insgesamt 274 Millionen Euro. Die Wettbewerbskommission bestrafte damit den Branchenriesen Heineken, sowie Grolsch und Bavaria. Der belgisch-brasilianische Brauereikonzern InBev ging als Kronzeuge straffrei aus. Auf Heineken als niederländischer Marktführer entfiel mit 219 Millionen Euro die höchste Einzelstrafe. Der Konzern kündigte wie auch Grolsch eine Klage dagegen an.

Kroes sagte, den Managern sei klar gewesen, dass die von 1996 bis 1999 getroffenen Absprachen illegal gewesen seien. Sie hätten deshalb versucht, ihre Spuren zu verwischen. Die Zusammenkünfte seien mit Bezeichnungen wie "Treffen Katharina" oder "Agendasitzung" getarnt worden. Teilgenommen hätten Führungskräfte bis hin zu Vorstandsmitgliedern. Um die Treffen zu verheimlichen, seien sie in wechselnden Hotels und Restaurants abgehalten worden. Dabei hätten die Brauereien Preiserhöhungen abgesprochen und die Preisnachlässe für Gaststätten verabredet. Auch hätten sie ihre Kunden untereinander aufgeteilt, erklärte die Wettbewerbsbehörde. Die Beweise seien eindeutig: So gebe es unter anderem handschriftliche Aufzeichnungen. Die Zeche bezahlt hätten am Ende viele Niederländer, sagte Kroes.

Lesen Sie weiter: Das Aufzugskartell, das Chemie-Kartell und das Acrylglas-Kartell.

Februar 2007

Rolltreppen bringen nicht nur zu Weihnachten GeldBild: AP

Wegen Kartellabsprachen beim Verkauf von Aufzügen und Rolltreppen wurden gegen ThyssenKrupp und vier weitere Konzerne Strafen verhängt. Die EU-Kommission verfügte ein Rekordbußgeld von 992 Millionen Euro gegen das Aufzugs-Kartell. Allein auf ThyssenKrupp entfielen 480 Millionen Euro. Betroffen waren insgesamt 17 Tochter-Unternehmen von ThyssenKrupp, Kone, Otis, Schindler und Mitsubishi, die Aufzüge und Rolltreppen bauen. Die Kommission erklärte, die Unternehmen hätten sich in Deutschland und den Benelux-Staaten gegenseitig Aufträge zugeschanzt und Preisabsprachen getroffen. Der Otis-Mutterkonzern UTC kündigte Klage gegen den Bußgeldbescheid an, der sich in diesem Fall auf 225 Millionen Euro belief.

Kommissionssprecher Jonathan Todd kritisierte die beteiligten Unternehmen scharf. "Die öffentliche Hand und private Immobilienbesitzer wurden im großen Maßstab abgezockt", sagte er. Die wettbewerbswidrigen Praktiken hätten sich über mindestens neun Jahre erstreckt und seien im Januar 2004 durch unangekündigte Inspektionen der Kommission aufgedeckt worden. Die Folgen der Kartellabsprachen werden nach Einschätzung der EU-Kommission noch 20 bis 50 Jahre zu spüren sein, weil sie sich auch auf die Wartungsarbeiten bezogen. In diese Absprachen seien "ranghohe Mitglieder des nationalen Managements" des jeweiligen Landes einbezogen gewesen, erklärte die EU-Kommission. Die Strafe für ThyssenKrupp fiel unter anderem deshalb so hoch aus, weil sich der Konzern bereits mehrfach an Kartellen beteiligt hatte, sagte Todd.

November 2006

Immer wieder involviert: Royal Dutch ShellBild: AP

Mit einem rechtzeitigen Geständnis entging der Chemiekonzern Bayer einer Kartellstrafe in Millionenhöhe. Die EU-Kommission verhängte Geldbußen von 519 Millionen Euro gegen fünf Unternehmen wegen verbotener Absprachen beim Handel mit Kautschuk. Neben Bayer waren Eni, Shell, Unipetrol, Trade-Stomil und Dow betroffen. Die Unternehmen hätten in illegaler Weise Preise abgesprochen und Kunden unter sich aufgeteilt. Das Kartell habe von 1996 bis 2002 exitiert, möglicherweise sogar länger.

Bayer machte sich der Kommission zufolge die Kronzeugenregelung zu Nutze: Das Unternehmen habe das Kartell Ende 2002 als erster Beteiligter der EU-Kommission gemeldet und müsse seine Geldstrafe deshalb nicht zahlen, sagte der Sprecher. Weil Bayer, Shell und Eni bereits früher an Kartellen beteiligt gewesen seien, seien die Strafen besonders hoch angesetzt worden. Bayer hätte der Kommission zufolge mehr als 200 Millionen Euro zahlen müssen.

Mai 2006

Die EU-Wettbewerbsbehörde verhängt gegen vier Acrylglashersteller wegen unerlaubter Preisabsprachen Kartellstrafen von insgesamt knapp 345 Millionen Euro verhängt. Zahlen sollten nach dem Willen der Kommission die früher zur französischen Total gehörende Arkema, die britischen Hersteller Lucite und ICI sowie die irische Quinn Barlo mit ihren belgischen und deutschen Töchtern. Die deutsche Degussa sei ebenfalls an dem Kartell beteiligt gewesen. Sie profitiere aber von einer Kronzeugenregelung und müsse deshalb die eigentlich fällige Strafe von 264,5 Millionen Euro nicht zahlen.

Acrylglas wird unter anderem in Fahrzeugen, bei der Herstellung von DVDs, Linsen, elektronischen Geräten und Badewannen verwendet. Die EU-Kartellwächter warfen den Unternehmen vor, von 1997 bis 2002 Preise abgesprochen zu haben. Es handele sich um einen sehr schweren Verstoß. Nachgewiesen seien Treffen in Hotels in Dublin und in Deutschland, bei denen Preiserhöhungen vereinbart worden seien. Die Strafen gegen Arkema und ICI wurden erhöht, weil beide Firmen bereits in der Vergangenheit an Kartellen beteiligt gewesen seien.

Lesen Sie weiter: Noch ein Chemie-Kartell, Absprachen bei Plastiksack-Herstellern und das italienische Tabak-Kartell.

Mai 2006

Die EU-Kommission verhängt Kartellstrafen von insgesamt 388 Millionen Euro gegen sieben Chemie-Unternehmen. Die Firmen hätten deutlich gegen das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union (EU) verstoßen und Preisabsprachen getroffen, teilte Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes mit. Die Kartellstrafen ware die bis dahin dritthöchsten, die EU-Wettbewerbshüter jemals gegen eine Branche verhängten. Insgesamt hätten neun Unternehmen bereits 1994 ein Kartell für Bleichmittel gebildet und 1997 bei einem Treffen in einem Brüsseler Restaurant erneut Preiserhöhungen abgesprochen, teilte die Kommission mit. Die belgische Firma Solvay wurde als "Wiederholungstäter" mit der höchsten Strafe von 193 Millionen Euro belegt. Ebenfalls Strafen zahlen sollten die Konzerne Akzo Nobel aus den Niederlanden, Edison und Snia aus Italien, Total/Elf Aquitaine/Arkema aus Frankreich, Kemira aus Finnland und FMC/Foret aus Spanien.

November 2005

Die EU-Kommission verhängt Kartellstrafen von insgesamt knapp 291 Millionen Euro gegen eine Reihe von Herstellern von Industrieplastiksäcken. Bei den Plastiksäcken handelt es sich um Verpackungen etwa für Dünger, Tierfutter oder Baumaterial. Die Kartellstrafen gingen auf Durchsuchungen zurück. Die Kommission warf den beteiligten Unternehmen vor, Preise und Marktanteile abgesprochen zu haben. Auch habe es Absprachen über die Preisberechnung gegeben. Das Kartell erstreckte sich demnach über ganz West-Europa. Nach Erkenntnissen der Kommission waren daran mehr als ein Dutzend Unternehmen beteiligt.

November 2005


Tabak schadet der Gesundheit - aber nicht unbedingt dem GeldbeutelBild: DW/Kate Hairsine

Die EU-Kommission bestraft italienische Verarbeiter von Rohtabak wegen illegaler Preisabsprachen mit einem Bußgeld von insgesamt 56 Millionen Euro. Die vier führenden Unternehmen in der Branche vereinbarten zwischen 1995 und 2002 Einkaufspreise, fand die EU-Kommission heraus. Den Löwenanteil des Strafgeldes sollte die Deltafina mit 30 Millionen Euro berappen. (mas)