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Politik

Die EU will gemeinsam rüsten

13. November 2017

Die große Mehrheit der EU-Staaten hat eine gemeinsame Rüstungspolitik beschlossen. Ob daraus irgendwann eine Armee wird, ist offen. Erst einmal soll Geld effizienter ausgegeben werden. Aus Brüssel Bernd Riegert.

Belgien EU beschließt Verteidigungsunion
Absichtserklärung unterschrieben: 23 EU-Staaten wollen gemeinsam Militärausgaben planenBild: Reuters

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini war geradezu begeistert über den Pakt, den 23 EU-Staaten in Brüssel feierlich unterzeichnet haben. "Das ist ein historischer Tag, weil wir die Grundlage für eine europäische Verteidigungsunion legen", sagte die italienische Politikerin, die das Projekt zusammen mit Frankreich und Deutschland in den letzten eineinhalb Jahren vorangetrieben hatte. "Das war ein hartes Stück Arbeit", lobte sich auch die geschäftsführende deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. "Ein guter Tag für Europa", sagte von der Leyen. Ihr Außenamtskollege Sigmar Gabriel stimmte zu und nannte den Vertrag, der an diesem Montag unterzeichnet wurde, ebenfalls "historisch".

Vereinbart haben 23 EU-Mitglieder eine "permanente strukturierte Zusammenarbeit" im Bereich der Verteidigung, die bereits im Lissabonner Grundlagenvertrag der Europäischen Union von 2007 vorgesehen war. Nicht alle EU-Staaten machen mit. Dänemark verzichtet aus prinzipiellen Erwägungen. Irland, Portugal, Malta halten sich die Möglichkeit offen, später noch mitzumachen. Großbritannien hält sich raus, denn es wird ja voraussichtlich im März 2019 aus der Europäischen Union ausscheiden. Ein späterer Beitritt, auch eines Drittstaates außerhalb der EU, wäre im Prinzip möglich.

Frankreichs Außenminister Le Drian (li.), Verteidigungsministerin v. d. Leyen bei gemeinsamer EU-Sitzung der Ressortschefs ins BrüsselBild: Reuters/Y. Herman

Ohne Briten geht es schneller voran

Richtig Fahrt nahm die Debatte um die Schaffung einer Verteidigungsunion auch erst auf, als der Brexit beschlossen war. Großbritannien war bisher nach Angaben von EU-Diplomaten der größte Bremser, wenn es um eine Koordinierung europäischer Verteidigungspolitik und Rüstungsprojekte ging. Die Briten hatten stets der NATO, also dem Verteidigungsbündnis der meisten EU-Mitglieder mit den USA und Kanada den Vorzug gegeben.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte dazu in Brüssel, die EU-Sicherheits- und Verteidigungsunion solle ergänzend zur NATO wirken und diese nicht ersetzen. "Es gibt eine Vielzahl von Themen, wo ich nicht die NATO sehe, sondern wo die Europäer gefragt sind", sagte die amtierende Ministerin. Als Beispiel nannte sie die Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten, wo Polizei und Militär ausgebildet - und Lebensgrundlagen für die Menschen geschaffen werden müssten. Die Verteidigungsunion wäre hier auch Teil der Migrationspolitik. Jetzt könne man militärische und zivile Projekt in Afrika "aus einem Guss" anbieten, erklärte von der Leyen.

Noch fliegen US-Drohnen für die NATO, auch die EU könnte eine europäische ferngesteuerte Kampfmaschine entwickeln.Bild: imago/ZUMA Press

Gemeinsam rüsten, Geld besser ausgeben

Bei der Verteidigungsunion, die im Dezember noch förmlich von den Staats- und Regierungschefs der EU beschlossen werden soll, geht es - wenigstens am Anfang - nicht um eigenständige europäische Truppen, sondern zunächst um Rüstungsprojekte. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini gab an, ihr lägen schon 50 Vorschläge für einzelne Projekte vor. Die 23 Vertragsstaaten beschlossen auch die Einrichtung eines gemeinsamen "EU-Verteidigungsfonds". Der italienischen Verteidigungsministerin Roberta Pinotti schwebt zum Bespiel die gemeinsame Entwicklung und Beschaffung einer europäischen Kampfdrohne vor. Die deutsche Ministerin möchte einen europäischen Sanitätsdienst einrichten und die Zahl der in der EU eingesetzten Kampfflugzeugtypen deutlich verringern, um Kosten zu sparen. "Wir haben über 20 Flugzeugtypen mit eigener Logistik im Einsatz. Das ist ineffizient."

Auch die Fähigkeit bei Krisen in Europa, Truppen zu verlegen, müsse verbessert werden, forderte Ursula von der Leyen. Planung und Beschaffung müssten gestrafft und koordiniert werden. "Es ist ein weiterer Schritt in Richtung der Armee der Europäer." Die EU-Staaten wollen sich stärker bei der Truppenstellung für internationale Krisen-Missionen unterstützen.

Effizienz steigern

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel sieht offenbar ein großes Sparpotential in der europäischen Rüstungszusammenarbeit. "Wir haben die gleichen Ausgaben wie die USA, aber nur 15 Prozent der Effizienz", sagte Gabriel. Jeder habe seine eigene Beschaffung, seine eigenen Strukturen. Man könne nicht nur qualitativ besser werden, sondern auch viel Geld sparen. "Europa rückt stärker zusammen." Nach Angaben des Friedensforschungsinstituts SIPRI in Stockholm gaben die Europäer allerdings nicht das gleiche Geld für Verteidigung wie die USA aus, wie von Gabriel behauptet, sondern nur rund die Hälfte. Im Jahr 2016 steckten die USA 611 Milliarden Dollar in ihren Militäretat, die Europäer 334 Milliarden Dollar.

Mit der Unterschrift unter den Pakt zur verstärkten Verteidigungszusammenarbeit verpflichten sich die 23 EU-Staaten auf lange Sicht ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Das hatten bereits die NATO-Staaten beschlossen. US-Präsident Donald Trump hatte eine schnellere Umsetzung angemahnt und die europäischen Bündnispartner heftig kritisiert. Den Beschluss der Europäischen Union sieht die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als Abgrenzung zur USA. "Es war für uns wichtig, gerade nach der Wahl des amerikanischen Präsidenten, uns eigenständig aufzustellen als Europäer."

Kein Problem: EU-Rüstungspläne werden eng mit NATO-Generalsekretär Stoltenberg abgesprochenBild: picture-alliance/AA/D. Aydemir

Kein Problem für NATO

Der Generalsekretär des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses, Jens Stoltenberg, nahm an der gemeinsamen Sitzung der EU-Außen- und Verteidigungsminister teil. Er begrüßte den Schritt der Europäer als "eine Stärkung des europäischen Pfeilers innerhalb der NATO." Die EU-Verteidigungsunion könne zu mehr Rüstungsausgaben und zu einer besseren Lastenverteilung innerhalb der NATO führen, meinte Stoltenberg.

Bislang war die Europäische Rüstungsagentur für die Koordination der Verteidigungspolitik zuständig. Doch selbst leitende Mitarbeiter räumen ein, dass bislang nicht viel erreicht wurde, weil der politische Wille fehlte. Das werde sich jetzt ändern, hofft der geschäftsführende Direktor der Rüstungsagentur, Jorge Domecq. "Die verstärkte Zusammenarbeit war immer so etwas wie das schöne schlafende Dornröschen in den Europäischen Verträgen", sagte Domecq der Deutschen Welle. "Die EU-Bürger wollen, dass die EU besser in der Lage ist, für ihre Sicherheit zu sorgen.  Dazu müssen wir die Kooperation in der Verteidigung stärken, die bislang allenfalls ein Flickwerk war." Die Europäische Agentur existiert bereits seit 2004.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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