1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Die Europäer und der INF-Vertrag - ratlos

Barbara Wesel
1. Februar 2019

Bei der EU herrscht nach dem angekündigten Ende des INF-Abrüstungsvertrages die Angst vor einem neuen Wettrüsten. Alle mahnen zum Dialog mit Russland, aber es gibt wenig konkrete Hoffnung.

Bucharest Gymnich EU Aussenminister
Bild: Ministry of Foreign Affairs Romania

Das Datum war angekündigt, die Beendigung des INF-Abrüstungsabkommens durch die USA längst beschlossene Sache. Die Reaktionen der EU-Außenminister schwanken zwischen Angst vor einem neuen Wettrüsten und der Mahnung, man solle doch bis zum endgültigen Ende des Vertrages am 2. August noch alle Anstrengungen unternehmen, ihn wieder zu beleben. Aber konkrete Initiativen dafür gibt es bisher keine.

Deutschlands Versuche bisher erfolglos

Bundesaußenminister Heiko Maas hat es in den letzten Wochen noch versucht. Er ist nach Moskau gefahren, um mit seinem russischen Kollegen Lawrow zu reden, aber der ließ ihn kühl abblitzen. Ähnlich war das Ergebnis seiner Gespräche mit Washington. Auf der Ebene eines weniger erfahrenen deutschen Außenministers war da nichts zu bewegen. Vielleicht eher ein Fall für die Bundeskanzlerin, die mit Präsident Putin reden und ausloten könnte, ob und welche Möglichkeiten noch für eine Wiederaufnahme von Verhandlungen bestehen.

Außenminister Maas: "Der kalte Krieg ist vorbei"Bild: DW/M. Luy

Als konkrete deutsche Initiative nennt Maas die für März in Berlin geplante Abrüstungskonferenz, bei der es allerdings nicht um Mittelstreckenraketen, sondern die Bedrohungen der Zukunft gehen soll. Um Kampfdrohnen, Killerroboter und ähnliche neue Waffensysteme. In solche Gespräche müsse vor allem China einbezogen werden, sagt Maas. Peking sei an der internationalen Aufrüstung maßgeblich beteiligt. Er erhofft sich davon einen ersten Impuls für neue Abrüstungsvereinbarungen, aber noch ist ungewiss, ob die entscheidenden Akteure der Einladung überhaupt folgen.

"Der kalte Krieg ist vorbei", antwortet der Bundesaußenminister auf die Frage, ob Geschichte sich in Europa wiederholen könnte. "Die Antworten aus dieser Zeit sind völlig ungeeignet, die (heutigen) Herausforderungen zu beantworten". Da ist sich sein Amtsvorgänger nicht so sicher. Sigmar Gabriel erklärte im Tagesspiegel, er sehe das Ende des INF-Vertrages als immanente Bedrohung für die Einigkeit der EU, als möglichen Sprengsatz für die zarte Pflanze der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik.

Denn die Interessen drohten hier auseinander zu fallen: Osteuropäische Länder hätten Zweifel an der Bereitschaft der westlichen Nachbarn, sie gegen Russland zu verteidigen. Deshalb müsse die EU dort stärker konventionelle Truppenverbände stationieren und mehr Verantwortung übernehmen. Andererseits sollten die Europäer die USA dazu drängen, selbst Inspektionen seiner atomaren Waffen zuzulassen, um Russland zu mehr Transparenz zu bewegen.

Was ist die Alternative zum Wettrüsten?, fragt Litauens Außenminister LinkeviciusBild: Agergres/S. Matei

Das Baltikum sieht sich erneut bedroht

Hört man dem litauischen Außenminister Linas Linkevicius zu, werden der Interessenkonflikt und das Auseinanderdriften der Ansichten zum INF-Vertrag deutlich. "Es gibt seit Jahren eindeutige Beweise, dass Russland den Vertrag bricht, ich gebe nur einer Seite die Schuld daran", sagt der Litauer. Die Amerikaner hätten sich seit Jahren bemüht, die Russen wieder einzubinden. Und der INF sei nicht der einzige Vertrag, der von Russland gebrochen werde, es gebe eine lange Liste.

"Ein neues Wettrüsten bringt weniger Stabilität, mehr Unsicherheit und es ist schlecht. Aber was ist die Alternative?", fragt Linkevicius. Alle roten Linien würden von der russischen Seite ständig überschritten. Die baltischen Staaten und Länder wie Polen gelten als erste und willige Kandidaten für eine Neustationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Europa, sollte es dazu kommen.

Europa als Testfall für begrenzten Atomschlag?

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn nimmt sich als Vertreter eines kleinen Landes die Freiheit, deutlich zu formulieren: "Geographisch sind wir die Leidtragenden, wenn wieder Aufrüstung auf der Tagesordnung steht. Europa ist davon betroffen". Man könne allerdings nicht mehr tun, als ein Mediator zu sein zwischen Washington und Moskau, denn die EU stehe zwischen den beiden Großmächten. "Eine Debatte hier in Europa über Wettrüstung aber wird die EU wieder zerreißen und am Ende des Tages schwächen". 

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn: Wir können lediglich vermittelnBild: DW/M. Luy

Auch die Chefin der EU-Außenpolitik Federica Mogherini macht deutlich, dass Europa am meisten vom INF-Vertrag profitiert und deshalb am meisten zu verlieren habe. "Die Zeiten wo wir als Schlachtfeld galten, der Boden auf dem sich die Supermächte feindlich gegenüberstanden, sind doch Geschichte. Wir wollen nicht einmal daran denken, dass es rückwärts gehen könnte". Aber damit drückt sie die Hoffnung und die Befürchtungen der Europäer gleichermaßen aus.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen