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Die FDP verzweifelt an sich selbst

Marcel Fürstenau6. Januar 2013

Philipp Rösler wollte die Liberalen aus dem Stimmungstief holen. Doch seit seiner Wahl zum Vorsitzenden hat sich der Niedergang beschleunigt. Das traditionelle Dreikönigstreffen soll die Wende bringen.

Philipp Rösler (Foto: dapd)
Bild: dapd

"Ich verspreche Ihnen: Ab jetzt, ab heute geht der Wiederaufstieg der Freien Demokraten endlich los." Der Satz stammt von Philipp Rösler (oben im Bild). Er sagte ihn kurz nach seiner Wahl zum FDP-Vorsitzenden am 13. Mai 2011. Knapp 20 Monate später steht fest, dass der damals 38-Jährige den Mund zu voll genommen hat. Seiner Partei geht es mindestens so schlecht wie vorher. Jede Wahl wird zur Zitterpartie. Seit Röslers Amtsantritt landete die FDP bei sechs Landtagswahlen viermal in der außerparlamentarischen Opposition. Und am 20. Januar blüht ihr dieses Schicksal in Niedersachsen, Röslers politischer Heimat.

Für den einstigen Hoffnungsträger der Liberalen wäre es persönlich besonders tragisch, sollte seine noch kurze, kurvenreiche Karriere dort enden, wo sie einst begonnen hat. Denn bevor Rösler im Herbst 2009 von Bundeskanzlerin Angela Merkel als Minister nach Berlin berufen wurde, hatte er die FDP im niedersächsischen Landesparlament aus der Opposition auf die Regierungsbank geführt. Aber nicht nur wegen dieses Erfolges schien der junge Mann wie kein anderer die Zukunft der Partei zu verkörpern. Sympathisch, einfühlsam, witzig und redegewandt – Rösler kam gut an. Davon ist nichts mehr zu spüren, seit er Parteichef geworden ist.

Erleichterung nach Westerwelles Abgang

Programmatisch erinnert er zunehmend an seinen Vorgänger Guido Westerwelle, dessen Mantra neben dem Ruf nach niedrigen Steuern der nach Privatisierungen war. Erst vor kurzem legte Rösler ein Papier vor, in dem er den Schuldenabbau durch den Verkauf öffentlichen Eigentums empfiehlt. So wird der amtierende FDP-Chef dem ehemaligen immer ähnlicher. Dabei waren die meisten Liberalen so erleichtert, als Außenminister Westerwelle nach zehn Jahren an der Partei-Spitze den Platz endlich freimachte.

Mai 2011 in Rostock: Guido Westerwelle überlässt Philipp Rösler das Feld.Bild: picture alliance/dpa

Vergessen war der fulminante 14,6-Prozent-Erfolg bei der Bundestagswahl 2009, denn die FDP geriet schnell in den selbst verschuldeten Abwärtstrend. Weder konnte sie ihr großes Wahlversprechen von spürbaren Steuersenkungen für alle einlösen noch das Image der Klientelpartei ablegen. Als einzige Partei sperrt sich die FDP beharrlich gegen einen in fast allen Industrienationen üblichen Mindestlohn. Davon würden Millionen Geringverdiener profitieren. Die vergleichsweise überschaubare Zahl der Hotelbesitzer hingegen durfte sich über üppige Steuererleichterungen freuen.

Niebels Griff in die Trickkiste

Nach elf Jahren in der Opposition hat es die FDP in atemberaubendem Tempo geschafft, sich als Regierungspartei in eine fast schon hoffnungslos anmutende Situation zu manövrieren. In Umfragen liegt sie stabil unter fünf Prozent, würde also im Moment den erneuten Einzug ins Parlament verpassen. Seit Monaten bekämpft sich das Spitzenpersonal gegenseitig. Entwicklungsminister Dirk Niebel äußerte in mehreren Interviews den Wunsch, es möge beim Bundesparteitag Anfang Mai in Nürnberg mehrere Bewerber für den Parteivorsitz geben. Das wäre ein gutes Zeichen für innerparteiliche Demokratie, begründete Niebel seinen Vorstoß zum Jahreswechsel.

In Wirklichkeit handelt es sich um einen semantischen Kunstgriff, um Rösler kurz vor dem Dreikönigstreffen der FDP am 6. Januar in Stuttgart weiter zu schwächen. In der Landeshauptstadt Baden-Württembergs läuten deutsche Liberale seit dem 19. Jahrhundert das politische Jahr ein. Im Stuttgarter Staatstheater werden Parteifreunde auftreten, die sich vor und hinter den Kulissen heftig bekämpfen. Diesem Eindruck versuchte die FDP-Landesvorsitzende Baden-Württembergs, Birgit Homburger, entgegenzutreten. "Wir werden in Stuttgart deutlich machen, dass wir alle an einem Strang ziehen", sagte sie der "Rheinischen Post".

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Wie gefährlich die Fallstricke ihrer Partei sind, musste Homburger kürzlich in ihrem eigenen Landesverband erfahren. Bei der Wahl der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl im September dieses Jahres wurde nicht sie zur Nummer Eins gekürt, sondern Entwicklungsminister Niebel. Es war die zweite Demütigung nach dem Verlust des Bundestagsfraktionsvorsitzes. Diesen Posten musste sie 2011 an Rainer Brüderle abtreten. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister wird beim Dreikönigstreffen nach Homburger und Niebel sprechen. Er hat schon oft bewiesen, dass er die Herzen der Liberalen wärmen und die Stimmung im Saal anheizen kann.

Viele in der FDP wünschen sich den 67-Jährigen deshalb als Nachfolger Röslers an der Partei-Spitze. Ein Szenario, das höchstwahrscheinlich eintreten wird, sollte die Landtagswahl in Niedersachsen zwei Wochen nach dem Dreikönigstreffen verloren gehen. In Stuttgart bietet sich Rösler die vielleicht letzte Chance, das Ruder für seine Partei und für sich ganz persönlich herumzureißen. Er soll als letzter Redner die Bühne betreten. Gut möglich, dass es schon in wenigen Wochen heißen wird, an diesem Tag habe er seinen letzten Auftritt vor großer Kulisse gehabt.

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