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Politik

"Antisemitismus entschlossen bekämpfen"

18. Januar 2018

Der Bundestag stimmt für die Einsetzung eines Antisemitismus-Beauftragten. Auch die AfD ist dafür. Nur die Linke enthält sich - aber aus anderen Gründen. Marcel Fürstenau berichtet aus dem Bundestag.

Israelische Flagge
Bild: picture-alliance/Bildagentur-online/Schöning

Das Thema ist groß und im Wortsinne brennend aktuell: Im Dezember wurden bei Demonstrationen in Berlin mehrmals Israel-Flaggen verbrannt, unter anderem vor dem Brandenburger Tor. Auslöser der Proteste war US-Präsident Donald Trump mit seiner Ankündigung gewesen, Jerusalem als ungeteilte Hauptstadt Israels anzuerkennen. Die Ausschreitungen sorgten international für Empörung und entfachten in Deutschland eine hitzige Debatte, die am Donnerstag den Bundestag erreichte.

"Antisemitismus entschlossen bekämpfen" ist der Antrag überschrieben, den vier Fraktionen gemeinsam eingebracht haben: Konservative (CDU/CSU), Sozialdemokraten, Freie Demokraten und Grüne. Eine gute halbe Stunde reden die Abgeordneten über die jüngsten Vorfälle im Besonderen und Antisemitismus im Allgemeinen. Bei sieben Rednern aus sechs Fraktionen sind das durchschnittlich fünf Minuten. Wenig Zeit, um ins Detail zu gehen.

Rechtsextremer und "eingewanderter" Antisemitismus

Volker Kauder, Fraktionschef der Unionsparteien, versucht es als erster Redner trotzdem. Er erinnert an einen jüdischen Restaurant-Besitzer in Berlin, dem der Tod angedroht wurde. Juden würden sich nicht mehr trauen, sich auf der Straße als solche zu erkennen zu geben. Laut einer Studie würden sich immer mehr Juden mit dem Gedanken tragen, "Deutschland wieder zu verlassen".

Eine wachsende Zahl antisemitischer Handlungen sei "eingewandert", sagt Unions-Fraktionschef Volker KauderBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Dann geht Kauder auf den Antisemitismus-Bericht einer vom Bundestag eingesetzten Experten-Kommission ein, die im April 2017 ihre Ergebnisse und Empfehlungen vorgelegt hat. Demnach käme der Großteil antisemitischer Attacken und Verbrechen aus dem Rechtsextremismus. Es sei aber auch eine wachsende Zahl antisemitischer Handlungen "eingewandert". Mit Menschen, die aus einer Region kämen, "wo der Hass auf Israel und Antisemitismus auch 1:1 gepflegt wird". Beides dürfe man nicht zulassen, fordert der CDU/CSU-Fraktionschef.

Auch die AfD applaudiert Volker Kauder

Unter dem Eindruck brennender Fahnen mit dem Davidstern sagt er: "Die Flagge Israels hat hier bei uns in Deutschland eine andere Bedeutung." Damit spielt Kauder auf die deutsche Verantwortung für den Holocaust an und das Eintreten für Israels Existenz-Recht, das in Deutschland zur Staatsräson gehört. Wer sich antisemitisch äußere, müsse dafür auch öffentlich zur Rechenschaft gezogen werden, sagt Kauder und erhält dafür auch Beifall von den Abgeordneten der Alternative für Deutschland (AfD).  

Deren Abgeordnete Beatrix von Storch spricht von guten Ansätzen im Antisemitismus-Antrag. Damit meint sie vor allem die von der Union vorgeschlagene Verschärfung des Aufenthaltsrechts. Damit sollen Ausländer, die sich antisemitische Taten zu Schulden kommen lassen, leichter ausgewiesen werden können. Deutschland habe aufgrund seiner Geschichte eine ganz besondere Verantwortung "und zu der bekennen wir uns ausdrücklich", betont die AfD-Parlamentarierin.

Wofür Beatrix von Storch kämpfen will

Dazu gehöre aber auch, vor neuen Entwicklungen in Westeuropa "nicht die Augen zu verschließen". Seit 2006 seien 40.000 Juden aus Frankreich nach Israel ausgewandert. Sie seien Flüchtlinge, über die niemand  spreche, "weil sie vor Muslimen flüchten". Die AfD werde mit ganzer Kraft dafür kämpfen, "dass das nicht die Zukunft in Deutschland sein wird".

Die AfD bekenne sich zur besonderen Verantwortung Deutschlands, sagt Beatrix von Storch Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Mit keinem Wort geht von Storch auf Vorwürfe gegen ihre Partei ein, in den eigenen Reihen nicht gegen Antisemitismus vorzugehen. In der Bundestags-Debatte erinnern die SPD-Abgeordnete Kerstin Griese und die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt unter anderem an den AfD-Chef Thüringens, Björn Höcke. Seine Behauptung, das zentrale Holocaust-Denkmal in Berlin sei ein "Denkmal der Schande", löste 2017 eine Welle der Empörung aus.      

"Sie haben ein gravierendes Problem mit Antisemitismus"

Dass Höcke immer noch AfD-Mitglied sei, bezeichnet Griese als "Schande". Und Göring-Eckardt wirft von Storch vor, ein "gravierendes Problem mit Antisemitismus" zu haben. Die Rechtspopulistin ihrerseits sagt, jüdisches Leben sei ein "wichtiger Teil des deutschen Erbes". Dazu gebe es keine zwei Meinungen.    

Kritik an von Storch äußert auch der FDP-Abgeordnete Stefan Ruppert. Sie übe beim Thema Antisemitismus einseitige Kritik, schaue aber "blind" in die eigenen Reihen. Zugleich lobt der Freidemokrat wie auch die Grüne Göring-Eckardt das jahrelange Engagement der Linken-Politikerin Petra Pau gegen Antisemitismus. Die Vizepräsidentin des Bundestages sagt in ihrer kurzen Rede, Hass gegen Jüdinnen und Juden sein ein "anhaltendes Problem". Sie erinnert an die Selbstverpflichtung aller Fraktionen, sich "zügig" den Empfehlungen der Experten-Kommission zuzuwenden.

Petra Pau (Linke) wirft den anderen Fraktionen beim Umgang mit dem Thema Antisemitismus "Arroganz" vorBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Petra Paus Linke lehnt "Sonderrecht" für Ausländer ab

Dazu gehört vor allem die Einsetzung eines unabhängigen Antisemitismus-Beauftragten. Ausdrücklich lehnt Pau die von den anderen Fraktionen befürwortete Ausweisung von Ausländern ab, die "antisemitisch auffallen". Ein solches "Sonderrecht" lehne die Linke ab. Bei der Abstimmung des Antrags enthält sich Paus Fraktion der Stimme. Auch wegen der "Arroganz, nicht im Parlament darüber zu beraten".

Die Linke hätte das Thema Antisemitismus nämlich gerne in die zuständigen Ausschüsse des Bundestages überwiesen, um sich intensiver damit zu befassen. So bleibt es bei einer Debatte von 35 Minuten. Wobei die Linke gerne einen gemeinsamen Antrag mit CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen gestellt hätte. Das aber lehnte die Union ab. Ihr stellvertretender Fraktionschef Stephan Harbarth verteidigte diese seit Jahrzehnten geübte Praxis kurz vor der Antisemitismus-Debatte. Seine Begründung: Bei den vier Fraktionen, die den Antrag eingebracht haben, stünde die "Loyalität zum Staat" außer Zweifel.   

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