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Die fragwürdigen Olympia-Helden der DDR

8. November 2024

Weltrekorde und hunderte Goldmedaillen - Sportlerinnen und Sportler aus der DDR haben bei Olympia viele historische Siege erkämpft. Allerdings sind ihre Erfolge wegen des DDR-Staatsdopings sehr umstritten.

DDR-Sportlerinnen in Trainingsanzügen mit Schriftzug "DDR" mit Olympische Goldmedaillen
Die DDR hat den Sport stets als Aushängeschild benutzt - für Olympiasiege waren viele Mittel rechtBild: IMAGO

Der DDR-Fußballmannschaft gelingt das Unglaubliche: Sie spielen bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal unentschieden gegen Brasilien. Das kleine Land hält der talentierten Fußball-Großmacht stand. In den folgenden Spielen übersteigen die Fußballer aus Ost-Deutschland alle Erwartungen. Die Mannschaft gewinnt als erstes deutsches Team eine olympische Goldmedaille im Fußball. Bis heute ist dies der einzige Olympiasieg einer deutschen Fußballmannschaft der Männer. 

Sportlerinnen und Sportler in der DDR waren der große Stolz der Nation. Man nannte sie auch "Diplomaten im Trainingsanzug", sagt Jutta Braun, Historikerin am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF), im Gespräch mit der DW. Der Staat förderte die Athleten mit viel Geld, machte sie groß und brachte sie ans Limit menschlicher Leistung. Doch dann zerbrach die DDR nahezu von einem Tag auf den anderen. Die Vereine gingen kaputt, viele Sportler verschwanden aus dem Rampenlicht oder wurden sogar arbeitslos. 

Das allein ist aber nicht der Grund, warum viele sportlichen Helden tief fallen. Eine Investigation enthüllt, dass Athleten in der DDR systematisch dopten oder dazu gezwungen wurden. Damit verlieren zahlreiche Rekordhalter ihren Ruhm. Ihre Erfolge rücken in den Schatten. Viele Helden sind in Vergessenheit geraten, trotz - oder gerade wegen - ihrer Bedeutung für den Staat.

Doping-Drama: Sind die Erfolge echt? 

Insgesamt eroberte die DDR hunderte Olympiamedaillen in den rund 40 Jahren ihres Bestehens. Tausende Athletinnen und Athleten nahmen an Olympia teil. Die kleine Nation beeindruckte weltweit auf großer Bühne.

Die dunkle Kehrseite der glänzenden Medaillen entpuppte sich Jahre später: Leistungssteigernde Mittel katapultierten die Sportler über die Grenzen des Möglichen hinaus. Der Verein Doping-Opfer-Hilfe gibt an, dass etwa 15.000 Sportlerinnen und Sportler ab Mitte der 1970er-Jahre in das Doping-Programm des Staates gezwungen wurden . Viele Dopingopfer waren noch minderjährig. Die späteren Enthüllungen schockierten und brachten das DDR-Sportwunder zum Bröckeln.

Ideologischer Krieg tobt bei Olympia 

Dabei bedeuteten Goldmedaillen für die DDR mehr als sportlichen Erfolg - sie waren das Puzzlestück für ein hochpoliertes Selbstbild. Nach dem Zweiten Weltkrieg teilte sich Deutschland in zwei Staaten: die sozialistische Deutsche Demokratische Republik (DDR) im Osten und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) im Westen. 

DDR-Staatsoberhaupt Erich Honecker ehrt Schwimmerin Kristin Otto und Kugelstoßer Ulf Timmermann für ihre Olympiasiege 1988Bild: Camera 4/IMAGO

Während die BRD als aufstrebende Wirtschaftsmacht glänzte, kämpfte die kleinere DDR international um Anerkennung. "Es ging nicht nur um Meter und Sekunden, sondern darum, das bessere Deutschland zu repräsentieren", sagt Jutta Braun. Dafür belohnt die DDR die Sportler mit Geld, Autos und Wohnungen. Jeder Gewinner auf dem Siegertreppchen verkörpert einen Triumph für den Sozialismus.

Vergifteter Wettkampf 

Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1974, die in der BRD ausgetragen wurde, trafen West- und Ostdeutschland sogar aufeinander. Die DDR gewann in der Vorrunde überraschend mit 1:0. Ostdeutschland triumphierte, die Fans im Westen verspotteten ihre Mannschaft.

Allerdings profitierte das Team der BRD von der Niederlage: Durch die Pleite angestachelt, spielten Franz Beckenbauer und Co. fortan besser. Außerdem wurden sie dank der Niederlage gegen die DDR nur Gruppenzweite und kamen in der Zwischenrunde in eine einfachere Turniergruppe mit Polen, Schweden und Jugoslawien als Gegner. Das DFB-Team erreichte das Finale und wurde Weltmeister. Die DDR schied in der Zwischenrunde gegen Vizeweltmeister Niederlande, Brasilien und Argentinien aus.

Der Beginn der 1980er Jahre war eine Hochphase des DDR-Staatsdopings. Damals traten ost- und westdeutsche Sportler bei zwei großen Ereignissen nicht direkt gegeneinander an. Bei den Olympischen Sommerspielen 1980 und 1984 kam es nicht zu Duellen zwischen den Athleten beider Seiten. Zunächst boykottierte die BRD gemeinsam mit anderen westlichen Staaten die Spiele in Moskau. Vier Jahre später schloss sich die DDR dem Boykott der Ostblock-Staaten bei den Olympischen Spielen in Los Angeles an.

Kein Platz in der Hall of Fame

Das DDR-Staatsdoping und die innerdeutsche Rivalität zwischen Ost- und West erklären den verblassten Ruhm zahlreicher DDR-Sportlerinnen und -Sportler. Viele Erfolge glänzen heute nur noch matt, anstatt grell zu strahlen. Hinzu kommt die eher westlich fokussierte Erinnerungskultur im wiedervereinigten Deutschland. 

Das zeigt sich auch in der Hall of Fame des deutschen Sports - einer virtuellen Stätte zur Ehrung deutscher Sportler und Persönlichkeiten des Sports. Hier findet man nur wenige Athletinnen und Athleten aus der DDR. Noch immer streitet die Öffentlichkeit über viele Ost-Sportlegenden. Sind sie wahre Helden oder sind ihre Erfolge nichts als das Ergebnis von Doping?

Fakt ist: In der DDR wurde Doping staatlich organisiert. Es war ein fester Teil des ostdeutschen Sportwunders. Fakt ist auch: Manche betroffenen Athleten beteuern bis heute ihre Unschuld und verteidigen ihre Erfolge. Sie fühlen sich zu Unrecht in den Schatten gestellt und kämpfen um die Anerkennung ihrer Leistungen. Die Medaillen und Rekorde erzählen eben nur einen Teil der Heldengeschichten.

Aline Spantig Multimedia-Journalistin mit Fokus auf Gesundheit, Menschenrechte und globale Themen.
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