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"Die Funkmessstationen bringen Weißrussland nichts außer nicht wieder gutzumachenden Umweltschäden"

21. August 2003

Weißrussische Nationalisten wollen gegen russische Militärbasen protestieren

Moskau, 21.8.2003, NESAWISSIMAJA GASETA, russ., O. Masajewa, aus Minsk

In Weißrussland werden massenhafte Protestaktionen gegen die russischen Militärstützpunkte vorbereitet, die auf dem Territorium des Landes stationiert sind. Eine der einflussreichsten oppositionellen Parteien nationalistischer Ausrichtung, die Belarussische Volksfront, die die Souveränität Weißrusslands, die Bewegung Richtung Europa und die NATO-Mitgliedschaft stark propagiert, bereitet diese Aktionen bereits seit mehreren Wochen vor. Die Aktivisten der Belarussischen Volksfront setzen auf die Einwohner der Siedlungen, die in der unmittelbaren Nachbarschaft zu den russischen Militärobjekten liegen.

Auf dem Territorium Weißrusslands liegt die Funkmessstation Ganzewitsch, die es ermöglicht, den Start jeglicher Flugobjekte hinter dem Atlantik zu kontrollieren, sowie die Funkmessstation Wilej, die die Kommunikation zwischen den Atom-U-Booten und dem Kommando der russischen Flotte gewährleistet. Außerdem kann der Flughafen in Matschulischtschi (bei Minsk) bei Bedarf an die russischen Militärs übergeben werden und zu einem Ersatzflughafen für strategische Bombenflugzeuge umfunktioniert werden. Aktivisten der Belarussischen Volksfront suchten alle Siedlungen in der Nachbarschaft der russischen Militärstützpunkte auf und erklärten den Einwohnern, dass die Militärbasen im strategischen Sinne lediglich von Russland benötigt werden, dass sie Weißrussland nichts außer nicht wieder gutzumachenden Umweltschäden bringen. Wie einer der Teilnehmer der Aktion, der Aktivist der Belarussischen Volksfront Jurij Senkowitsch, dem Korrespondenten der "Nesawissimaja gaseta" sagte, schadet die Strahlung, die von den russischen Funkmessstationen ausgeht, der Gesundheit der Menschen und der Umwelt der angrenzenden Regionen. In der Umgebung würden die Menschen häufiger an Gehirntumoren sterben, im Wald würde es weder Vögel noch Tiere geben.

Mit der Kampagne gegen die russischen Basen hoffen die Nationalisten, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen – die Schließung der Militärbasen zu erzwingen sowie ihre Partei "wieder ins Gespräch zu bringen". Ihre Sicht des Problems legten die Aktivisten der Belarussischen Volksfront in einem Gespräch mit dem Korrespondenten der "Nesawissimaja gaseta" dar. Ihrer Ansicht nach schaden die russischen Militärstützpunkte der nationalen Sicherheit des Landes. Sollte Russland in einen internationalen Konflikt einbezogen werden, werde gleichzeitig auch Weißrussland bombardiert. "Derzeit betrachtet kein einziger Staat Weißrussland als Gegner", so Jurij Senkowitsch. "Russland ist jedoch eine Großmacht und könnte zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine andere Großmacht unbequem werden..." Außerdem hält die Führung der Belarussischen Volksfront Russland nicht für einen zukunftsträchtigen strategischen Partner und ist überzeugt, dass das Land den Weg Polens und Litauens gehen muss. Über eigene Funkmessstationen verfügt Weißrussland nicht. Die Nationalisten sind jedoch der Ansicht, das Land werde nichts verlieren, wenn auf seinem Territorium keine Frühwarnsysteme stationiert seien. Ihrer Meinung nach sei es dumm, gegen Weißrussland Atomwaffen einzusetzen, da ein Gegner dessen 80 000 Mann starke Armee in 48 Stunden unschädlich machen könne.

Interessant ist, dass der Präsident des Landes Aleksandr Lukaschenka, der die Ideen der Belarussischen Volksfront in anderen Fragen nicht unterstützt, nicht vergisst, immer wieder zu wiederholen, dass die Stationierung russischer Militärobjekte in Weißrussland ein ernstes Zugeständnis an Moskau ist. "Weißrussland gewährleistet die Sicherheit Russlands an der westlichen Grenze. Von Riga bis Kiew hat Russland nichts außer den weißrussischen Ortungskräften", sagte er bei einer Pressekonferenz in Minsk.

Die Aktivisten der Belarussischen Volksfront wollen die Aktionen gegen die russischen Militärbasen zu systematischen Aktionen machen und in sie die Öffentlichkeit des ganzen Landes einbeziehen. Sie sind überzeugt, dass auch das offizielle Minsk, das bereits vorsichtiger ist, was die Freundschaft mit Moskau angeht, früher oder später diese Aktionen unterstützen und womöglich bald Kurs Richtung Europa einschlagen wird. Dann wird auf der Tagesordnung allerdings eine andere Frage stehen – was tun, wenn die NATO den Wunsch äußert, ihre Militärbasen auf dem Territorium des Landes einzurichten? (lr)