Die Gletscher schmelzen schneller - mit dramatischen Folgen
21. März 2025
In fünf der letzten sechs Jahre wurde der schnellste Gletscherrückgang seit Beginn der Aufzeichnungen beobachtet. Das zeigt eine neue Studie der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und des World Glacier Monitoring Service (WGMS).
Riesige Gebirgsgletscherströme, die in der Eiszeit in den USA, Kanada, Skandinavien, Mitteleuropa, Neuseeland und anderswo entstanden sind, werden "Glück haben, das Ende des Jahrhunderts" zu erleben, sagen die Forscher. Sie warnen vor einem "Kaskadeneffekt" mit Auswirkungen auf Volkswirtschaften, Ökosysteme und auf Gemeinden, die flussab von Gletschern liegen.
Seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1975 sind die Gletscher der Erde um mehr als 9000 Milliarden Tonnen geschrumpft, so Michael Zemp, Direktor der WGMS. Dieser Verlust entspreche einem "riesigen Eisblock von der Größe Deutschlands mit 25 Meter Höhe", sagte er.
Als Reaktion auf diesen alarmierenden Rückzug wurde das Jahr 2025 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum "Internationalen Jahr der Erhaltung der Gletscher" ausgerufen, der 21. März ist der erste jährliche Weltgletschertag.
Das Ziel: das Bewusstsein für die grundlegende Rolle zu schärfen, die Gletscher, Schnee und Eis für das Klima und den Wasserkreislauf spielen.
Weitreichende Auswirkungen der Gletscherschmelze
Die Erde beherbergt rund 275.000 Hochgebirgsgletscher, die zusammen mit den kontinentalen Eisschilden in Grönland und der Antarktis etwa 70 Prozent der weltweiten Süßwasserressourcen speichern.
Die im Winter zugefrorenen Hochgebirgsgletscher beginnen im Frühjahr und Sommer zu schmelzen, das Wasser versorgt ländliche Gebiete, Städte und Dörfer. Doch weil diese natürlichen Wasserspeicher jetzt immer weiter schrumpfen, geht eine lebenswichtige Süßwasserquelle für Millionen von Menschen verloren.
Der Rückgang der Gletscher führt außerdem dazu, dass Naturgefahren wie Überschwemmungen immer extremer werden. Sich erwärmende Gletscherseen können leicht über die Ufer treten und zu katastrophalen Sturzfluten führen. Bei einem Gletscherausbruch im Jahr 2023 im Himalaya-Staat Sikkim im Nordosten Indiens kamen 55 Menschen ums Leben und der Damm eines großen Wasserkraftwerks wurde weggespült.
In den Anden droht ein Gletschersee auszubrechen, dessen Wasserspiegel einer Studie zufolge allein zwischen 1990 und 2010 um das 34-fache gestiegen ist. Der örtliche Landwirt Saul Luciano Lliuya verklagt derzeit den deutschen Energiekonzern RWE, weil dieser den Klimawandel mitverursacht habe, der zur Überflutung seines Hauses und seines Dorfes führen könnte.
Wie sich die Gletscherschmelze auf den Meeresspiegel auswirkt
Das Wasser der schmelzenden Gletscher gelangt auch in die Weltmeere und lässt den Meeresspiegel steigen. Der Gletscherrückgang ist nach der Erwärmung der Ozeane, die eine Ausdehnung des Wassers bewirkt, der zweitwichtigste Faktor für den Anstieg der Meere.
WMO-Forscher haben festgestellt, dass der Meeresspiegel inzwischen doppelt so schnell ansteigt als seit Beginn der Satellitenmessungen im Jahr 1993. Dies entspricht zwar nur einem durchschnittlichen weltweiten Anstieg um 18 mm. Doch selbst das hat schwerwiegende Auswirkungen, insbesondere auf niedrig gelegene Inselgemeinden. "Jeder Millimeter Meeresspiegelanstieg setzt weitere 200.000 bis 300.000 Menschen einer jährlichen Überschwemmung aus", so Zemp.
"Der Anstieg des Meeresspiegels hat kaskadenartig schädliche Auswirkungen auf die Ökosysteme und die Infrastruktur der Küstengebiete, mit weiteren Folgen durch Überschwemmungen und Salzwasserkontamination des Grundwassers", heißt es in einer Erklärung zum jüngsten Bericht der WMO über den Zustand des Weltklimas, der auch diese Woche veröffentlich wurde.
Der Klimawandel treibt die Gletscherschmelze an
Der Bericht bestätigt zudem, dass die Durchschnittstemperaturen im Jahr 2024 wahrscheinlich zum ersten Mal um mehr als 1,5 Grad Celsius (2,7 Grad Fahrenheit) über den Werten der vorindustriellen Ära liegen werden. Bevor also der Mensch begann, Kohle und Öl in großem Maßstab zu verbrennen.
Weil die Durchschnittstemperaturen über Jahrzehnte und nicht über einzelne Jahre gemessen werden, sind die Ziele des Pariser Abkommens, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, noch nicht gescheitert. WMO-Generalsekretärin Celeste Saulo bezeichnete die Anfang dieser Woche veröffentlichten Ergebnisse jedoch als "Weckruf, dass wir die Risiken für unser Leben, unsere Wirtschaft und unseren Planeten erhöhen".
Der mit dem Klimawandel verbundene Temperaturanstieg wird größtenteils durch Emissionen aus fossilen Brennstoffen verursacht.
Die Studie zum Zustand der Gletscher zeigt auch: 2024 war das dritte Jahr in Folge mit einem Nettoverlust an Eismasse in allen 19 untersuchten Gletscherregionen. Dabei verzeichneten die Gletscher in Skandinavien, Spitzbergen in der Arktis sowie in Nordasien vergangenes Jahr den größten jährlichen Massenverlust seit Beginn der Aufzeichnungen.
Der WMO-Bericht schlägt vor, die Warnsysteme zu stärken, um sich an Auswirkungen wie extreme Sturzfluten anzupassen. Auch sollte laut der Studie der Gletscherrückgang begrenzt werden, damit die Pariser Klimaziele in Reichweite bleiben. "Die Erhaltung der Gletscher ist nicht nur eine ökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Notwendigkeit", sagte Saulo. "Es ist eine Frage des Überlebens."
Der Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert von Anke Rasper
Redaktion: Tamsin Walker