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Politik

Die gnadenlose Benzinpreisspirale

Silja Fröhlich
3. März 2022

Russlands Krieg gegen die Ukraine treibt auch in Afrika die Energiekosten auf neue Rekordhöhen. Dabei hatte der Kontinent schon zuvor unter hohen Preisen zu leiden. Doch viele der Probleme sind auch hausgemacht.

Südafika Tankstelle
Russlands Krieg gegen die Ukraine treibt die Benzinpreise in Afrika auf Rekordhöhe.Bild: Shiraaz Mohamed/Xinhua/picture alliance

Es herrscht Chaos an der Tankstelle in Nigerias Millionenstadt Lagos. Menschen streiten, Autos warten hupend in langen Schlangen - jeder will zur Zapfsäule, um etwas vom begehrten Gut abzubekommen: Benzin.

"Benzin zu bekommen ist wie nach Gold zu graben", schimpft Autofahrerin Joy Agbonifo. "Wir verbringen Stunden damit, zu suchen, und es ist nicht einmal garantiert, dass wir etwas abbekommen." Viele Leute würden den Treibstoff anschließend zu überhöhten Preisen weiterverkaufen: "Das ist aus Nigeria geworden."

Der Angriff auf die Ukraine treibt die Preise

Treibstoff ist so teuer wie lange nicht mehr. Russlands Angriff auf die Ukraine hat die Ölpreise weltweit nochmal stark in die Höhe getrieben. Mit mehr als 100 US-Dollar pro Fass erreichen sie damit zum ersten Mal seit 2014 einen dreistelligen Wert. Russland zählt zu den größten Öl- Exportnationen der Welt.

Nigeria: Schon vor dem Ukraine-Krieg gab es Proteste wegen zu hoher Benzinpreise.Bild: AFOLABI SOTUNDE/REUTERS

Die globalen Energiepreise waren bereits vor dem russischen Krieg gegen die Ukraine hoch. Grund: Die Produktion konnte nicht mit der steigenden Nachfrage der Weltwirtschaft nicht Schritt halten, die sich gerade von den Folgen der Corona-Pandemie erholt. Zudem haben Mitgliedsstaaten der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) zunächst - anders als zugesagt - ihre Ölförderung nicht gesteigert. Inzwischen signalisiert die Organisation allerdings, die Pumpen tatsächlich hochzufahren. Zur OPEC gehören auch Länder wie Angola und Nigeria.

Nigeria: brachliegende Raffinerien

Die aktuelle Lage führt in einigen afrikanischen Ländern gar zu Engpässen beim Treibstoff - selbst in Nigeria, dem größten Erdölexporteur Afrikas. Trotz seiner riesigen Ölindustrie importiert das westafrikanische Land fast sein gesamtes Benzin. Denn bei keiner der vier Raffinerien des Landes läuft es rund. Missmanagement und Korruption beeinträchtigen die Produktion erheblich. Dabei hätten die nigerianischen Raffinerien zusammengenommen die Kapazität, 445.000 Fass Öl pro Tag zu verarbeiten.

Die Nigerian National Petroleum Corporation (NNPC) behauptet jedoch, dass die derzeitige Knappheit im Land auf den Import von Kraftstoff mit zu hohem Methanolgehalt zurückzuführen sei. Das Unternehmen hatte den eingeführten Sprit daraufhin aus dem Verkehr gezogen. Mit der Konsequenz, dass es jetzt an den meisten Tankstellen gar kein Benzin mehr gibt.

In Angola ist das Benzin mit drei US-Cent pro Liter noch recht günstig auf dem Kontinent.Bild: picture-alliance / Alan Gignoux / Impact Photos

Die Folge: Die Preise steigen weiter, nicht nur für Kraftstoffe. "Das ist in hohem Maße für die Inflation verantwortlich", sagt der Ökonom Abdul-Ganiyu Garba von der Ahmad Bello Universität in Zaria. Ein auch hausgemachtes Problem: Ressourcenreiche Länder südlich der Sahara hätten ihre Rohstoff-Vorkommen nicht so verwaltet, dass sie selbstversorgend sind, so Garba im DW-Interview.

Eigentlich garantiert Nigeria seinen Bürgern einen der niedrigsten Benzinpreise auf dem Kontinent: vier US-Cent pro Liter. Wie in Angola, wo Benzin mit umgerechnet drei Cent noch billiger ist, und im Tschad, wo der Liter neun US-Cent kostet, ermöglicht normalerweise die eigene Öl-Förderung den Schnäppchenpreis. Doch jetzt ist diese Großzügigkeit zu einer kostspieligen Angelegenheit für den Staat geworden.

Hohe Benzinpreise überall

Schlimmer als in den Förderländern trifft die aktuelle Lage die Verbraucher anderswo in Afrika: In Burkina Faso stieg der Preis für Treibstoff im Dezember 2021 um acht Prozent. In Südafrika sind "die Kraftstoffpreise im Dezember 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 40,5 Prozent in die Höhe geschnellt", heißt es in einer Erklärung des Nationalen Statistikinstituts.

In Burundi beschloss die Regierung Ende Januar, die Kraftstoffpreise um fast 13 Prozent zu erhöhen. Für Aloys Baricako, Vorsitzender der burundischen Oppositionspartei "Rassemblement National pour le Change", ist der Anstieg historisch. "Es ist das erste Mal in der Geschichte Burundis, dass der Kraftstoffpreis auf einen Schlag stark steigt", sagte Baricako der DW.

In Äthiopien standen die Autos schon vor dem Ukraine-Krieg Schlange an der Tankstelle.Bild: Solomon Muchie/DW

Dabei war es in dem ostafrikanischen Binnenstaat schon vorher kostspielig, mit dem Auto zu fahren. Burundi ist nach der Zentralafrikanischen Republik, Simbabwe und Senegal eines der teuersten Länder des Kontinents mit Blick auf den Preis für einen Liter Benzin.

Doch auch wer nicht mit dem eigenen Auto unterwegs ist, muss nun sehr viel tiefer in die Tasche greifen. Innocent Irambona nimmt oft ein Taxi, um zur Arbeit zu kommen - aber das ist nun fast unbezahlbar: "Wo wir sonst 2000 Burundi-Francs gezahlt haben, sind es jetzt 3000. Außerdem arbeiten nicht alle Taxifahrer wegen des Treibstoffmangels"

Burundis Bürger befürchten nun auch noch höhere Preise bei importierten Lebensmitteln. Denn die sind normalerweise an die Treibstoffpreise gekoppelt.

Lebensmittel werden teurer

Auch in der Demokratischen Republik Kongo erreicht der Liter Benzin mit fast 3000 kongolesischen Francs (umgerechnet 1,5 US-Dollar) einen Rekordpreis. Die Regierung nennt als Grund, dass das Unternehmen SEP Congo, das für Transport Lagerung von Erdölprodukten zuständig ist, mit "einigen technischen Problemen zu kämpfen hat".

Der Preisanstieg ist in Afrika umso dramatischer, denn auch die Inflation bei Lebensmitteln ist hoch. In Togo und in der Elfenbeinküste sind mittlerweile die Lebensmittelpreise um fast das Doppelte gestiegen. Auch Kenia verzeichnet einen starken Anstieg. Dort hatte die Regierung allerdings aufgrund der Vorgabe des Internationalen Währungsfonds (IWF), mehr Einnahmen zu erzielen, die Steuern auf Haushaltsgüter wie Kochgas, Treibstoff und Lebensmittel um 14 Prozent erhöht. Und das sorgt nun für Proteste.

Verärgerte Kenianer machen ihren Unmut über den sprunghaften Anstieg der Kosten für Lebensmittel, Strom und Treibstoff in sozialen Medien Luft. Per Hashtag fordern sie eine Senkung der Lebensmittelpreise: #lowerfoodprices. Der Ölmarkt könnten die Preise noch weiter in die Höhe treiben: "Wir alle wissen, dass ein steigender Ölpreis auch Auswirkungen auf andere Produkte, einschließlich Lebensmittel haben hat", sagte David Gakunzi von der Denkfabrik Paris Global Forum der DW. 

Mitarbeit: Sam Olukoya (Lagos)

Adaption aus dem Englischen: Martina Schwikowski 

Silja Fröhlich Redakteurin, Reporterin und Moderatorin
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