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Politik

Grüne: Fraktion mit offenen Planstellen

10. Oktober 2017

Partei und Abgeordnete laufen sich warm für eine mögliche Jamaika-Koalition mit CDU/CSU und FDP. Und weil die Regierungsbildung noch lange dauern kann, muss sich die Fraktion bei wichtigen Fragen gedulden.

Bundestag Parteien Bundestagsfraktion Die Grünen
Bild: DW/K. A. Scholz

Sie werden die Letzten sein, das wissen die Grünen schon jetzt. Denn vier der sechs im neuen Bundestag vertretenen Fraktionen haben bereits über ihre neuen Vorsitzenden entschieden. Besonders eilig hatten es die Freien Demokraten (FDP). Einen Tag nach der Bundestagswahl am 24. September wurde Parteichef Christian Lindner auch zum Chef-Liberalen im Parlament gewählt. Es folgte die Alternative für Deutschland (AfD) mit ihrer Doppel-Spitze Alexander Gauland/Alice Weidel.

Christdemokrat Volker Kauder führt weiterhin die Unionsfraktion an. Vorsitzender der CSU-Landesgruppe, mit der die CDU eine Fraktionsgemeinschaft bildet, ist Alexander Dobrindt. Er folgt auf Gerda Hasselfeldt, die nicht mehr für den Bundestag kandidierte. Die Sozialdemokraten haben mit Andrea Nahles als Nachfolgerin Thomas Oppermanns erstmals eine Frau an der Spitze. Und weil die Linke am 17. Oktober auf einer Fraktions-Klausur in Potsdam ihren Vorstand wählt, werden danach nur noch zwei Planstellen offen sein: die der Grünen.

Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt machen vorerst weiter

Gut möglich, dass die Nachfolger respektive Nachfolgerinnen erst 2018 gewählt werden können. Denn zunächst müssen Partei und Basis eine andere wichtige Frage beantworten: regieren oder opponieren? Alle potenziellen Partnerinnen einer Jamaika-Koalition - CDU, CSU, FDP, Grüne - gehen von schwierigen und langwierigen Verhandlungen aus. Ob es überhaupt dazu kommt, hängt vom Ausgang der Sondierungsgespräche am 18. und 20. Oktober ab. Dann will das von Kanzlerin Merkel angeführte Unionslager zunächst getrennt mit FDP und Grünen reden, anschließend in großer Runde.

Lächeln für die Fotografen: Das geschäftsführende Fraktions-Duo Katrin Göring-Eckardt (r.) und Anton HofreiterBild: Getty Images/AFP/O. Andersen

Damit die Grünen-Fraktion im Bundestag handlungsfähig bleibt, sollen bis zur Neuwahl ihres Vorstands Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt geschäftsführend amtieren. Darauf verständigten sich die 67 Abgeordneten auf ihrer konstituierenden Sitzung am Dienstag im Berliner Reichstagsgebäude. Mit dieser naheliegenden Entscheidung ist Kontinuität gewahrt, denn das Duo Hofreiter/Göring-Eckardt bildete bereits in der gerade zu Ende gegangenen Legislaturperiode eine Doppelspitze.

CDU/CSU haben beim Thema Migration hohe Hürden errichtet  

Ihre wichtigste Aufgabe wird es sein, bis zur Regierungsbildung den Übergang zu moderieren. Dass es bei den Grünen nach zwölf Jahren in der Opposition eine große Sehnsucht nach Machtausübung gibt, zeigte sich schon Ende September auf einem sogenannten kleinen Parteitag in Berlin. Niemand stimmte gegen Sondierungsgespräche mit Union und FDP. Als größter Knackpunkt für ein Jamaika-Bündnis wurde bei diesem Basis-Treffen neben der Klimapolitik das Thema Migration genannt. Daran hat sich seitdem nichts geändert.

Allerdings weiß die kleinste Fraktion im Bundestag seit Montag, mit welchen Forderungen die Union in die Sondierungsgespräche gehen wird. Deren Migrations-Kompromiss ist mit den Vorstellungen der Grünen auf den ersten Blick unvereinbar. Fraktionschef Hofreiter spricht denn auch von einem "Formel-Kompromiss". Er sagt aber auch, man habe bis zum Beginn der Sondierungsgespräche Zeit, "das nun vernünftig zu bewerten". Wobei er betont, was für seine Partei von "großer Bedeutung" sei: der Familien-Nachzug von Geflüchteten. Gerade den aber will die Union beschränken.

Claudia Roth soll wieder Vizepräsidentin des Bundestages werden

Der zum linken Flügel der Grünen zählende Hofreiter lässt aber durchblicken, dass er noch Verhandlungsspielraum sieht. Er habe den Migrations-Kompromiss von CDU/CSU "nicht als rote Linie wahrgenommen". Allen Beteiligten müsse klar sein, nicht mit der Haltung in Sondierungsgespräche gehen zu können, dass die eigenen Positionen zu 100 Prozent umgesetzt werden müssten. Ähnlich äußerte sich Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth vor der konstituierenden Sitzung ihrer Fraktion gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Claudia Roth soll Vize-Präsidentin des Bundestages bleiben und gehört dem Grünen-Team für Sondierungsgespräche anBild: picture-alliance/dpa/B. Peders

Wenn der neue Bundestag am 24. Oktober zum ersten Mal zusammentritt, soll Roth auf Vorschlag der Grünen erneut dem Parlamentspräsidium angehören. Sie ist in Hofreiters Augen die richtige Kandidatin, "wenn in diesen neuen Bundestag Rechtsradikale und Feinde der weltoffenen Gesellschaft einziehen". Damit spielt der geschäftsführende Fraktionschef auf die rechtspopulistische AfD an. Deren Kandidat für das Amt eines Bundestagsvizepräsidenten, Albrecht Glaser, lehnen die Grünen wegen seiner ablehnenden Haltung gegenüber Muslimen ab.      

Gedankenspiele über die Ressortverteilung in einer Jamaika-Koalition

Welche Posten Grünen-Politiker abgesehen von Claudia Roth künftig übernehmen werden, bleibt derweil mindestens bis zum Ende der Sondierungsgespräche offen. Sollten die scheitern, könnte schneller als erwartet die neue Fraktionsspitze gewählt werden. Erst werde über Inhalte gesprochen, dann über Personalien, lautet auch die von Hofreiter bevorzugte Sprachregelung. Dass die Grünen im Falle einer Regierungsbeteiligung das Umweltressort für sich beanspruchen, gilt als ausgemacht. Auch das Außenministerium käme infrage, wenn die FDP das Finanzministerium übernehmen sollte.

Grünen-Chef Cem Özdemir vergleicht Gespräche mit CDU/CSU und FDP mit dem Bau eines FußballstadionsBild: imago/A. Schmidhuber

Wahrscheinlich werden die Grünen in den kommenden Wochen häufiger an einen Ausspruch ihres Parteichefs Cem Özdemir auf dem kleinen Parteitag kurz nach der Bundestagswahl denken: Wenn die Grünen mit CDU/CSU und FDP verhandelten, dann sei das in etwa so schwierig, als ob Borussia Dortmund und Schalke 04 gemeinsam ein Fußballstadion bauen wollten. Eine größere Rivalität zwischen zwei Vereinen ist in Deutschland schwer vorstellbar.

Was Fußball mit Koalitionsverhandlungen zu tun hat

Der geschäftsführende Grünen-Fraktionsvorsitzende Hofreiter zieht als Münchener aber wohl lieber einen Vergleich zwischen dem FC Bayern und 1860 München. Den beiden bekanntesten Vereinen seiner Geburtsstadt ist es zu Beginn des Jahrtausends gelungen, beim Bau einer gemeinsam genutzten Fußball-Arena an einem Strang zu ziehen. Ein gutes Omen für die Sondierungsgespräche? Wer weiß, denn seit Beginn dieser Saison sind die im Schatten des großen FC Bayern stehenden 1860er nur noch viertklassig und müssen wieder im alten Stadion an der Grünwalder Straße spielen…         

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