Robert Habeck: Vizekanzler und Spitzenkandidat der Grünen
20. Februar 2025
Noch nie in der Geschichte der Grünen, eigentlich einer streitbaren Programmpartei ohne viel Sinn für Personenkult, stand ein Mensch so im Mittelpunkt einer Wahlkampagne: Für die Neuwahl des Bundestages am 23. Februar 2025 bewirbt sich Robert Habeck als Kanzlerkandidat, gewählt wurde er auf einem Parteitag Mitte November in Wiesbaden mit 96 Prozent der Stimmen.
Drei extrem aufreibende Jahre
Habeck hat drei aufreibende Jahre hinter sich als Teil einer Bundesregierung, die am Ende im Streit zerbrach. Aber er ist wild entschlossen weiterzumachen, an der Macht zu bleiben. Auch wenn seine Partei gerade nur zwischen 12 und 14 Prozent in den Umfragen liegt. Und ihm aus den sozialen Medien Unverständnis und Hass entgegenschlägt. Nach Ansicht vieler Deutscher überforderten Habeck und seine Grünen die Menschen in schwierigen Zeiten mit ihren ehrgeizigen Plänen zum Klimaschutz und zur Energiewende.
Habeck sagte der DW dazu schon im März 2022: "Das war mir immer klar: Dass ich Entscheidungen treffen werde, die nicht populär sind, die schwierig sind, die den Menschen etwas zumuten. Die vielleicht nicht mehrheitsfähig sind, aber trotzdem getroffen werden müssen, weil sie langfristig für das Land die richtigen Entscheidungen sind."
Habeck, der im September 55 Jahre alt geworden ist, kann durchaus als Quereinsteiger in die Politik bezeichnet werden. Erst vor 20 Jahren, mit Mitte 30, engagierte er sich erstmals bei den Grünen, als Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein. Später, von 2012 bis 2018, war er Umweltminister des nördlichsten deutschen Bundeslandes. Davor schrieb Habeck zusammen mit seiner Frau Andrea Paluch Kinderbücher und Krimis. Im ARD-Fernsehen etwa lief im April 2024 der Krimi "Die Flut - Tod am Deich", der auf einem Roman Habecks und seiner Frau basiert.
Wahlerfolge als Parteichef
Von Januar 2018 bis zur Bundestagswahl 2021 war Habeck dann zusammen mit Annalena Baerbock, der späteren Außenministerin, Parteivorsitzender der Grünen. Es war eine erfolgreiche Zeit für die Grünen, vor allem bei der Europawahl im Mai 2019 mit 20,5 Prozent der Stimmen. 2021 folgte nach der Bundestagswahl der Eintritt in die Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und wirtschaftsnaher FDP, nach den Parteifarben schlicht Ampel genannt.
Start als Reformkoalition - dann kam der Krieg
Die drei Parteien planten vor allem gesellschaftliche Reformen, und Habeck wollte als Vizekanzler und Minister für Wirtschaft und Klimaschutz den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft voranbringen. Aber schon bald stand die gesamte Politik unter anderen Vorzeichen: Im Frühjahr 2022 überfiel Russland die Ukraine, im Rekord-Tempo musste sich Deutschland von billigen Öl-und Gasimporten aus Russland verabschieden.
Die lange geplante Gaspipeline "Nord Stream 2" von Russland nach Deutschland wurde nicht mehr realisiert. Habeck suchte weltweit nach neuen Gas-Lieferanten, im Emirat Katar etwa. Dort, in Doha, berichtete er der DW, auf welch große Vorbehalte er dabei stieß: "Natürlich ist hier allen klar, dass Deutschland hart gegen Russland vorgehen will, dass wir Nord Stream 2 nicht in Betrieb nehmen und dass wir den Klimaschutz hoch ansetzen. Aber der Blick hier ist: Ihr lasst uns hängen, wenn Rebellen, die aus unserer Sicht Terroristen sind, uns beschießen. Und ihr kommt immer nur zu uns, wenn wir euch helfen sollen, so wurde mir das hier sehr unverblümt gesagt."
Der Erklärer der Krisenzeit
Habecks Politik kam zu dieser Zeit auch wegen solcher klaren Sätze lange gut an. Er erklärte den Bürgern in vielen Interviews die komplett neue Lage seit dem Kriegsbeginn. Er gestand ein, auch nicht auf alles vorbereitet zu sein und bereitete die Menschen auf steigende Preise und viele Unsicherheiten vor. Immer wieder warb er für neue Energiequellen, für den Ausbau von erneuerbaren Energien, und nannte stets den Grund für die rasante Änderung fast aller politischen Grundlagen in Deutschland.
So sagte er im Februar 2023: "Den Krieg hat Putin begonnen, und die Unabhängigkeit von den Lieferungen aus Russland bedeutet eben auch, dass Putin nicht mehr die Einnahmen hat. Dass wir als Gesellschaft dafür einen Preis zahlen, ist unstrittig. Hohe Inflation, hohe Energiepreise. Und es gibt viele Ängste und Sorgen, die damit verbunden sind."
Die Wende: Das Heizungsgesetz
Aber dann kam das Heizungsgesetz, der Versuch, die Wärmeversorgung der Gebäude im Land, die größtenteils auf preiswertem Gas basierte, auf neue Wärmepumpen umzustellen. Das Gesetz war hektisch formuliert worden, die staatliche Unterstützung für den Kauf der teuren Anlagen blieb unklar. Und die Pumpen, so stellte sich heraus, waren auf dem Markt in großer Stückzahl so schnell nicht vorhanden. Habecks Ansehen sank, er wurde zum Buhmann vieler Bürgerinnen und Bürger, die in ihm einen abgehobenen Öko-Fanatiker aus der Großstadt sahen. Da half es wenig, dass der Umstieg auf nachhaltige Wärme ein Vorhaben war, dass alle drei Parteien zu Beginn der Koalition formuliert hatten. Habecks Beliebtheit pendelte sich im Herbst bei rund 20 Prozent ein.
Gegen Ende fehlte der Regierung das Geld
Schließlich untersagte das Bundesverfassungsgericht der Regierung vor einem Jahr, satte 60 Milliarden Euro, die die Koalition für den Klimaschutz eingeplant hatte, aus nicht genutzten Unterstützungsgeldern aus der Corona-Zeit aufzubringen. Seitdem fehlte der Regierung für viele Pläne schlicht das Geld. Immer öfter zerstritten sich die drei Partner, auch Habecks Image litt weiter darunter.
Zudem wurden zuletzt drohende Massenentlassungen in der Industrie und schwache Wachstumsraten auch ihm, dem Wirtschaftsminister, angelastet. Schließlich, nach der Entlassung von Finanzminister Christian Lindner und dem Ausscheiden der FDP aus der Koalition Anfang November, fand sich der grüne Vizekanzler zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Minderheitsregierung wieder, und für Februar 2025 wurden Neuwahlen angesetzt.
Wenige Tage nach dem Bruch ließ Habeck die DW kurz in seine Gemütslage schauen: "Das ist wirklich ärgerlich: Wenn man die Geschichte der Ampel nimmt, dann würde ich sagen: Wir sind gestartet als gesellschaftliches Reformprojekt: Staatsbürgerschaft, Zuwanderung. Dass wir bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik große Gegensätze hatten, war uns immer klar. Dann kam der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Und die Frage, wie wir das Land stabil halten, ist sehr schnell überwältigend geworden. Aber es ist auch historisch sehr ärgerlich, dass diese Ampelkoalition so einen schlechten Ruf hatte und gescheitert ist."
Offen für neue Regierungs-Bündnisse
Und jetzt? Wird Habeck jetzt wieder Schriftsteller? Schwer vorstellbar. Er und seine Grünen halten sich offen für neue Koalitionen, wenn es sein muss, auch mit den Konservativen von CDU und CSU. Habecks Karriere, so findet er, soll nicht enden mit dem eher kläglichen Ende der Ampel-Koalition.
Dieser Artikel wurde ursprünglich am 21.1.2025 veröffentlicht und kurz vor der Bundestagswahl 2025 aktualisiert.