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Politik

Die große Koalition rettet sich - vorerst

24. September 2018

Verfassungsschutz-Chef Maaßen wird nun doch nicht (weg-)befördert, sondern (nur) Sonderberater im Innenministerium. Union und SPD hoffen, dass die Diskussion damit beendet ist. Ob das klappt? Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Angela Merkel und Horst Seehofer
Bild: picture-alliance/dpa/F. Sommer

Am Ende ging alles ganz schnell. Nur eine halbe Stunde dauerte das nunmehr dritte Krisentreffen innerhalb von zehn Tagen zwischen den drei Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD im Kanzleramt. Was Angela Merkel, Horst Seehofer und Andrea Nahles dort am Sonntagabend persönlich absegneten, war in vielen Telefonaten hinter den Kulissen bereits bis ins Detail abgestimmt. Denn Seehofer hatte öffentlich erklärt, er werde sich erst wieder mit Merkel und Nahles treffen, wenn im Streit um eine Ablösung von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen eine tragfähige Lösung gefunden sei.

Die Hürden dafür hatte Seehofer allerdings hoch gelegt. Maaßen sei "ein hoch kompetenter und integrer Mitarbeiter", er habe kein Dienstvergehen begangen, gab der Bundesinnenminister am Samstag in einem Interview zu Protokoll. Deshalb sei es ihm "unerklärlich, warum die SPD eine Kampagne gegen Herrn Maaßen führt". Er, Seehofer, entlasse keine Mitarbeiter, "weil die politische und öffentliche Stimmung gegen sie ist".

Wird nun "Sonderberater": Hans-Georg MaaßenBild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Keine Beförderung, kein höheres Gehalt

Hatte der CSU-Chef befürchtet, dass die SPD am Ende doch noch darauf bestehen würde, den 55-Jährigen nicht weiter zu beschäftigen und in den vorläufigen Ruhestand zu versetzen? So weit kam es nicht. "Der jetzige Präsident des Bundesverfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen wird zukünftig als Sonderberater beim Bundesminister des Inneren im Range eines Abteilungsleiters - Besoldungsstufe B9 - tätig und dort für europäische und internationale Angelegenheiten zuständig sein", so formulierte Seehofer nach dem Treffen im Kanzleramt. Zudem wird der SPD-Staatssekretär, der eigentlich für Maaßen den Platz räumen sollte, nun im Innenministerium bleiben dürfen.

Normalerweise wird die Gehaltsgruppe bei einer solchen Personalie nicht bekanntgegeben. Aber normal ist in der "Causa Maaßen" schon lange nichts mehr. Die zentrale Botschaft, die Seehofer transportieren wollte, lautet: Maaßen wird als Chef des Verfassungsschutzes zwar abgelöst, aber er wird weder befördert noch bekommt er in Zukunft mehr Geld. Und mit Geheimdiensten wird er inhaltlich auch nicht weiter befasst, sondern er soll mit anderen Ländern Rücknahmeabkommen für Flüchtlinge aushandeln.

Verkündete den neuen Kompromiss: Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst SeehoferBild: Reuters/F. Bensch

Nach der Havarie gilt Plan B

Im Vergleich mit dem am vergangenen Dienstag gefassten Beschluss, Maaßen zum Staatssekretär im Bundesinnenministerium zu machen und den Beamten damit de facto zu befördern, ist das eine klare Kehrtwende. So etwas ist selten in der Politik. Es zeigt, wie dramatisch sich die Lage für die SPD, aber auch für die große Koalition insgesamt zugespitzt hatte.

Seehofer, Nahles aber auch Merkel stehen unter massivem Druck. Trennen können sie sich nicht, denn Neuwahlen würden angesichts erschreckender Umfragewerte auf ein Desaster zulaufen. Doch für gemeinsame Erfolge sind sie zu uneins. Die Kanzlerin vermied es in der Affäre Maaßen, sich exakt zu positionieren. Merkel wirkte kraftlos, schien dem Streit zwischen Seehofer und Nahles lediglich zuzuschauen. Wohl auch, weil der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen ihr und Seehofer nicht ausgetragen ist.

Hofft, dass die Parteibasis mit der Einigung leben kann: die SPD-Vorsitzende Andrea NahlesBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Auch der CSU-Chef ist angezählt

Drei Wochen vor der Landtagswahl in Bayern dümpelt die CSU bei rund 35 Prozent herum. Für die bislang mit absoluter Mehrheit regierenden Christsozialen kommt das einer politischen Katastrophe gleich. Die rechtspopulistische AfD liegt in Bayern Umfragen zufolge bei rund zehn Prozent. In der CSU fürchtete man, dass eine Entlassung von Maaßen die AfD weiter gestärkt hätte. Erst recht, weil Seehofer sich so lange und so klar hinter seinen Spitzenbeamten gestellt hatte, dass ein Abrücken als Schwäche ausgelegt worden wäre.

Für SPD-Chefin Nahles ist die Lage noch schwieriger. Mit der Ankündigung, Maaßen müsse abgelöst werden, hatte sie sich weit aus dem Fenster gelehnt. Zumal schnell klar war, dass sie bei der CSU auf Granit beißen würde. Als sich Nahles daraufhin am vergangenen Dienstag darauf einließ, Maaßen ins Innenministerium zu befördern, löste das in ihrer Partei, aber auch in der Bevölkerung fassungsloses Staunen und eine Welle der Empörung aus.

"Wir haben einen Fehler gemacht"

Innerhalb von nur drei Tagen geriet die SPD-Vorsitzende dermaßen unter Druck, dass sie sowohl um ihre eigene Machtposition fürchten musste, als auch um den Fortbestand der großen Koalition. Nahles ergriff daraufhin die Flucht nach vorne und bat Seehofer und Merkel am Freitag in einem Brief darum, die "Causa Maaßen" noch einmal aufzurollen. "Wir haben einen Fehler gemacht", sagte sie. Eine für Spitzenpolitiker durchaus ungewöhnliche Formulierung.

Ob der Fehler nun ausgeräumt ist, bleibt allerdings abzuwarten. Denn es ist wieder nur ein Kompromiss, für den beide Seiten, also Nahles und Seehofer, Kröten schlucken müssen. Der CSU-Chef, weil Maaßen nun doch nicht, wie von ihm gewollt, Staatssekretär wird. Nahles und die SPD deswegen, weil Maaßen nun doch an verantwortlicher Stelle an der Seite Seehofers weiterarbeiten darf. An diesem Montag muss Andrea Nahles diesen Kompromiss zunächst dem SPD-Präsidium und dem 45-köpfigen Parteivorstand und am Nachmittag ihrer Bundestagsfraktion verkaufen.

Berlin, Kanzleramt: Das Spitzentreffen am Sonntagabend dauerte nicht langeBild: Reuters/F. Bensch

Flügelkampf in der SPD

Dort haben sich die Gegner der von Anfang an ungeliebten großen Koalition inzwischen in Stellung gebracht. Vor allem der linke Flügel der SPD versucht, den Skandal zu nutzen, um das Regierungsbündnis zu sprengen. Ob ihnen der nun verkündete Kompromiss reicht? Das darf bezweifelt werden. Zumal in den letzten Tagen auch immer häufiger das Karriereende von Innenminister Seehofer gefordert wurde. Von daher könnte sich Andrea Nahles Appell, nun schnell wieder zur politischen Sacharbeit zurückzukehren, als trügerische Hoffnung erweisen.

Andererseits wird die Parteispitze alles daran setzen, Ruhe einkehren zu lassen. "Die unselige Personalfrage ist jetzt so gelöst worden, wie wir das eingefordert haben", sagte SPD-Vize Ralf Stegner. "Jetzt muss der Koalitionsvertrag eins zu eins umgesetzt werden." Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Parteivize Manuela Schwesig, erklärte: "Das ist eine vernünftige Lösung, die der berechtigten Kritik der Öffentlichkeit gerecht wird."

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