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Politik

Die GroKo ​vor der Zerreißprobe

3. Juni 2019

Was wird nach dem Rücktritt von SPD-Chefin Andrea Nahles aus der Regierung Merkel? Diese Frage steht nun im Raum. Während sich die SPD noch sortiert, wappnet sich die Union. Sabine Kinkartz, Berlin.

Deutschland Karneval Rosenmontagszug in Mainz
Bild: picture-alliance/dpa/A. Arnold

Andrea Nahles' endgültiger Abgang war am Morgen nur noch eine Randnotiz: Kurz nachdem der 45-köpfige SPD-Vorstand mit seiner Sitzung begonnen hatte, verließ die zurückgetretene SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende das Willy-Brandt-Haus, richtete noch kurz ein paar gefasste Worte des Abschieds an die wartenden Journalisten, stieg ins Auto und fuhr davon.

Bereits 20 Minuten zuvor hatte die Meldung die Runde gemacht, dass die SPD ab sofort von drei erfahrenen Parteigrößen kommissarisch geführt werden soll: den Ministerpräsidentinnen von Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz, Manuela Schwesig und Malu Dreyer, sowie dem hessischen SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel. Fünf Stunden lang beriet sich das neue Führungstrio anschließend mit den Genossen im Vorstand.

Nur kein Chaos

Besonnen, ruhig und professionell, so will sich die SPD-Führung präsentieren. Zeigen, dass sie trotz des politischen Trümmerhaufens, den die zurückliegenden Wahlen und der überraschende Rücktritt von Andrea Nahles hinterlassen haben, die Lage im Griff hat. Niemand müsse sich Sorgen machen, dass die SPD nicht genug Stärke habe, die Aufgaben für das Land zu übernehmen, betonte Manuela Schwesig nach der Vorstandssitzung. "Die SPD hat immer bewiesen, egal wie schwierig es im eigenen Laden war, dass auf uns Verlass ist."

Zusammenhalten wie "die drei Musketiere" getreu dem Motto "Einer für alle, alle für einen", will Thorsten Schäfer-GümbelBild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Was aber nicht automatisch heißt, dass die SPD in der großen Koalition mit CDU und CSU weiterregieren wird. Darüber soll erst in drei Wochen gesprochen werden. Laut Koalitionsvertrag wollten Union und SPD ursprünglich nach der Hälfte ihrer gemeinsamen Regierungszeit Bilanz ziehen und entscheiden, ob sie bis zum Ende der Wahlperiode zusammenbleiben wollen. Diese Halbzeitbilanz hatte die SPD auf einen Bundesparteitag im Dezember terminiert.

Entscheidung im Herbst?

Nun soll am 24. Juni auf einer Vorstandssitzung entschieden werden, wie die SPD inhaltlich und strategisch weiter vorgehen will. Soll es einen vorgezogenen Parteitag geben, auf dem zum einen ein neuer Vorsitzender oder eine neue Vorsitzende, oder eventuell auch eine Doppelsitze gewählt wird? Ein solches Duo haben die Grünen und die Linkspartei. Ein Parteitag braucht drei Monate Vorlauf, könnte dann also frühestens Ende September stattfinden.

Am 24. Juni warten noch weitere Fragen: Soll die Halbzeitbilanz ebenfalls vorgezogen werden? Wer soll über die neue Parteispitze entscheiden und darüber, ob die SPD in der Koalition weitermacht oder nicht? Alle Parteimitglieder in einer Urwahl oder die Delegierten auf einem Parteitag? Wie geht es mit der inhaltlichen Neuausrichtung der SPD weiter? "Wir laden ausdrücklich die Partei mit allen ihren Gliederungen ein, sich an der Frage zu beteiligen, wie wir das Verfahren gestalten können", sagte Malu Dreyer in der SPD-Zentrale.

Die CDU hält die Luft an

Den 24. Juni wird man sich in der rund drei Kilometer entfernten CDU-Zentrale bereits im Kalender angekreuzt haben. Sie hoffe, dass die SPD Entscheidungen treffe, die das Weiterregieren möglich machten, sagte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer nach der Vorstandssitzung ihrer Partei. "Es gibt gute Gründe dafür, nicht leichtfertig eine Regierung zu beenden."

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nach der Klausurtagung des CDU-BundesvorstandsBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Angesichts der internationalen Herausforderungen wäre es "alles andere als förderlich, wenn Deutschland jetzt in eine Regierungskrise oder in einen Dauerwahlkampf gehen würde", so AKK, wie Kramp-Karrenbauer auch genannt wird. Deutschland müsse handlungsfähig bleiben. Allerdings sei ihre Partei gewappnet. "Für alles, was möglicherweise kommt oder nicht kommt, können Sie davon ausgehen, dass die CDU vorbereitet ist."

AKK muss punkten

So ganz ungelegen dürften der CDU-Vorsitzenden die Turbulenzen in der SPD allerdings nicht kommen. Lenken sie doch von den eigenen Fehlern und Schwierigkeiten ab, mit denen sich Kramp-Karrenbauer seit Wochen herumschlagen muss. Ihre Beliebtheitswerte sind deutlich gefallen, wohl auch, weil die Machtverhältnisse zwischen ihr und Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht geklärt sind. Die überlässt AKK zwar die Parteiarbeit komplett, schwebt aber wie ein Schatten über allem. Dass Merkels Beliebtheitswerte zuletzt wieder gestiegen sind, macht es für ihre Nachfolgerin auf dem CDU-Chefsessel auch nicht einfacher.

Mit einer inhaltlichen Offensive will Kramp-Karrenbauer nun punkten. Auf der Vorstandsklausur verständigte sich die CDU auf einen Sieben-Punkte-Plan: Klimaschutz, Digitalisierung, Technologie, Innovation, Zukunft der Mobilität, Wohlstand und gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land sind die Schlagworte. Man habe die Botschaft der Menschen bei der Europawahl verstanden, so AKK, und wolle sich deswegen noch stärker als bisher an der Gestaltung der Zukunft orientieren.

Niemand will Neuwahlen

CDU und SPD eint, dass keine Partei ein Interesse an vorgezogenen Bundestagswahlen hat. Weder personell noch inhaltlich wären sie gut vorbereitet. Bei den Europawahlen am 26. Mai fuhren die Sozialdemokraten mit nur 15,5 Prozent ein geradezu desaströses Ergebnis ein. In Umfragen sind sie seitdem noch weiter abgesackt. Auch die CDU hat verloren. Ihnen sitzen die Grünen im Nacken, welche die SPD bereits auf Platz drei verwiesen haben.

Und so torkeln CDU und SPD - jede Partei auf ihre Weise angeschlagen - in den Sommer. Ob es in Deutschland eine heißen Herbst geben wird, bleibt noch abzuwarten. Und was sagt die CSU, die kleinste der drei Koalitionspartner, dazu? CSU-Chef Markus Söder hofft zwar auch darauf, dass die GroKo hält, aber "Warten bis 2021" reiche als Projekt nicht aus. "Das Motiv darf eben nicht sein: Man regiert, weil man Angst hat, sich dem Wähler zu stellen."

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