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Kunst

Die höllischen Fantasien des Hieronymus Bosch

Sabine Oelze8. August 2016

Ketzer? Karikaturist? Auf jeden Fall ein großartiger Künstler. Hieronymus Bosch starb am 9. August vor 500 Jahren. Seine Werke kann man derzeit in einer Ausstellung im Prado in Madrid bewundern.

Ausstellung "Hieronymus Bosch: Visionen eines Genies Der Heuwagen (Ausschnitt)
Bild: DW/S. Oelze

Hieronymus Bosch muss von seinen Zeitgenossen nicht viel gehalten haben. In seinen Malereien und Zeichnungen kommen sie jedenfalls nie gut weg. Im Gegenteil: Sie tun sich fieseste Dinge an - durchbohren sich mit Speeren, malträtieren sich mit Ambossen, zermalmen andere mit einem Mühlrad. Manche der Wesen, die Boschs Werke bevölkern, könnten J.R.R. Tolkien als Vorlage für seinen "Herr der Ringe" gedient haben: etwa das vierfüßige Mensch-Vogel-Monster in dem Werk "Das Jüngste Gericht", das Hieronymus Bosch 1530 – 1540 gemalt hat. Oder der Fledermaus-Mensch mit seinen gespenstischen Barthaaren, den Bosch für "Der Sturz der Verdammten" und "Der Fluss zur Hölle" (1505-1516) erfand und der beim Betrachter auch heute noch eine Mischung aus Schauer und Schaulust verursacht.

Mit einer Lupe lassen sich Hieronymus Boschs Werke am besten entschlüsseln

Eigentlich bräuchte man eine Lupe, um jede Einzelheit in den Gemälden von Hieronymus Bosch in Groß genießen zu können. Jedes noch so kleine Detail beinhaltet ein noch kleineres Detail - wie in der Zeichnung "Mann in einem Tragekorb". Zu sehen ist ein Mann, der in einem kokonartigen Gebilde feststeckt, von oben drischt ein anderer mit einer Laute auf ihn ein, aus seinem Hintern flattern Vögel. Voller Witz nimmt Hieronymus Bosch die Ängste der Menschen des Mittelalters aufs Korn. Heutzutage mögen die Symbole nicht mehr so leicht zu entschlüsseln sein, aber den Zeitgenossen von Bosch konnten die tiefere Bedeutung von Schwänen, Trichtern, Fröschen oder Saufgelagen durchaus dechiffrieren.

Die verrückte Welt des Mittelalters

Versuchte Bosch der unerträglichen Realität des Mittelalters zu entfliehen? Ja und nein. Er malte und zeigte damit seinen Zeitgenossen einen Fluchtweg auf: sich für den Glauben, also für Gott zu entscheiden. Über dem Heuwagen-Triptychon schwebt auf einer Wolke Jesus, während unter ihm Reiche und Arme um den größten Batzen Heu kämpfen, als wäre es Gold. Das Werk ist – wie viele andere von Boschs Gemälden auch – inspiriert von einem flämischen Sprichwort: "Das Leben ist ein Heuhaufen; jeder versucht, so viel wie möglich davon abzubekommen." Links ist der Paradiesgarten zu sehen, rechts die Hölle mit all ihren Verdammten, Zwitterwesen und Teufeln. Was aus seinem Leben zu machen, obliegt jedem selbst, scheint Hieronymus Bosch seinen Zeitgenossen sagen zu wollen. Doch die haben sich wohl nicht dafür interessiert. Stattdessen streiten sie lieber um Kleinigkeiten. Es fiel Bosch leicht, die Menschen seiner Zeit zu verspotten, indem er sich immer auch ein bisschen dümmlich wirken lässt. In seinen Malereien reagieren sie auf Gefahr und Schmerzen so gleichmütig, als wären sie selbst nur Zuschauer in ihrer Welt. Es herrscht ein frivoler Egoismus. Genauso scheint es Hieronymus Bosch im ausgehenden Mittelalter erlebt zu haben.

Ein Leben lang in Herzogenbosch

Einen großen Radius hatte der Künstler nicht. Viel ist über sein Leben nicht bekannt: Doch soviel wissen wir: seinen Geburtsort Herzogenbosch hat er nie verlassen.

Ein Porträt des MeistersBild: picture alliance/Heritage Images


Hieronymus Bosch wurde als Jheronimus van Aken, um 1450 in 's-Hertogenbosch nahe Utrecht geboren und verstarb dort im August 1516. Ab wann er den Beruf des Malers ausübt, ist nicht bekannt. Seine Unterschrift setzte er erstmals 1487/88 unter ein Bild: "Johannes auf Patmos" ist Teil eines Altarflügels in der Kapelle der Liebfrauenbruderschaft in der imposanten Kirche Sint-Jans in 's-Hertogenbosch. Auch das wissen wir: Hieronymus Bosch entstammte einer Malerdynastie, den van Akens, und er wurde zu Lebzeiten schon gefeiert. Das erklärt, warum er Mitglied der Bruderschaft "Unserer lieben Frau" werden durfte – eigentlich ein Privileg für Adelsangehörige.

Forschungsprojekt entdeckte "neuen" Bosch

500 Jahre nach seinem Tod 1516 faszinieren Boschs Bildwelten immer noch. Was er gemalt hat, gibt genauso Rätsel auf wie die Frage: Stammen wirklich alle Bilder von Boschs Hand? Ein wissenschaftliches Forschungsprojekt hat sich sieben Jahre lang um die Restaurierung und Zuordnung der Werke gekümmert. Dabei entdeckten sie, dass das Bild "Die Versuchung des heiligen Antonius", das in den USA im Museum hängt, wirklich Bosch zuzuordnen ist – und nicht, wie ursprünglich vermutet, nur aus seiner Werkstatt stammt. Einer der Initiatoren, der kanadische Kunsthistoriker Ron Spronk, schwärmt von dem "kreativen Prozess" des Künstlers, der kontinuierlich mit Übermalungen gearbeitet habe, um sich zu verbessern. Manchmal hat er aber auch einfach nur zahlungsunfähige Auftraggeber wieder aus einem Gemälde entfernt. Die Versuchung des heiligen Antonius" ist eins von 20 Gemälden auf Holztafeln, die aus Museen der ganzen Welt für die Ausstellung zunächst nach 's-Hertogenbosch und jetzt nach Madrid geholt worden sind. Insgesamt gibt es 25. Hinzu kommt ein Oeuvre von 20 Zeichnungen, die so fantasievoll, absurd und detailreich sind, dass sie genauso viel Stoff zum Schmunzeln und Staunen bieten wie seine Gemälde.

Abgründe der Psyche

Auch die Zeichnungen des Künstlers sind fantasievoll, absurd und detailreich, so dass sie genauso viel Stoff zum Schmunzeln und Staunen bieten wie seine Gemälde. Da wäre die Eule, Boschs Lieblingstier, die in einem Baum sitzt. Der Wald dahinter hat Ohren, das Feld besitzt Augen. Surrealer konnte auch Salvador Dalí die Welt nicht darstellen. Es ist, als ob Hieronymus Bosch die Welt des Unterbewusstseins und der Träume schon lange vor der Entdeckung der Psychoanalyse zum Ausdruck gebracht hätte.

Passion ChristiBild: Rik Klein Gotink/ Robert G. Erdmann for the Bosch Research and Conservation Project

Bosch betrieb als Künstler eine der wichtigsten Aufgaben seines Berufstands: der Welt einen Spiegel vorzuhalten. Im Frühjahr 2016 waren die Werke für die Ausstellung "Hieronymus Bosch: Visionen eines Genies" heimgekommen an den Ort, an dem sie vor mehr als 500 Jahren entstanden. Die Stadt 's-Hertogenbosch feiert den Künstler ein ganzes Jahr. Das Nordbrabant Museum stellte die Werke des großen Visionärs aus dem Mittelalter bis Mitte Mai aus. Bis zum 25. September ist die Ausstellung im Prado in Madrid zu sehen.

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