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Die Hürden für attraktive Elektromobilität

Neil King | Natalie Muller
23. Juni 2021

Um seine Klimaziele zu erreichen, will Deutschland zehn Millionen E-Autos bis 2030 auf die Straße bringen. Aber nicht nur hohe Preise für Elektro-Modelle und geringe Reichweiten schrecken Umstiegswillige ab.

BdT  Morgensonne wirft lange Schatten
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Als Teil ihres Plans, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, will die Bundesregierung Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren - einem Hauptverursacher von Treibhausgasen - ausmustern und durch emissionsärmere Alternativen wie Elektroautos ersetzen. Ihr Ziel ist es, bis 2030 sieben bis zehn Millionen batteriebetriebene Elektroautos auf die Straße zu bringen - das wären zwanzigmal so viele E-Autos wie heute.

Der Anteil von Elektrofahrzeugen an den 48,2 Millionen in Deutschland zugelassenen Pkw beträgt aktuell gerade einmal 1,2 Prozent. Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes fahren insgesamt etwa zwei Drittel mit Benzin und rund 30 Prozent mit Diesel. Nach Angaben der Berliner Umweltorganisation Agora Verkehrswende müsste Deutschland sogar noch ehrgeiziger sein und 14 Millionen Elektroautos bis 2030 auf die Straße bringen, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen.

"Das ist ein enormer Zuwachs und es braucht auch einen enormen Zuwachs an Ladestationen", sagt Kerstin Meyer, Leiterin des Verkehrsteams der Denkfabrik, im Gespräch mit der DW.

Was sind die größten Hürden für Autofahrer?

Die fehlende Ladeinfrastruktur ist nur ein Grund, warum die Deutschen zögern, ihr Diesel- oder Benzinauto gegen ein Elektroauto zu tauschen. Eine YouGov-Umfrage unter 2036 Personen ergab im Februar, dass 50 Prozent der Befragten sich vor allem an geringen Reichweiten stören, gefolgt von zu wenigen Ladestationen (38 Prozent) oder am Umweltnutzen zweifeln (35 Prozent). Über 54 Prozent der Befragten wurden durch den hohen Preis von E-Autos abgeschreckt.

Und selbst wenn die Probleme mit dem Preis, der Reichweite und der Ladeinfrastruktur gelöst wären, würde ein Drittel der Befragten immer noch kein Elektroauto kaufen.

In einer anderen Umfrage unter 10.000 Autofahrern, die ebenfalls im Februar veröffentlicht und vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) in Auftrag gegeben wurde, gaben 39 Prozent an, dass sie unter keinen Umständen ein Elektroauto als nächstes Fahrzeug kaufen würden. Die übrigen legten Wert auf bessere Reichweite (38 Prozent), niedrigere Preise (36 Prozent) und mehr öffentliche Ladestationen (31,5 Prozent).

2020 hat sich die Zahl der Zulassungen neuer Elektroautos in Deutschland auf 194.200 verdreifachtBild: Hendrik Schmidt/dpa/picture alliance

Wieviel kosten E-Autos?

Elektroautos sind in der Regel teurer als ihre Diesel- oder Benzin-Pendants. Die meisten Modelle werden in Deutschland derzeit für mindestens 30.000 Euro verkauft. Das liegt vor allem an den Herstellungskosten für die Batterie, die den Gesamtpreis um 5000 bis 10.000 Euro in die Höhe treiben kann.

Doch die Batteriepreise sinken. Zwischen 2010 und 2016 wurden Batterien nach Angaben von McKinsey um 80 Prozent günstiger. Und wenn künftig immer mehr Elektroautos unterwegs sind, werden Batterien voraussichtlich noch erschwinglicher. Die Bundesregierung ist sich der höheren Preise für E-Autos bewusst und versucht deshalb, die Elektromobilität zu fördern, indem sie Kunden, die bis 2025 neue Elektroautos kaufen, eine Kaufprämie von 9000 Euro zurückerstattet. Gleichzeitig müssen Fahrer von Benzin- und Dieselmodellen nach der Einführung der CO2-Steuer im Januar 2021 an der Zapfsäule 0,07 bis 0,08 Euro zusätzlich bezahlen.

Während diese Mischung aus Anreizen und Steuern den noch jungen E-Auto-Trend fördert, könnten nach Einschätzung von Kerstin Meyer mehr Stromer einen Käufer finden, wenn mehr gebrauchte E-Autos - viele davon ehemalige Firmenwagen - zu erschwinglichen Preisen auf den Markt kommen. "Wenn die auf den Markt kommen, sind es oft Privatkunden, die diese jungen Gebrauchtwagen kaufen. Und das wird wahrscheinlich ein Gamechanger sein", unterstreicht sie.

2021 führte Deutschland eine CO2-Steuer von 25 Euro pro Tonne ein, die bis 2025 auf 55 Euro ansteigen sollBild: Fotolia/Jürgen Fälchle

Angst, mit leerer Batterie liegen zu bleiben

Die Bundesregierung hofft außerdem, die Bedenken potenzieller E-Autofahrer zu zerstreuen, die lange Strecken zurücklegen wollen, indem sie ein flächendeckendes Netz von Schnellladestationen entlang der Autobahnen aufbaut, die E-Auto-Batterien in 30 Minuten auf 80 bis 100 Prozent aufladen können.

Wie weit ein Elektroauto mit einer einzigen Ladung fahren kann, hängt aber natürlich vom Modell und seiner Batterie ab. Aber die meisten Modelle verfügen mittlerweile über eine Reichweite von 200 bis 500 Kilometer. Die von den Autoherstellern angegebene Reichweite ist allerdings oft höher als unter realen Fahrbedingungen. Vor allem im Winter führen kältere Temperaturen bei Batterien zu einem Reichweitenverlust von bis zu 30 Prozent.

"Reichweitenangst ist natürlich eine der Hauptsorgen der Kunden", bestätigt Ralf Pfitzner, Leiter Nachhaltigkeit bei Deutschlands größtem Autobauer Volkswagen, der DW. "Aber wenn man die normalen Nutzungsmuster oder Gewohnheiten nimmt, braucht man selten die volle Reichweite der Batterie."

Kerstin Meyer von Agora Verkehrswende glaubt nicht, dass die Reichweite in ein oder zwei Jahren noch ein Thema sein wird, weil E-Auto-Batterien immer leistungsfähiger werden.

Ausbau der Ladeinfrastruktur

Die Reichweitenangst potenzieller E-Auto-Fahrer wäre nicht so groß, wenn es so viele Ladestationen gäbe wie Tankstellen. "Das größte Hindernis ist derzeit der Aufbau einer entsprechenden Ladeinfrastruktur", sagt Pfitzner. "Da investieren wir selbst kräftig. Es muss auch eine Voraussetzung in der staatlichen Planung werden, dass wir diese Infrastruktur aufbauen."

Derzeit gibt es deutschlandweit rund 42.000 öffentliche Ladestationen. Aber es müssen noch viel mehr sein, um die Millionen von E-Autos zu versorgen, die im Emissionssenkungs-Plan der Bundesregierung vorgesehen sind.

Der Mangel an Ladestationen auf deutschen Straßen bestärkt Skeptiker in ihrer "Reichweiten-Angst"Bild: Chargery

"Wir müssen uns wirklich beeilen", sagte Meyer. "Wenn Sie wirklich in der Größenordnung von 14 Millionen Elektrofahrzeugen im Jahr 2030 denken, brauchen Sie 10- oder 20-mal so viele Ladepunkte wie jetzt." Ein Grund für den langsamen Fortschritt sei, dass die Planung und Genehmigung von Ladeinfrastruktur ein komplizierter Prozess sei, an dem oft verschiedene lokale Behörden beteiligt seien.

Produzieren E-Autos wirklich weniger CO2?

Ein weiteres Anliegen der deutschen Autofahrer ist die Tatsache, dass die Herstellung von Batterien für Elektroautos ein unglaublich energieintensiver Prozess ist. Bei der Herstellung eines E-Autos entstehen mehr CO2-Emissionen als bei der Produktion eines herkömmlichen Autos. Aber in Europa werden diese höheren Herstellungs-Emissionen im Schnitt innerhalb von zwei Jahren kompensiert, wenn man ein E-Auto fährt. Und über den gesamten Lebenszyklus verursachen Elektroautos in Europa rund dreimal weniger Emissionen als Diesel- oder Benzinfahrzeuge.

"Auch in Deutschland, wo wir einen relativ kohleintensiven Strommix haben, sind [E-Autos] in den meisten Fällen besser als Autos mit Verbrennungsmotor", so Meyer.

Wo viele Straßen sind, gibt es viele Autos und dementsprechende Emissionen Bild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

Allerdings ist der Klimavorteil in Ländern, in denen der Strom zum Laden der Batterien überwiegend aus fossilen Brennstoffen und nicht aus erneuerbaren Energien stammt, geringer. Damit die Elektrifizierung des Automobilsektors auch zu den angestrebten Emissionseinsparungen führt, muss Deutschland auch den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben.

E-Fuel-Debatte: Was ist mit wasserstoffbetriebenen Autos?

Die deutsche Autoindustrie hat betont, dass die Einführung von mehr batteriebetriebenen Autos zwar Priorität hat, aber nicht der einzige Weg zur Senkung von Emissionen sein sollte. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) argumentiert, dass synthetische Kraftstoffe dazu genutzt werden könnten, Autos mit Verbrennungsmotor in Zukunft klimaneutral zu machen.

"Wir werden die Klimaziele nicht erreichen, wenn wir uns nicht auch mit der bestehenden Flotte beschäftigen und möglicherweise auch darüber nachdenken, wie wir fossile Kraftstoffe bei Neufahrzeugen ersetzen können. Und deshalb brauchen wir eine engagierte Strategie für synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff für den gesamten Verkehrssektor", fordert VDA-Chefin Hildegard Müller.

Die Bundesregierung will bis 2035 aus fossilen Verbrennungsmotoren aussteigen, hat aber betont, dass Wasserstoff diese Autos in Zukunft antreiben könnte. Kritiker sagen, die Herstellung von grünem Wasserstoff sei zu energie- und kostenintensiv und es wäre sinnvoller, ihn stattdessen zur Dekarbonisierung schwer elektrifizierbarer Branchen wie Güterverkehr und Luftfahrt einzusetzen. Volkswagen wiederum schließt den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen aus und setzt stattdessen auf batteriebetriebene Elektroautos.

Kerstin Meyer von Agora Verkehrswende ist ebenfalls überzeugt: "Die Zukunft beim Auto wird sehr wahrscheinlich batterieelektrisch sein."

Warum ist das Thema in Deutschland so sensibel?

Die deutsche Automobil-Industrie ist weltberühmt, bekannt für große Marken wie Volkswagen, Audi, BMW und Mercedes. Die Branche setzt jährlich mehr als 400 Milliarden Euro um und ist ein wichtiger Arbeitgeber, der rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland beschäftigt. Der Übergang zur E-Mobilität wird Auswirkungen auf diese Unternehmen, ihre Mitarbeiter und die Zulieferer haben, mit denen sie zusammenarbeiten.

Obwohl der Anteil der E-Autos am Fahrzeugbestand derzeit noch sehr gering ist, wächst der Markt schnell. Und das Wachstum wird sich wahrscheinlich weiter beschleunigen, wenn Batterien günstiger werden und es mehr Ladesäulen gibt.

Die Automobil-Branche könnte darüber hinaus zusätzlich unter Druck geraten, nachdem das Bundesverfassungsgericht Ende April die Bundesregierung aufgefordert hat, ihre Klimapolitik zu verschärfen. Der Wandel zur Elektromobilität könnte auch mehr Schwung bekommen, wenn die Grünen, die bis 2030 konventionelle Autos abschaffen und die Benzinpreise stufenweise weiter erhöhen wollen, bei der Bundestagswahl im September ein gutes Ergebnis einfahren.

Aufholjagd bei der Elektromobilität

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Aus dem Englischen adaptiert von Thomas Kohlmann

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