Die Hauptschlagader des Stroms
6. Februar 2014 Die Energiewende ist beschlossene Sache - die konkrete Umsetzung jedoch noch in der Planung. Im Jahr 2022 soll in Deutschland das letzte Atomkraftwerk vom Netz genommen werden. Ab dann muss der komplette Strombedarf des Landes von fossilen Energieträgern und - in zunehmendem Maße - von erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind erzeugt werden.
Die Stromnetze, die die Energie im Land verteilen, müssen dafür massiv ausgebaut werden. Denn künftig soll der Strom über weite Distanzen transportiert werden. Dabei soll die Gleichstromtechnik eingesetzt werden, weil beim bisher üblichen Wechselstrom über lange Distanzen zu hohe Energieverluste auftreten. Bisher wurden Gleichstromkabel vor allem bei Überseeverbindungen genutzt.
Der Süden braucht Strom
Windenergie kann vor allem im flachen und windreichen Norden in großem Stil produziert werden. Ab 2022 soll die neue Trasse SuedLink der Netzbetreiber TenneT und TransnetBW diesen Strom in den Süden Deutschlands leiten. Auch andere Trassen sind vorgesehen und in der Planung teilweise auch schon weiter vorangeschritten, keine davon ist aber so lang wie SuedLink. Laut TransnetBW werden die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen im Jahr 2023 rund 30 Prozent ihres Jahresverbrauchs an Strom importieren müssen. Ein erster Entwurf für den Verlauf der langen Nord-Süd-Trasse liegt nun vor.
Der vorgestellte Korridor führt von der kleinen Stadt Wilster im nördlichen Bundesland Schleswig-Holstein südlich nach Niedersachsen. Danach führt er in südwestlicher Richtung nach Nordrhein-Westfalen und weiter nach Hessen. An Kassel vorbei geht es nach Süden bis in die bayerische Gemeinde Grafenrheinfeld bei Schweinfurt. In Grafenrheinfeld steht heute noch ein Atomkraftwerk, das Ende 2015 stillgelegt werden soll.
Ulrike Hörchens, Pressesprecherin von TenneT, betont im Gespräch mit der Deutschen Welle, dass der vorgestellte Korridor nur eine Arbeitsgrundlage sei. "Wir sind in einem sehr frühen Planungsstand am Beginn des Planungsverfahrens." Die Trasse sei "eine mögliche Diskussionsgrundlage, die wir nutzen wollen, um dann mit Bürgern und Gemeinden weiter darüber zu reden, wie denn die Planung konkret aussehen kann."
Angst vor der Trasse
Mitreden möchte auch Heinz-Jürgen Siegel. Er leitet eine Bürgerinitiative im niedersächsischen Delligsen. Die Initiative hatte sich bereits 2008 gegründet, als bereits eine andere Stromtrasse den Ort durchqueren sollte. "Eine solche Leitungsführung möchte ja keiner in seinem Umfeld haben", begründet Siegel sein Engagement. Gründe seien die mögliche Belastung durch Elektrosmog und eine Verschandelung der Landschaft. Auch würde eine Weiterentwicklung des Ortes verhindert, da niemand an einer solchen Trasse Häuser bauen würde.
SuedLink soll nach dem nun vorgestellten Plan nicht in direkter Nähe von Delligsen entlanglaufen. Für Entwarnung sei es aber noch zu früh, meint Siegel: "Die jetzt gewählte Vorzugstrasse ist sicher nicht einfach zu realisieren. Insofern hat sich der Netzbetreiber vorbehalten, auf schon einmal geplante Strecken zurückzugreifen." Dann könnte auch Delligsen wieder ins Spiel kommen, fürchtet er.
Die Rolle der Bundesnetzagentur
Vor der endgültigen Genehmigung und dem Bau einer Trasse steht ein langes Verfahren. In vielen Bereichen federführend ist dabei die Bundesnetzagentur. Sie muss einen Ausgleich zwischen den Interessen der Energieversorger, Netzbetreiber, Naturschützer und Anrainer schaffen.
Im Fall von SuedLink steht als nächstes die sogenannte Bundesfachplanung an. In einer Antragskonferenz wird über den Plan des Netzbetreibers diskutiert. Im Anschluss daran sind die Einwohner im Bereich der geplanten Trassenkorridore am Zug. "Jeder kann die Planungsunterlagen im Internet oder vor Ort sichten und prüfen, ob er oder sie persönlich von einem Leitungsbau betroffen ist. Diese Beteiligungsmöglichkeiten zu nutzen, ist sehr wichtig - denn nur, wer sich hier zur Wort meldet, darf auch am anschließenden Erörterungstermin teilnehmen", heißt es bei der Bundesnetzagentur. Über den konkreten Trassenverlauf entscheidet dann ein Planfeststellungsverfahren.
Politischer Widerstand gegen geplante Stromtrassen kommt derzeit aus Bayern. Dort gibt es derart massive Proteste, dass die CSU-Landesregierung nun ein Moratorium fordert und alle geplanten Projekte, die nach Bayern führen, auf den Prüfstein stellen will. Die Netzbetreiber fordern hingegen ein klares Signal der Politik zum Netzausbau. "Bis dahin werden TenneT und TransnetBW die bereits geplanten Informationsveranstaltungen für Bürger und Gemeinden entlang des vorgeschlagenen Trassenkorridors aufschieben", hieß es in einer Pressemitteilung der Unternehmen.