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Politik

High-Tech-Piraten

Dennis Stute19. November 2008

Somalias Piraten nehmen durch Lösegelder Millionensummen ein. Einen Teil des Geldes investieren sie in modernste Ausrüstung – und werden so zu einer immer größeren Bedrohung einer der wichtigsten Handelsrouten.

Piraten fahren von der entführten MV Faina an die Küste (Archivbild), Quelle: AP
Piraten fahren von der entführten MV Faina an die Küste (Archivbild)Bild: AP

Die Piraten vor Somalias Küste haben aufgerüstet: Inzwischen arbeiten sie mit Satellitentelefonen, Navigationssystemen, Radargeräten, Panzerabwehrraketen und sogar Zählmaschinen für Lösegelder. Allein in den vergangenen Tagen konnten sie so acht Schiffe kapern. Damit befinden sich nun 17 Schiffe mit rund 340 Seeleuten in ihrer Gewalt – darunter der Supertanker "Sirius Star" und der mit 33 Kampfpanzern beladene ukrainische Frachter "MV Faina".

Allgegenwärtige Gefahr

Piraten bewachen am Montag (17.11.2008) die Mannschaft des entführten chinesischen Fischerbootes FV Tian Yu 8Bild: picture-alliance/ dpa

Der Gefahr aus dem Weg zu gehen, ist nahezu unmöglich. "Wir haben den Besatzungen bislang empfohlen, mindestens 250 Meilen von der somalischen Küste entfernt zu fahren", sagt Cyrus Mody, Piraterie-Experte der Internationalen Seefahrtsbehörde (IMB) in London. "Aber jetzt gab es auch jenseits dieser Grenze Angriffe." Denn mit Mutterschiffen, die die kleinen wendigen Angriffsboote aufs offene Meer schleppen, können die Piraten tagelang auf See bleiben.

Wollen die Frachter auf der Route zwischen Asien und Europa den Umweg um den gesamten afrikanischen Kontinent vermeiden, müssen sie zudem durch das Nadelöhr des Golfs von Aden – dessen Küsten mit dem Jemen im Norden und Somalia im Süden weitgehend ungesichert sind. Die Versicherungsprämien für Schiffe, die diese Route befahren, sind in den vergangenen Monaten um das Zehnfache gestiegen.

Neue Qualität

"Vor Somalia hat die moderne Piraterie eine neue Qualität erreicht", sagt Karlheinz Follert, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere (VDKS). "Es ist an der Zeit, dass das Gebiet militärisch überwacht wird." Die Küste des Landes, das seit fast zwei Jahrzehnten faktisch ohne Regierung ist, müsse abgeriegelt und Schiffe im Konvoi von der Marine durch die Gefahrenzone geleitet werden.

Der entführte Supertanker "Sirius Star" ist dreimal größer als ein FlugzeugträgerBild: AP

Am 8. Dezember will die EU fünf bis sechs Marineschiffe in die Region schicken, um Frachter zu schützen; in welcher Form sich Deutschland beteiligen wird, ist noch unklar. Schon jetzt kreuzen im Rahmen der "Combined Task Force 150" Kriegsschiffe aus mehreren Staaten am Horn von Afrika. Auch Malaysia, Indien und Russland haben wiederholt ihre Marine in die Region geschickt – meist als Reaktion auf Überfälle.

Mutterschiff versenkt

Auch wenn die primäre Aufgabe der 2001 aufgestellten Task Force der so genannte Anti-Terror-Kampf ist, habe sie auch Piraten abgeschreckt, glaubt Cyrus Mody vom IMB: "Ohne sie hätte es mindestens doppelt so viele erfolgreiche Piratenangriffe gegeben." Gleichwohl müssten die Fregatten aktiver gegen die Piraterie vorgehen. "Wir setzten uns dafür ein, dass die Marinen die Mutterschiffe der Piraten kontrollieren und sie beschlagnahmen, falls Waffen gefunden werden", sagt Mody und verweist auf das indische Kriegschiff, das am Mittwoch (19.11.2008) bei dem Versuch, genau dies zu tun, beschossen wurde und daraufhin das Piratenschiff versenkte. "Das ist die Art von Vorgehen, die jetzt nötig ist."

Festgenommene mutmaßliche Piraten am Mittwoch (19.11.2008) in Mombasa, KeniaBild: AP

Zumindest das Welternährungsprogramm (WFP) kann Somalia unbehelligt ansteuern. Das war nicht immer so: Zwischen 2005 und 2007 waren vier im Auftrag des WFP fahrende Schiffe entführt und zwei angegriffen worden. "Als uns klar wurde, dass die Situation außer Kontrolle gerät, haben wir um internationale Hilfe gebeten", sagt Peter Smerdon, der beim WFP die Somalia-Hilfe koordiniert. Seit November 2007 werden die mit Hilfsgütern beladenen Frachter eskortiert, derzeit sind eine niederländische Fregatte und zwei weitere Schiffe im Nato-Auftrag im Einsatz. Seither gab es keine Probleme mehr.

"Glaubwürdige Abschreckung"

"Alle diese Maßnahmen gegen Piraterie sind aus unserer Sicht richtig", sagt Heinrich Nöll, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR). "Aber die Einsätze müssen international koordiniert werden, um ein einheitliches Vorgehen zu ermöglichen – im Vordergrund muss eine glaubwürdige Abschreckung stehen."

Bislang verheißt die Piraterie hohe Gewinne bei einem vergleichsweise geringen Risiko - für die entführten Schiffe und Besatzungen wurde bisher stets Lösegeld gezahlt. "Die Zahlungen verschärfen natürlich das Problem, da sie den Anreiz für weitere Entführungen schaffen", sagt Nöll. Schätzungen zufolge haben Somalias Piraten allein im vergangen Jahr 30 Millionen Dollar an Lösegeldern kassiert – und das Geld zum Teil in moderne Waffen und Technologie investiert, um künftig noch erfolgreicher Frachter kapern zu können.

Dennis Stute

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