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Im Gespräch

Das Gespräch führte Alexander Kudascheff4. Mai 2008

Ruandas Präsident Paul Kagame sprach mit der Deutschen Welle über die wirtschaftliche und politische Situation in seinem Land, die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Frage, wie Afrika geholfen werden sollte.

Paul Kagame (Quelle: DW)
Paul Kagame ist seit April 2000 Präsident RuandasBild: DW-TV

DW: Herr Präsident, überall auf der Welt, insbesondere in den ärmsten Ländern, leiden die Menschen unter den hohen Lebensmittelpreisen. Leidet Ruanda auch unter diesem Problem?

Paul Kagame: Natürlich wird Ruanda auch in nächster Zeit spüren, was im Moment auf der ganzen Welt vor sich geht. Im Moment jedoch produziert Ruanda mehr Lebensmittel, als es in seiner gesamten Geschichte produziert hat. Natürlich geht das einher mit einem Anstieg der Bevölkerung, also gleicht sich das in etwa aus. Wir sind aber wachsam, was im Moment um uns herum passiert und wie es uns betrifft. Wir werden mehr Lebensmittel produzieren müssen, um der Nachfrage gerecht werden zu können.

Aber es gibt immer noch Hunger in Ihrem Land?

Nein, nicht im Moment.

Herr Präsident, Sie haben einen Traum: Ruanda soll das Singapur Afrikas werden. Ist das nur ein Traum oder ist es eine realistische Perspektive für Ihr Land?

Nun, Ruanda wird immer Ruanda in Afrika sein, aber es gibt auf der ganzen Welt gute Beispiele, von denen man lernen kann. Wir denken, dass Singapur gute Arbeit geleistet hat in dem Sinne, dass es in die Menschen investiert und sie gefördert hat, weil sie das Kapital eines Landes sind, um in dieser schnellen hoch entwickelten Welt mitzuhalten. Ruanda kann das auch. Man muss dem Weg folgen, der für Ruanda realistisch ist, man muss das Potential Ruandas ausnutzen. Ich glaube, diese Entwicklung ist machbar. Wir müssen auf bestimmte Dinge achten, hart arbeiten, uns gut organisieren und geschickt handeln, dann wird das Ergebnis gut sein.

14 Jahre nach dem schrecklichen Völkermord in Ihrem Land. Wie weit ist die Versöhnung zwischen den Völkern Ruandas gediehen?

Die Versöhnung ist sehr gut vorangeschritten, in der Tat erstaunlich gut, sogar besser, als wir erwartet haben. 14 Jahre nach dem Völkermord leben die Menschen in Ruanda wieder zusammen, sie arbeiten zusammen, sie leben in Harmonie, es gibt Frieden und Sicherheit in unserem Land. Tatsächlich ist die Situation in Ruanda anscheinend stabiler als in anderen Ländern unserer Region. Darauf bauen wir auf, um die soziale und wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben.

Wie laufen die Verfahren gegen die Kriegsverbrecher?

Das Internationale Kriegsverbrechertribunal für Ruanda ICTR hat unsere Erwartungen nicht erfüllt. Es fehlt an Effizienz. Wenn man sich ansieht, wie viele Ressourcen vor Ort sind und sich dann die Zahl der Verfahren ansieht, dann steht das in keinem Verhältnis. Es scheint, als ob die Verantwortlichen die Größe des Problems nicht erkannt haben. Aber die Tatsache, dass das Tribunal für Ruanda eingerichtet wurde, ist sehr wichtig, weil damit auch die internationale Gemeinschaft anerkennt, wie wichtig die Aufarbeitung unserer Geschichte ist.

Haben die Opfer in Ihrem Land das Gefühl, Recht zu bekommen?

Gerechtigkeit ist eine schwierige Sache, besonders in einem Fall wie unserem, mit diesem Völkermord und unserer Geschichte. Es waren so viele Menschen auf der Seite der Opfer und der Täter, tatsächlich mehr auf der Seite der Täter, wir müssen nun mit diesen Menschen leben und Brücken bauen, während es zwei bestimmte Forderungen gibt, die sich gewissermaßen gegenüberstehen: Versöhnung und Gerechtigkeit. Dies miteinander zu vereinbaren ist sehr schwierig, beide Seiten sind schwer zufrieden zu stellen, beide beschuldigen die Regierung, nicht genug zu tun, aber am Ende sprechen die Resultate und die Fakten für sich. Ich glaube, es hat große Fortschritte gegeben. Wir sind zufrieden, dass die Versöhnung vorangeschritten ist und dass die Justiz dazu auch beigetragen hat.

Herr Kagame, in den letzten Jahren ist bei allen G8-Gipfeln mehr Geld für Afrika versprochen worden. Gibt es jetzt wirklich mehr Geld in Afrika von Seiten der westlichen Staaten?

Nun, Geld fließt schon seit Jahrzehnten nach Afrika. Es gibt aber wenige Ergebnisse vorzuweisen. Dieses Geld kam als Entwicklungshilfe, es war nicht wirklich zielgerichtet, wurde in private Projekte gelenkt, die als Fundament dienten, auf dem Afrikaner dann selbst aufbauen konnten. Die Geberländer haben jedoch nicht genau ausgewertet, was sie taten und was diese Taten bewirkten, um daraus neue Strategien zu entwickeln. Ich glaube, dass die Hilfe für Afrika in dieser Form nicht gut ist, dass wir ganz neu nachdenken müssen. Die Kapazitäten der westlichen Länder müssten zielgerichteter eingesetzt werden, um der Situation in Afrika gerecht zu werden. Und auch die Afrikaner müssen neu nachdenken, um nicht von Hilfe abhängig zu sein, sondern sie sollten sich darauf konzentrieren ihr eigenes Potential auszubauen und auszunutzen. Denn es gibt eine Menge Reichtum in Afrika.

China gewinnt an Einfluss in Afrika. Verliert Europa dagegen an Gewicht?

China ist eine schnell wachsende Wirtschaftsmacht, schneller, als wir es von anderen Ländern kennen. Ich sehe darin nichts Falsches. Offensichtlich machen sie etwas richtig. Sie haben das Kapital ihrer großen Population, 1,3 Milliarden Menschen, einen sehr großen Markt. Sie sind produktiv und in der Lage gut zu organisieren. Ihre Wirtschaft wächst sehr schnell, also suchen sie Handelspartner auf der ganzen Welt - in Europa, Amerika, und auch Afrika. Ich sehe darin nichts Falsches. Ich glaube, es ist eine Entscheidung Afrikas, ob mit China oder Europa oder Amerika verhandelt wird. Wir müssen lernen, unsere Position zu stärken und zu unserem eigenen Vorteil zu nutzen.

Seit 1994 reisen Sie öfter nach Deutschland. Das bedeutet, Deutschland ist wichtig für Ihr Land. Warum?

Deutschland ist aus vielen Gründen wichtig. Für Ruanda ist Deutschland wichtig, weil es dieses lange, gute, historische Verhältnis seit mehr als 100 Jahren gibt. Deutschland ist ein großes europäisches und sehr hoch entwickeltes Land, mit dem wir Handel treiben. Die deutsche Regierung unterstützt uns beim Aufbau unseres Landes. Es gibt in vielen Aspekten, auch in persönlichen, eine lange Geschichte der Verbundenheit.

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