1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Glaube

Die Hoffnung stirbt zuletzt: COP 28 in Dubai

15. Dezember 2023

Nach einem Jahr nie gemessener Temperaturrekorde und zunehmender „Wetterextreme“ unternimmt die Weltgemeinschaft einen neuen Anlauf, den fortlaufenden Anstieg von Treibhausgasen zu begrenzen. Grund zu Hoffnung?

 Autor Jörg Alt protestiert zum Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung vor der bayrischen Staatskanzlei
Bild: Stefan Bauberger SJ

Klimakonferenz Nummer 28 also. Wir erinnern uns: Die Klimakonferenzen begannen, um die Erderhitzung zu begrenzen. Als dieser Prozess in den 1990er Jahren startete, lag die globale Durchschnittstemperatur 0,43 Grad über dem vorindustriellen Zeitalter, jetzt liegt sie bei 1,2 Grad. Betrachtet man nun die Maßnahmen, die die Staaten der Welt jenseits aller Versprechen und Beteuerung faktisch umsetzen, befinden wir uns auf Kurs in eine 3 Grad heißere Welt. Das bedeutet millionenfacher Tod und milliardenfache Vertreibung.

Jetzt also der 28. Anlauf zu einer endlich wirksamen Begrenzung der globalen Aufheizung? Ausgerechnet in Dubai, einem der Staaten, der mit fossilen Brennstoffen sein Geld macht? Träum weiter! 

„Ich möchte, dass ihr Panik habt!“, rief Greta Thunberg erbost den Delegierten der Vereinten Nationen zu. Dafür wurde sie getadelt. Panik sei nicht die Antwort auf die aktuelle Lage, meinten die Delegierten. Die PsychologistsForFuture hingegen sagen: „Wer angesichts der aktuellen Trends keine Panik verspürt braucht einen Arzt.“ Angesichts der absehbaren Gefahren sei Panik eine gesunde Reaktion bedrohter Lebewesen, um vielleicht doch endlich das Nötige und Mögliche zu tun. Denn wir wissen alles, was es zu den Ursachen und Gefahren, den Lösungsmitteln und -wegen zu wissen gibt. Wir kommen halt nur nicht ins Handeln.

Wobei „wir“ falsch ist. Es geht letztlich um die „Politik“. Die handelt nicht, obwohl bzw. weil sie von verschiedenen Seiten unter Druck steht: Wissenschaft, Bevölkerung, Populisten, Lobbyisten, Wirtschaft – oder Wladimir Putin kämpfen um Aufmerksamkeit und bislang gewinnen nicht Wissenschaft und Bevölkerung.

Auf diesem Hintergrund war Papst Franziskus Rundschreiben Laudate Deum eine erfrischende „Ohrfeige und Vision“ (Fabian Moos in den „Stimmen der Zeit“) zur rechten Zeit. 
Eine Ohrfeige gegenüber der „Konferenzdiplomatie“, die seit dem Pariser Abkommen keinerlei Verbesserung erreicht hat und es zulässt, dass die Situation immer dramatischer eskaliert. 
Und eine Vision bezüglich alternativer Mechanismen aus der Zivilgesellschaft. In Nr. 37 schreibt der Papst:

„Ich lade dazu ein, anzuerkennen, dass »viele Vereinigungen und Organisationen der Zivilgesellschaft [dabei helfen], die Schwächen der internationalen Gemeinschaft, ihren Mangel an Koordination in komplexen Situationen, ihr Fehlen an Aufmerksamkeit für die grundlegenden Menschenrechte und für äußerst kritische Situationen einiger Gruppen auszugleichen«. Diesbezüglich ist der Ottawa-Prozess gegen den Einsatz, die Produktion und die Herstellung von Antipersonenminen ein Beispiel.“

Das gefällt mir deshalb, weil ich bei diesem Prozess dabei war: Auf der Ebene der UN kamen wir damals mit unseren Bemühungen nicht weiter, weshalb wir eine parallele Verhandlungsarchitektur mit „willigen Staaten“ eröffneten, die sehr schnell sehr viele Mitglieder gewann und innerhalb kürzester Zeit zu einer Verbotskonvention führte.

Das wird zwar nicht 1:1 übertragbar sein, da jeder Staat nach wie vor am Tropf der fossilen Energien und Industrien hängt. Aber auch ich glaube, dass der Top-Down Ansatz in der Klimapolitik tot ist und durch einen Bottom-Up Ansatz zumindest ergänzt werden muss: Wir müssen Bündnisse schmieden, um fossile Einflüsse auf unsere Wirtschaften zu reduzieren, wir müssen machbare Wege zu einer Gesellschaft mit Erneuerbaren Energien aufzeigen, wir müssen all jene unterstützen, die sich mit Einsatz ihrer Körper dem fossilen „Weiter-So“ in die Wege stellen. 

Entsprechend sind noch zwei weitere Passagen aus Laudate Deum wichtig: Der Papst verteidigt all jene Aktivisten, die generell als „Radikale“ denunziert werden. Diese würden in Wirklichkeit „eine Lücke in der Gesellschaft als Ganzer (ausfüllen), die einen gesunden „Druck“ ausüben müsste, denn es liegt an jeder Familie, zu bedenken, dass die Zukunft ihrer Kinder auf dem Spiel steht.“ (Nr. 58).
Dies wiederum richtet sich auch an die Katholische Kirche, in welcher der Papst immer noch viel zu viele „abschätzige und wenig vernünftige Meinungen“ vorfindet (Nr. 14), weshalb er sich ja überhaupt gedrängt sah, Laudate Deum zum jetzigen Zeitpunkt zu schreiben.  

Klar: Papst Franziskus befürwortet nicht, dass sich alle Katholiken jetzt mit „radikalen Gruppen“ in den Zivilen Widerstand begeben. Wohl aber ist dieses Schreiben der (vielleicht letzte) Appell an Katholiken, Christen und Menschen guten Willens, sich in die Überlebensfragen der Menschheit einzumischen und sie nicht länger den Lobbyisten und Populisten zu überlassen. 

Noch haben wir in der Hand, eine sozial-gerechtere und ökologisch nachhaltigere Welt für alle zu schaffen, in welcher die Lebensqualität wahrscheinlich höher ist als in dem, was wir gerade als die beste aller möglichen Welten erachten.  Dabei geht es weniger um Verzicht, sondern um ein anderes Leben. Wir brauchen nicht auf Urlaub, Mobilität, gutes Essen zu verzichten. Es geht sogar um Zugewinne wie Zeit für das, was allen eigentlich am wichtigsten ist: Freunde, Familie, Gesundheit oder eine intakte Umwelt. Aber wir müssen etwas dafür tun und (leider) den Konflikt mit mächtigen und lautstarken Gruppen riskieren. Aber wir tun dies in Gemeinschaft mit einem Gott, der sogar Tote zum Leben erwecken kann.

Jörg Alt

 

Kurzvita: Pater Jörg Alt SJ, geboren 1961, ist Jesuit und hat Abschlüsse in Philosophie, Theologie und Soziologie. Lange Jahre arbeitete er für den Jesuiten-Flüchtingsdienst, gefolgt von einer Missionarszeit in Belize, Mittelamerika. Seit 2009 wohnt er in Nürnberg und arbeitet bei der Katholischen Hochschulgemeinde, der Jesuitenmission sowie dem Ukamazentrum der Jesuiten für die sozial-ökologische Transformation. Als Klimaaktivist kooperiert er mit verschiedenen Gruppen bei Aktionen des Zivilen Widerstands. www.joergalt.de 
 

Dieser Beitrag wird redaktionell von den christlichen Kirchen verantwortet.