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Die Industrie der Zukunft wird smart

Insa Wrede, z.Zt. Hannover8. April 2014

Wenn Dinge mit Maschinen sprechen und sich Fabriken miteinander austauschen, dann sind wir in der Welt der Industrie 4.0. Wer bis dahin nicht warten möchte, kann schon jetzt in Hannover einen ersten Eindruck bekommen.

Hannovermesse Roboter Känguru 2014
Bild: DW/I. Wrede

Es scheint ein schier unlösbarer Wunsch: Die Menschen wollen Produkte mit hoher Qualität, die auf ihren individuellen Bedarf zugeschnitten sind. Sie sollen energiearm produziert werden, gut recycelbar sein und jederzeit zur Verfügung stehen. Und schließlich sollen sie auch noch wenig kosten. Die Antwort der Unternehmen in Deutschland: Es wird eine weitere Revolution in der Produktion geben müssen. Das passende Schlagwort dazu: Industrie 4.0.

Erst haben die Dampfmaschinen, später die Fließbandproduktion, und dann die Einführung von Computern die Produktion revolutioniert. Und jetzt soll die vierte industrielle Revolution folgen, unter eben jenem Schlagwort: Industrie 4.0. Dahinter steht die Idee, dass Produkte und Maschinen intelligent oder auch "smart" werden und alles miteinander vernetzt ist. Menschen, Maschinen, Dinge.

Produkte beispielsweise sollen von Anfang an einen Chip mit sich tragen, der alles über das Produkt weiß. Beispielsweise teilt er den Maschinen mit, wie sie das Produkt produzieren sollen. Er weiß, wie das Produkt verpackt wird, wie es die Logistikkette durchläuft. Er merkt frühzeitig, wann das Produkt kaputt geht und leitet diese Information schon mal an den Hersteller weiter, der dann für Ersatz sorgt. Und am Ende, trägt es auch die Information mit sich, wie das Produkt zu recyceln ist. Aber nicht nur die Dinge, auch Maschinen und ganze Fabriken sollen miteinander vernetzt werden.

Einzelfertigung in Massenproduktion

Der scheinbare Widerspruch, Einzelstücke in Masse zu produzieren - den will man mit Industrie 4.0 auflösen. So sollen beispielsweise Klemmleisten günstiger produziert werden. Sie sehen nicht besonders spektakulär aus, sind aber in jedem industrialisierten Steuerschrank zu finden. "Das ist ein sehr individuelles Produkt, das heute nur in Handarbeit hergestellt werden kann", erklärt Roland Bent, Geschäftsführer von Phoenix Contact auf der Hannover Messe. "Und wir zeigen, wie dieses Produkt in einer Massenfertigung hochautomatisiert erzeugt wird." In der von seiner Firma aufgebauten Produktionsanlage werden Maschinen gezeigt, die wandlungsfähig sind. Das bedeutet, "sie können sich selbstständig an sich ändernde Rahmenbedingungen anpassen und beispielsweise Produktvarianten produzieren, die zum Zeitpunkt der Entwicklung der Maschine noch gar nicht bekannt waren." Die Produktion von individuellen Produkten zu Bedingungen der Massenfertigung - das soll die Kosten niedrig halten und so auch den Industriestandort Deutschland sichern.

Industrie 4.0 - Die nächste industrielle Revolution

04:13

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Klemmleiste - in Zukunft individuell trotz MassenanfertigungBild: DW/I. Wrede

Roboterkänguru zum Energiesparen

In diese neue Welt der Herstellung gehören auch Roboter, die immer enger mit den Menschen zusammenarbeiten. Und die sollen möglichst wenig Energie verbrauchen. Manchmal müssen sie sogar erst springen lernen auf dem Weg in die Zukunft. Ein solches Roboter-Känguru stellt der Automatisierungsanbieter Festo vor. Wofür das gut sein soll? "Von einem Känguru kann man eine ganze Menge lernen", sagt Heinrich Frontzek von Festo. Ein Känguru sei extrem energieeffizient.

"Das ist auch Thema in der Automatisierungstechnik, denn wir wollen ja in der Produktion nicht zu viel Energie einsetzen. Das Känguru hat diese Eigenschaft, beim Absprung rauszufedern und bei der Landung wieder reinzufedern. Und diese Energie kann für den nächsten Sprung genutzt werden." Dieses Prinzip übertrage Festo in technische Systeme. Wenn beispielsweise Roboter schwere Lasten in der Produktion bewegen und dann abbremsen müssen, könnte die Energie, die bei solchen Abbremsmanövern entsteht, gespeichert und wieder nutzbar gemacht werden.

Maschinen aus dem Käfig befreit

Während heute Roboter meist in Käfigen agieren, in die Menschen gar nicht hinein kommen, werden sie in Zukunft viel enger mit Menschen zusammenarbeiten. Daher müssen Roboter lernen auszuweichen oder abzubremsen, wenn sie Gefahr laufen, mit einem Menschen zu kollidieren. Auch hier arbeitet Festo an möglichen Lösungen und stellt in Hannover schwebende Ballons vor, die sanft in einem von Infrarotkameras abgesteckten Luftraum schweben. Selbst in chaotischen Situationen stoßen sie nicht zusammen, da sie einander ausweichen. Eine Anwendung in der Praxis gibt es bislang noch nicht, sagt Frontzek. Solche Entwicklungen würden in Hannover vorgestellt, um mit Besuchern mögliche Anwendungen zu diskutieren. "Wir haben nicht immer eine Lösung, aber häufig finden wir eine", so Frontzek. So hat Festo vor Jahren einen Elefantenrüssel als Robotergreifer nachgebaut, "jetzt stehen hier hinten fertige Roboter genau mit dieser Rüsselkinematik."

Kontakt zwischen Mensch und Maschine wird meist noch vermiedenBild: DW/I. Wrede

Es ist noch ein weiter Weg

Viele Ideen und Wege führen in die Fabrik der Zukunft, von der schon länger in Hannover gesprochen wird und an der auch noch eine Weile gefeilt werden muss. "Industrie 4.0 ist eine übergreifende Vision, die wir in voller Schönheit wohl erst in 10 Jahren erreicht haben werden", meint Peter Terwiesch, Vorstand von ABB, einem der führenden Unternehmen für Energie- und Automatisierungstechnik. Um die Vision voranzubringen, braucht man vor allem anerkannte technische Standards. Und wer diese Standards setzt, hat gute Chancen einen Vorsprung in der Technologie zu gewinnen. Zu schnelles Vorpreschen hält Terwiesch allerdings nicht für sinnvoll. Um eine übergeordnete Informationsarchitektur zu bauen, würde noch einige Zeit vergehen. Anwender und Hersteller müssten sich auf Mechanismen einigen. "Wenn wir zu früh standardisieren, dann standardisieren wir das Falsche. Sind wir zu spät, verpassen wir den Zug", so Terwiesch.

Insgesamt stehen aber die Chancen für Deutschland gut, sich in der vierten industriellen Revolution zu behaupten, meint Heinrich Frontzek von Festo. Die Produktionstechnologie, der höchst qualifizierte ingenieurwissenschaftliche Bereich, eine sehr dynamische Informationstechnologie sowie die verbreitete Nutzung des Internets und anderer Kommunikationsmöglichkeiten - "das alles zusammen verschafft Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal, dass ausbaufähig ist und uns Anschlussfähigkeit bescheren kann.“

Engpass Datennetz

Bleibt nur noch das Datennetz, das ebenfalls ausgebaut werden muss. Schon heute unken Experten, dass allein wegen der umfangreichen privaten Nutzung die Kapazität des Datennetzes nicht reichen könnte. Kommen nun noch Datenströme aus Fabriken dazu, muss das Kommunikationsnetz entsprechend ausgebaut werden. Aber es wird sich lohnen, meint der Bundesverband der Informationswirtschaft Bitkom und das Fraunhofer-Institut IAO. Sie gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft durch die vierte industrielle Revolution bis 2025 zusätzlich um mindestens von 1,7 Prozent pro Jahr wachsen könnte.

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