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"Die Iraner wollen eine neue Politik"

27. Juni 2005

Der Iran hat einen neuen Präsidenten. Die internationale Presse kommentiert von "Es hätte auch schlimmer kommen können" bis hin zur Befürchtung, dass der Iran und die USA jetzt erst recht aneinander geraten könnten.

Internationale PressestimmenBild: dpa zb


Die "Neue Zürcher Zeitung" aus der Schweiz vermutet, dass die Wähler im Iran die Elite des eigenen Landes abgestraft haben:

"Wahlkampf und Wahlergebnis sind ohne Zweifel Ausdruck eines tatsächlichen Machtringens, ja eines eigentlichen Klassen- und Kulturkampfs. Mahmud Ahmadinedschad, der die Stichwahl vom Freitag gewonnen hat, und sein unterlegener Rivale (Akbar) Haschemi Rafsandschani verkörpern diese Gegensätze. [...] Die Iraner wollen einen neuen Mann als Präsidenten, der eine neue Politik macht. Ihr Votum ist nicht gegen die USA oder den Westen gerichtet, sondern gegen ihre eigene Regierung."

Es hätte auch noch schlimmer kommen können, so der Tenor der Mailänder Zeitung "Corriere della Sera":

"Obwohl er einhellig als ultraradikal eingestuft wird, hat es Mahmud Ahmadinedschad in seiner ersten Pressekonferenz vorgezogen, sich moderat zu präsentieren. Absolute Stille zum Thema Irak [...], aber dafür drei sorgfältig ausgewählte Erklärungen: Teheran hat keine 'wirkliche Notwendigkeit', Beziehungen mit den USA zu unterhalten; Iran wird nicht darauf verzichten, Nukleartechnologie 'zu friedlichen Zwecken' zu nutzen; und die Atom-Verhandlungen mit den Europäern werden 'im Respekt der nationalen Interessen' weitergehen.

Natürlich zählen jetzt die Taten, aber was die Worte betrifft, hätte man sich Schlimmeres erwarten können. Obwohl Teheran seit geraumer Zeit die Definition Amerikas als 'großer Satan' zu den Akten gelegt hat, hätte der Khomeini-Anhänger Ahmadinedschad eine neue Version davon auflegen können, wie er es bereits im Wahlkampf getan hat. Stattdessen hat er sich darauf beschränkt, Desinteresse zu demonstrieren, ohne auch nur auf die Anklagen - die es aus Washington hagelt - zu antworten."

Die Reformer sind gescheitert, konstatiert die linksliberale französische Tageszeitung "Libération" aus Paris:

"Der Weg scheint jetzt frei zu sein für einen Rückzug auf eine nationalistische Politik, für eine Militarisierung des Regimes in Teheran und für ein Einfrieren der Sitten im Land. Das gilt auch dann, wenn diejenigen, die die Fäden der Macht in der Halt halten, die früheren diplomatischen Positionen des Regimes zumindest in der ersten Zeit beibehalten. Offenkundig ist vor allem das Scheitern eines iranischen politischen Reformismus, dem es nicht gelungen ist, soziale Veränderungen und politisches Handeln in Einklang zu bringen. Auf eine ziemlich universelle Weise bietet der Ausgang dieser Wahl eine historische Chance für die Demagogen gleich welcher Couleur."

Die linksliberale britische Zeitung "The Guardian" aus London befürchtet einen Zusammenstoß des Irans mit den USA:

"Ein Test für die Außenbeziehungen Irans wird sich ergeben, sobald die Iraner die Verhandlungen mit der Europäischen Union über das Atomprogramm wieder aufnehmen. Die meisten der iranischen Unterhändler, mit denen die EU bisher zu tun hatte, sind Liberale. Wenn sie ersetzt worden sind oder einen anderen Verhandlungsauftrag erhalten haben, dann ist dies ein klares Signal. Vielleicht trifft nichts dergleichen zu, denn schließlich verfügt das iranische System auch über ein gewisses Maß an Geschmeidigkeit und Verstand, aber die Chancen dafür, dass es letztlich zu einem Zusammenstoß (Irans) mit den USA kommt, müssen mit der Wahl am Wochenende gestiegen sein."

Für eine Politik mit "Zuckerbrot und Peitsche" plädiert die niederländische Tageszeitung "de Volkskrant":

"Durch den Sieg des Hardliners Ahmadinedschad geraten auch die Beratungen über das iranische Atomprogramm unter größeren Druck. [...] Die iranische Versicherung, dass keine Kernwaffen entwickelt werden, scheint immer wieder im Gegensatz zu den Fakten zu stehen. Noch ist es nicht zu spät für eine diplomatische Lösung dieser für die ganze Region heiklen Frage. Aber die europäischen Unterhändler werden stärker als bisher neben dem Zuckerbrot auch die Peitsche zeigen müssen. Und das bedeutet mehr als das bloße Vorenthalten von Belohnungen bei schlechtem Verhalten Irans." (arn)

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