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"Die Klimaanlage im Haus der Demokratie"

Kerstin Hilt30. Oktober 2004

Das Recht auf freie Meinungsäußerung existiert in Südostasien oft nur auf dem Papier. Phantasie und Kreativität sind gefragt, wenn es darum geht, die Regierungen zu überlisten, betonen Journalisten aus der Region.

Die Pressefreiheit - in Südostasien ein oft arg geschundenes GutBild: Illuscope

"Eine freie Presse ist die Klimaanlage im Haus der Demokratie", sagt der Journalist Steven Gan aus Malaysia. "Wenn man sie ausschaltet, wird es schnell heiß und stickig." Ziemlich stickig ist es seiner Meinung nach gerade in Südostasien. Obwohl dieses Jahr auf den Philippinen, in Indonesien, Sri Lanka und Malaysia gewählt wurde, sei die Region von wirklicher Demokratie noch weit entfernt, behaupten Journalisten. Ein Indiz dafür ist die eingeschränkte Pressefreiheit, wie auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung deutlich wurde.

Thailands Journalisten haben allen Grund zur Angst

Kritik kommt thailändische Journalisten teuer zu stehenBild: AP

Ihre Kollegen nennen sie nur die Zehn-Millionen-Dollar-Frau: Die thailändische Journalistin Supinya Klangnarong ist von ihrer Regierung wegen übler Nachrede auf Schadensersatz verklagt worden - über eine Summe, für die sie bei einem durchschnittlichen thailändischen Monatslohn siebentausend Jahre arbeiten müsste. In einem Interview hatte sie Premier Thaksin vorgeworfen, käuflich zu sein. "Nicht nur ich habe mit einer Klage zu kämpfen. Viele Journalisten sind im Moment mit gerichtlichen Auseinandersetzungen konfrontiert", betont Supinya Klangnarong im Gespräch mit DW-RADIO. Unter Thailands Journalisten geht seitdem die Angst um: "Viele trauen sich nicht mehr, Missstände direkt und offen anzuprangern."

Der Berlusconi Südostasiens

Doch die thailändische Regierung bedient sich zumeist subtilerer Einschüchterungsmittel. Denn Premier Thaksin ist der Berlusconi Südostasiens, Regierungschef und Wirtschaftsboss in Personalunion. Missliebige Zeitungen müssen daher fürchten, dass ihnen Thaksins Firmen und Geschäftsfreunde die Werbe-Aufträge streichen. An einigen Rundfunk- und TV-Kanälen sind Thaksins Unternehmen sogar direkt beteiligt. Eine Klage vor Gericht ist somit nur das letzte Mittel, wenn man Journalisten zum Schweigen bringen will.

Selbstzensur als "Berufskrankheit"

Thailand, Malaysia und die Philippinen gelten in Südostasien als Beispiele für vergleichsweise gut gelungene Demokratisierung. Anders als etwa in China oder Myanmar gibt es reguläre Wahlen und konkurrierende Parteien. Die Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung werden von der Verfassung garantiert. In der Praxis ist das aber nicht viel wert: "Wir haben Redefreiheit, aber keine Freiheit nach der Rede", sagt der malaysische Journalist Steven Gan. Wer in Malaysia eine Zeitung gründet, muss sich bei der Regierung um eine Lizenz bemühen - und das jedes Jahr aufs Neue. "Auf diese Weise führt die Regierung Journalisten und Herausgeber von Zeitungen an ziemlich kurzer Leine", sagt Gan. In Malaysia sei Selbstzensur daher eine wahre Obsession.

Unzensierter Online-Journalismus

Steven Gan, Chefredakteur von "Malaysiakini"Bild: Malaysiakini

Vor fünf Jahren hat Gan allerdings ein rechtliches Schlupfloch für sich entdeckt. Nachdem sein damaliger Chefredakteur seine Reportage über ein Abschiebe-Lager für illegale Einwanderer in letzter Minute aus dem Blatt genommen hatte, hat er sich mit der Internet-Zeitung "Malaysiakini" ("Malaysia Jetzt") selbständig gemacht. Denn für Online-Journalisten gelten in Malaysia andere Gesetze: Weil die Regierung Zukunftstechnologien fördern will, hält sie sich hier raus.

Lokalradios kämpfen gegen Goliath

Auch in Thailand nutzen kritische Journalisten eine Grauzone. Vor kurzem hat die Regierung neue Radiofrequenzen freigegeben, über deren Verteilung sie erst nach den Wahlen im Februar entscheidet. Einstweilen senden auf den Frequenzen so genannte "community radios". Die selbstverwalteten Lokal-Radios haben zwar keine Erlaubnis dazu, werden aber bislang geduldet. Immerhin ein Anfang, meint Supinya Klangnarong. Wenn sich die vielen kleinen Initiativen miteinander solidarisierten, dann könnten sie ein Medien-Monopol der regierungsnahen Sender verhindern: "Wer kann schon 200 'community radios' kontrollieren?"

Auch was ihr Gerichtsverfahren anbelangt, ist Supinya Klangnarong optimistisch. Schon jetzt hat sich internationaler Protest formiert. Vielleicht, hofft sie, werde die Regierung nach den Februar-Wahlen die Klage zurückziehen und den Fall einfach auf sich beruhen lassen.

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