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Politik

Die EU-Klimaschutz-Pläne und ihre Kritiker

14. Juli 2021

Die Quintessenz der Vorschläge ist: Fossile Energieträger kräftig verteuern, um klimafreundliche Technologien EU-weit durchzusetzen. Zu schwachbrüstig, sagen die einen - viel zu heftig, die anderen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihr Vize Frans Timmermans bei der Vorstellung der Pläne in Brüssel
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihr Vize Frans Timmermans bei der Vorstellung der Pläne in BrüsselBild: John Thys/AFP

Keine neuen Benzin- und Dieselautos mehr, eine Steuer auf Flug- und Schiffstreibstoffe und höhere Kosten für das Heizen mit Kohle, Erdgas oder Öl: Die EU-Kommission hat einen umfassenden Plan präsentiert, mit dem das Erreichen der europäischen Klimaschutzziele sicherstellt werden soll. Im Kern sieht der Vorschlag vor, den Verbrauch von fossilen Energieträgern weiter zu verteuern, um den Umstieg auf klimafreundliche Technologien zu beschleunigen. Der Autoindustrie sollen zudem noch einmal strengere Kohlendioxid-Grenzwerte auferlegt werden - spätestens 2035 sollen dann in der EU nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden. Abgesehen davon müssen Verbraucher mit erhöhten Kosten für die Nutzung herkömmlicher Benzin- und Diesel-Fahrzeuge und das Heizen rechnen.

EU-Vizepräsident Timmermans: "Es wird verdammt hart"

Hintergrund ist, dass die EU-Kommission ein separates Emissionshandelssystem für den Straßenverkehr und den Gebäudesektor schaffen will, das CO2-Emissionen aus diesen Bereichen kostenpflichtig macht. Innereuropäische Flüge und Kreuzfahrten könnten unter anderem durch neue Energiesteuern teurer werden. Um Menschen mit niedrigen Einkommen nicht mit steigenden Energie- und Transportkosten alleine zu lassen, soll es einen Klimasozialfonds geben. "Die Wirtschaft der fossilen Brennstoffe stößt an ihre Grenzen", erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Vorstellung der Pläne. Der für Klimaschutz zuständige Vizepräsident Frans Timmermans räumte offen ein: "Alles, was wir heute vorgestellt haben, wird nicht einfach - es wird verdammt hart."

Kreuzfahrten - wie auch Flüge - in Europa dürften sich nach den Plänen der EU-Kommission kräftig verteuern Bild: Daniel Bockwoldt/dpa/picture alliance

Die Gesamtheit der vorgeschlagenen Maßnahmen soll es den EU-Staaten ermöglichen, die Treibhausgase bis 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 zu drücken. Deswegen wird das Paket von der Kommission auch "Fit for 55" genannt. Langfristiges Ziel der EU ist es, dass 2050 netto gar keine klimaschädlichen Gase mehr in die Atmosphäre gelangen. So sollen der menschengemachte Klimawandel und dessen Folgen aufgehalten werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen in der globalen Erwärmung einen Grund für steigende Meeresspiegel und wetterbedingte Naturkatastrophen wie Wirbelstürme, Überschwemmungen oder Waldbrände.

Greenpeace: unzureichend - Luftfahrtbranche: besorgt 

Die ersten Reaktionen auf die Kommissionsplanungen fielen gemischt aus. Während Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace von einem unzureichenden Beitrag zum Klimaschutz sprachen, äußerten sich Wirtschaftsvertreter besorgt. So warnte die Luftfahrtbranche vor Wettbewerbsnachteilen durch die Pläne der Kommission. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) gab unter anderem zu bedenken, dass das vorgeschlagene 55-Prozent-Ziel sehr hohe Anteile an E-Autos erfordere. So müssten bis Ende des Jahrzehnts in der ganzen EU knapp zwei Drittel der Neuwagen E-, Hybrid- oder Brennstoffzellen-Antriebe haben.

Ein E-Auto holt sich an einer Ladestation neuen "Saft"Bild: Karl-Heinz Spremberg/CHROMORANGE/picture alliance

Der VDA spielte damit darauf an, dass die EU-Kommission konkret vorschreiben will, dass die Treibhausgas-Emissionen von Neuwagen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 2021 gesenkt werden müssen. Wenn sich Hersteller nicht an die Vorgaben halten, sollen Strafen fällig werden.

Alle 60 Kilometer eine E-Ladestelle

Ab 2035 sollen in der EU dann nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden. Dabei soll es jedoch eine Überprüfungsklausel geben. Demnach soll alle zwei Jahre analysiert werden, wie weit die Hersteller sind; 2028 soll ein großer Prüfbericht folgen. Theoretisch könne das Datum 2035 noch verschoben werden. Für den Wandel im Verkehrssektor sollen auf großen Hauptverkehrsstraßen in der EU alle 60 Kilometer Ladestellen für Elektroautos eingerichtet werden. Die Investitionskosten für die Ladeinfrastruktur schätzt die Kommission auf insgesamt 15 Milliarden Euro. Alle 150 Kilometer sollen Wasserstofftankstellen entstehen.

Für Stahlhersteller sind weniger strenge Regelungen vorgesehen, um sie vor ausländischer Konkurrenz zu schützen Bild: picture-alliance/P. Pleul

Um die europäische Industrie nicht auf dem Weltmarkt zu benachteiligen, sollen europäische Produzenten von Produkten wie Stahl, Aluminium, Dünger und Elektrizität den Planungen zufolge über einen sogenannten Grenzausgleichsmechanismus vor ausländischer Konkurrenz mit weniger strengen Klimaschutzauflagen geschützt werden. Er sieht vor, auf Importe dieser Güter eine CO2-Abgabe einzuführen. Über die Umsetzung der Vorschläge müssen nun die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament beraten. Aus Sicht der EU-Kommission ist Eile geboten, um Industrie und Verbrauchern möglichst viel Zeit für die Umstellungen und Reduktionen zu geben. "Dieses ist die alles entscheidende Dekade im Kampf gegen die Klima- und die Biodiversitätskrise", kommentierte Kommissionsvize Timmermans.

Schulze begeistert, Scheuer zurückhaltend 

Bundesumweltministerin Svenja Schulze kündigte an, dass Deutschland schnell mit der Arbeit beginnen wird. Die Bundesregierung werde die Vorschläge der EU-Kommission nun gründlich, aber auch zügig und konstruktiv prüfen, erklärte die SPD-Politikerin. Es gehe um nichts weniger als eine "neue industrielle Revolution, angeführt von der Europäischen Union". Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer reagierte hingegen deutlich zurückhaltender auf die Vorschläge. "Man muss sich immer vergegenwärtigen, das eine ist fordern und festlegen, aber man muss auch noch erreichen und umsetzen", sagte der CSU-Politiker.

sti/kle (afp, dpa, rtr)

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