Die Knackpunkte im Atomstreit
18. November 2014Die Zeit drängt. Bis spätestens zum 24. November 2014 haben sich die Internationale Staatengemeinschaft und der Iran eine Frist gesetzt, um einen tragfähigen Kompromiss im seit Jahren schwelenden Streit um das iranische Atomprogramm zu finden. Ein entsprechendes Interimsabkommen, in dem dieses Datum festgeschrieben ist, war bereits ein Jahr zuvor in Genf unterzeichnet worden.
Ab diesem Dienstag trifft sich erneut die so genannte 5+1-Gruppe, bestehend aus den fünf Mächten des UN-Sicherheitsrates USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China sowie Deutschland mit Vertretern des Iran, um Gespräche über einen möglicherweise entscheidenden Durchbruch zu führen. Ein völliges Scheitern der Gespräche erscheint mittlerweile mehr als unwahrscheinlich. Doch von einer abschließenden Einigung sind die Verhandlungspartner noch immer ein gutes Stück weit entfernt. Der Kompromiss hakt vor allem an zwei größeren Punkten: an der Urananreicherung und am Fahrplan zur Aufhebung der Sanktionen.
Die Urananreicherung
Der Iran besitzt rund 19.000 Zentrifugen, von denen rund die Hälfte zur Urananreicherung genutzt wird. Bislang sind die übrigen Zentrifugen noch nicht in Betrieb. Rund 1000 Zentrifugen gehören der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zufolge zur neuesten Generation und gelten als besonders effizient. Der Iran betonte zwar, auch diese Zentrifugen seien Teil seines zivilen Atomprogramms. Theoretisch könnten sie aber auch dazu genutzt werden, besonders schnell Uran für eine Bombe zu produzieren.
Möglicherweise könnte Russland in diesem Punkt eine Schlüsselrolle spielen. Erst in der vergangenen Woche hatten Moskau und Teheran ein Abkommen unterzeichnet, nach dem Russland im Iran acht neue Atommeiler bauen darf. Zudem soll Russland die Brennstäbe zum Betreiben der Anlagen liefern. In den Verhandlungen soll der Iran zuletzt Zugeständnisse gemacht haben. So soll Teheran unter Vorbehalt zugestimmt haben, einen Großteil seiner Uran-Vorräte nach Russland zu schicken und dort zu lagern. Eventuell könnte das iranische Uran auch in Russland angereichert werden - unter vollständiger Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Wenn sich Irans nukleares Material im Ausland befände, würde die Entwicklung von Atomwaffen im Zweifelsfall deutlich länger dauern.
Die Aufhebung der Sanktionen
Der Iran hätte gerne eine sofortige Aufhebung aller gegen ihn verhängten Sanktionen. Die Internationale Staatengemeinschaft würde am liebsten sicherstellen, dass der Iran auf keinen Fall die Fähigkeit entwickelt, eine Atombombe zu bauen. Zwischen diesen beiden Maximalforderungen müssen die Verhandlungspartner einen Weg finden, nach dem sich wachsende Zugeständnisse und die Aufhebung von Sanktionen schrittweise abwechseln können. Dieser Punkt gestaltet sich besonders kompliziert, da auf beiden Seiten große Widerstände zu überwinden sind. Im Iran sind konservative Kreise gegen zu große Zugeständnisse, da ihnen die Aufhebung der Sanktionen nicht schnell genug geht. Zudem haben einflußreiche Gruppierungen wie die Revolutionsgarden von der Sanktionspolitik des Westens bislang teilweise sogar profitiert. Weite Teile des lukrativen Im- und Exports sowie des Grenzschmuggels werden mittlerweile von ihnen kontrolliert. Auf der anderen Seite warnen insbesondere Israel sowie große Teile der Republikaner in den USA vor vorschnellen Lockerungen in der Sanktionspolitik.
Der Schwerwasserreaktor Arak
Weitgehende Einigung herrscht mittlerweile bei der Zukunft des Schwerwasserreaktors in Arak. Im Unterschied zu anderen Atomkraftwerken kann dieser Reaktortyp mit nicht angereichertem Natur-Uran betrieben werden. Da der Iran große Vorkommen an Natur-Uran besitzt, ist die Nutzung solcher Reaktoren für das Land besonders attraktiv. Jedoch fällt beim Betrieb solcher Reaktoren mehr Plutonium an als bei anderen Reaktoren. Dieses Plutonium wiederum könnte für die Herstellung von Atomwaffen eingesetzt werden. Daher fordert der Westen einen Umbau des Reaktors, damit deutlich weniger waffenfähiges Plutonium anfällt.
Gemäß dem Genfer Abkommen hat der Iran seine Urananreicherung eingefroren, den Bau seines Schwerwasserreaktors in Arak ausgesetzt und verschärfte internationale Kontrollen seiner Atomanlagen zugelassen. Im Gegenzug wurden einige Sanktionen gelockert.
Kontrollen durch IAEA-Inspektoren
Auch in den seit Jahren leidigsten Streitpunkt - den der Kontrollen durch die IAEA - ist ein wenig Bewegung gekommen. Die internationale Staatengemeinschaft fordert einen regelmäßigen uneingeschränkten Zugang zu allen iranischen Atomanlagen, beklagt sich aber gleichzeitig über mangelnde Transparenz, blockierte Inspektionen und geheime Atomanlagen im Land. Deshalb beharrt die 5+1-Gruppe auf der Sicherstellung umfassender und engmaschiger Kontrollen des iranischen Atomprogramms auch nach einer Einigung. Damit soll sichergestellt werden, dass Teheran alle Vereinbarungen einhält. In dem Interimsabkommen, das die Verhandlungsparteien im November 2013 in Genf unterzeichneten, hatte der Iran mehr Transparenz zugesichert. Doch noch besitzt die IAEA eigenen Angaben zufolge keinen lückenlosen Zugang zu den iranischen Anlagen.