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Kraft zur Differenzierung

Bernd Gräßler10. Februar 2014

Der Bundesinnenminister möchte zu Amtsbeginn ein klares Bild über die deutsche Willkommenskultur. Und er bringt einen Gesetzentwurf über die doppelte Staatsbürgerschaft auf den Weg.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere beim Treffen mit Migranten in Berlin (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Bundesinnenminister hat eingeladen. Zum Auftakt seiner Amtszeit sollen die zu Wort kommen, die mit der Integration von Ausländern in Deutschland zu tun haben. Also sind wieder einmal Wissenschaftler, Chefs von Ausländerbehörden, Amtsträger aus den Kommunen und nicht zuletzt die Betroffenen selbst, Migranten, im Bundesinnenministerium zum Dialog geladen. "Willkommen in Deutschland!" oder "Willkommen in Deutschland?" unter diese Überschriften hat Thomas de Maizière (CDU) den Gedankenaustausch gestellt.

Er wolle hauptsächlich zuhören, sagt der Minister. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil immerhin seit Jahren schon jede Menge Integrationsgipfel und Integrationsrunden stattfinden. Beim vorerst letzten Gipfel im Mai 2013 hatte die damalige Integrationsbeauftragte der SPD, Aydan Özuguz, frustriert festgestellt: "Da wird nicht viel Falsches gesagt, aber es bringt nicht wirklich was."

Zum Gespräch der Eingeladenen mit de Maizière selbst sind die Journalisten nicht zugelassen. Aber was er den Journalisten vorab verkündet, ist die Absicht, die Integration präziser und - das ist de Maizières Lieblingswort - differenzierter zu beleuchten. Die Situation in Nobelvierteln wie Berlin-Dahlem oder Hamburg-Blankenese könne man nicht mit Ballungszentren in einem Topf werfen. Aber auch bei den Zuwanderern müsse genauer differenziert werden.

Willkommene und weniger Willkommene

"Wir werden die Zustimmung der Bevölkerung für Zuwanderung in unser Land, die wir dringend brauchen, nur dann erhalten können, wenn wir uns auch klar darüber sind, welche Zuwanderer hier nicht willkommen sind. Und wir werden die Zustimmung zum Asylrecht, zu unserer humanitären Verpflichtung, Asyl zu gewähren, nur dann bei der Bevölkerung aufrecht erhalten können, wenn klar ist, dass diejenigen, die nicht politisch verfolgt sind, sich hier in unserem Land nicht auf das Asylrecht berufen dürfen." Sagt der Bundesinnenminister und vergisst nicht zu betonen, dass Zuwanderer, die hier arbeiten und leben wollen, die hier Familien gründen wollen, "herzlich willkommen" sind. Andererseits müsse alles dafür getan werden, dass es bei den Zuwanderern nicht zu einer Ghettobildung komme. Auch Bereiche, in die sich die Polizei nicht traue, dürfe es nicht geben.

Bild: Becky Stares/Fotolia.com

De Maizière ist aber davon überzeugt, dass Deutschland bei der Integration in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht habe, die Zustimmung zur Zuwanderung sei allgemein gestiegen. Aber er glaube schon, dass in den politischen Eliten das Bekenntnis zur Willkommenskultur breiter ausgeprägt ist, als noch in weiten Teilen der Bevölkerung: "Und deswegen brauchen wir, was ich die Kraft zur Differenzierung nenne, damit wir nicht in Überschriften aneinander vorbeireden - und wenn dann etwas passiert, vielleicht erstaunt sind, wie dünn die Schicht ist, die es gibt, um eine wirkliche Willkommenskultur in Deutschland zu leben."

Wenn sie dünn ist, dann trifft es sich gut, dass es im Unterschied zur Schweiz in Deutschland keine Volksentscheide auf Bundesebene gibt, mit denen "Massenzuwanderung" gestoppt werden könnte. Dabei wird es auch in den kommenden vier Jahren bleiben, das haben Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart, wie Thomas de Maizière betont.

Geburtsurkunde und Abschlusszeugnis für Doppelpass

Neben dem Dialog hat der neue Bundesinnenminister den Zuwanderern auch noch eine konkrete Verbesserung anzubieten. All diejenigen Kinder von Migranten, die ihren Schulabschluss in Deutschland gemacht haben oder sich bis zum 23. Geburtstag mindestens zwölf Jahre in Deutschland aufgehalten haben, können neben der deutschen noch eine andere Staatsbürgerschaft besitzen, den sogenannten Doppelpass. Geburtsurkunde und Abschlusszeugnis würden reichen, sagte der Bundesinnenminister.

Den entsprechenden Gesetzesentwurf habe er bereits auf den Weg gebracht, sagte de Maizière. Damit setzt er die Koalitionsvereinbarung von Union und SPD um, die sogenannte Optionspflicht abzuschaffen. Kinder von Migranten müssen sich nicht mehr für die eine oder die andere Staatsbürgerschaft entscheiden. Das Gesetz soll so schnell wie möglich ins Kabinett und in den Bundestag.

Von Seiten des Koalitionspartners SPD gibt es allerdings Kritik an Einzelheiten des Gesetzentwurfes. So wird bemängelt, dass wahrscheinlich nicht alle Betroffenen einen Schulabschluss vorweisen könnten. Laut de Maizière sind es jedoch 90 Prozent. Für die restlichen zehn Prozent der Fälle müsse eine Regelung gefunden werden. Er warnte die SPD davor, den mühsam errungenen Kompromiss wieder in Frage zu stellen.

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