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Politik

Die Krux mit der Staatsbürgerschaft

9. August 2019

Neue Staatsbürger bekommen unter Umständen im Land ihrer Vorfahren plötzlich Ärger mit der Justiz, weil sie dort weiter als Staatsangehörige gelten. Passregelungen sind international sehr vielfältig. Ein Überblick.

Symbolbild Doppelpass / doppelte Staatsbürgerschaft
Bild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Fangen wir in Deutschland an: Die Bundesrepublik hat einen eher exklusiven Anspruch an ihre Staatsbürger. Deutscher darf man nicht mehr sein, wenn man eine andere Staatsbürgerschaft annimmt. Andersherum kann ein Ausländer in der Regel nur dann Deutscher werden, wenn er oder sie die "bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert". So steht es in Paragraf 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes.

Soweit das Grundprinzip, das aber zunehmend gelockert wird. Denn es gibt auch in Deutschland Ausnahmen: Unter anderem dann, wenn manche Länder ihre Staatsbürger einfach nicht mehr loslassen.

Der Iran gehört zu diesen Ländern. Das Zivilgesetzbuch des Landes regelt, dass es fast ausgeschlossen ist, die iranische Staatsbürgerschaft wieder abzugeben. Gleichzeitig ist es für viele nahezu unausweichlich, sie zu bekommen: Jeder, der einem iranischen Vater hat, gilt auch als iranischer Staatsbürger. Egal, wo er lebt oder geboren wurde.

Eine spezielle Klausel macht es zudem Frauen besonders schwer, ihre iranische Staatsangehörigkeit abzugeben. Denn Frauen müssen dieselbe Staatsangehörigkeit haben wie ihr Ehemann. Aus diesen Gründen wird nahezu immer eine Mehrstaatlichkeit akzeptiert, wenn Iraner in Deutschland eingebürgert werden. Aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes geht hervor, dass im vergangenen Jahr 3080 Iraner eingebürgert wurden, wovon keiner seinen iranischen Pass abgegeben hat.

Deutscher und iranischer Reisepass: Manche Länder lassen ihre Staatsbürger einfach nicht mehr losBild: imago/Sven Simon

Der Iran ist aber bei Weitem nicht das einzige Land, das sich weigert, seine Staatsbürger zu entlassen. Das betrifft rund 40 Länder, beispielsweise Argentinien. Auch die 155 im vergangenen Jahr in Deutschland eingebürgerten Argentinier haben dementsprechend alle ihren argentinischen Pass behalten. Andere Länder mit strengen Staatsbürgerschaftsregeln sind etwa Afghanistan, Eritrea, Nigeria und Syrien.

Abstammung versus Territorium

Grundsätzlich gibt es zwei Prinzipien, wonach sich entscheidet, welcher Bürger eine Staatsangehörigkeit bekommt. Die USA beispielsweise verteilen Staatsangehörigkeiten unter anderem nach dem Territorialprinzip, auch "Jus Soli" genannt. Das bedeutet, dass alle Kinder, die auf dem Territorium der Vereinigten Staaten Staatsgebiet geboren werden, automatisch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten. Diese bekommen aber auch Kinder von US-Bürgern, die im Ausland geboren wurden.

Nach einem anderen Prinzip gehen beispielsweise Deutschland und China vor. Beide Staaten wenden das "Jus Sanguinis" an, das "Recht des Blutes", so die wörtliche Übersetzung aus dem Lateinischen. Gemeint ist das Abstammungsprinzip. Das bedeutet, dass beispielsweise die deutsche Staatsangehörigkeit nicht aufgrund der Geburt in Deutschland erworben wird, sondern aufgrund der Abstammung von einem deutschen Elternteil.

Während aber Deutschland zusätzlich Einbürgerungsverfahren hat und eingeschränkt eine doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt, ist es sehr schwer für nicht-ethnische Ausländer, zu Chinesen zu werden. Die doppelte Staatsbürgerschaft ist in China sogar gesetzlich verboten.

Europäer im Pässe-Paradies

Ganz anders sieht die Situation unter den EU-Staaten aus. In Deutschland werden seit 2007 Staatsangehörige aus den EU-Ländern und der Schweiz eingebürgert, auch wenn dies zu der von der Bundesregierung verpönten doppelten Staatsbürgerschaft führt. Auch andere europäische Staaten erlauben die doppelte Staatsangehörigkeit entweder vollumfänglich oder mit Einschränkungen. 

Ein Zensus aus dem Jahr 2011 ergab, dass es knapp 4,3 Millionen Menschen in Deutschland gibt, die neben der deutschen noch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen. 690.000 Menschen in Deutschland haben neben der deutschen die polnische, 570.000 die russische und 530.000 die türkische Staatsangehörigkeit. Das Statistische Bundesamt hatte die Zahl erstmals in einem Zensus gesondert ausgewiesen. Die Zahlen beruhen jedoch auf den Aussagen bei Meldeämtern. Viele Menschen übersehen aber, dass sie noch eine Staatsbürgerschaft in einem anderen Land beantragen könnten, oder vergessen es zu melden, wenn sie eine andere abgegeben haben. Deshalb sind die Zahlen nicht gesichert.

Zwischen zwei Nationalitäten wählen

Dabei gab es in Deutschland bis Ende 2014 eine Besonderheit. Bis dahin mussten in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr entscheiden, wessen Staatsbürger sie sein möchten: von dem Land, in dem sie geboren wurden oder von dem Land ihrer Eltern. Das hatte vor allem türkischstämmige Menschen mit einem deutschen Pass betroffen. 

Seit Ende 2014 müssen sich jene Deutschen aber nicht mehr entscheiden, die sich bei Vollendung des 21. Lebensjahres mindestens acht Jahre in Deutschland aufgehalten haben oder sechs Jahre in Deutschland eine Schule besucht haben. Die sogenannte Optionspflicht entfällt seither auch für diejenigen, die in Deutschland einen Schulabschluss gemacht haben oder eine Berufsausbildung abgeschlossene haben. Dadurch konnten vor allem den türkischstämmigen Menschen sowohl die türkische, als auch die deutsche Staatsangehörigkeit behalten.

Israelisch-Palästinensische Besonderheiten

Im Nahen Osten, im Fall Israels und der palästinensischen Gebiete, gibt es mehrere staatsbürgerliche Besonderheiten. Eine bezieht sich auch auf Deutschland. Es gibt deutsche Staatsangehörige, die gleichzeitig im palästinensischen Personenregister eingetragen sind beziehungsweise über eine palästinensische Personenkennziffer (ID-Nummer) verfügen. Sie dürfen grundsätzlich nicht nach Israel einreisen, obwohl sie deutsche Staatsangehörige sind. In das Westjordanland dürfen sie nur über Jordanien einreisen. Wenn sie keinen palästinensischen Reisepass haben, wird die ID-Nummer in den deutschen Reisepass eingetragen und die Deutsch-Palästinenser werden angehalten, sich einen palästinensischen Reisepass zuzulegen.

In Israel wiederum ist eine seltene Regel zur Staatsangehörigkeit in Kraft. Im Jahr 1950, zwei Jahre nach der Gründung und den Holocaust noch in Erinnerung, beschloss das Land ein Gesetz, dass es allen Juden erlaubte, nach Israel zu emigrieren und Staatsbürger zu werden. Als Jude galt jemand mit einer jüdischen Mutter oder ein Konvertit. Das Gesetz ermöglicht bis heute verfolgten Juden auf der ganzen Welt, israelische Staatsbürger zu werden. Zuletzt haben viele französische Juden angesichts steigender antisemitischer Vorfälle in ihrer Heimat diese Möglichkeit genutzt. 

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