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Die Kunst Tenor zu sein: Rolando Villazón

18. Juli 2008

Rolando Villazón am 3. August und am 17. August jeweils um 21.05 Uhr MESZ.

Rolando VillazonBild: EMI Classics

Anfänge in Mexiko

(…) Seine heimliche Zuflucht, sein emotionales Ventil, hatte er bereits mit acht, neun Jahren gefunden: die Musik, der er sich hinter verschlossener Zimmertür hingab, verpuppt in sein ganz eigenes Reich der Träume. Eine seltsame Mischung hörte der Junge da: Opernarien und Disneys „Dschungelbuch“, das Don-Quichote-Musical „Der Mann von la Mancha“, der seinen „impossible dream“ in seiner Fantasie wahr macht, kubanische Tangos und – immer wieder – „Perhaps Love“, das leichtgewichtige Schmachtfetzenalbum seines großen Idols Plácido Domingo, das dieser gemeinsam mit dem Country-Star John Denver eingespielt hatte. Mit der Droge Musik schuf sich Rolando Villazón sein kleines Privatuniversum, wo er seine Träume, seine Freude, sein Traurigsein ausleben konnte. „Ich sang in meinem Zimmer manchmal vier, fünf Stunden lang für mich allein, bis ich nicht mehr konnte“, erinnert er sich.

Bild: EMI Classics

Und dann entdeckte er die Oper als den Ort, an dem er seine beiden Leidenschaften, die Bühne und die Musik, miteinander verbinden konnte. (…) Doch dieser Drang, sich darzustellen, in der Musik seinen Persönlichkeitsausdruck zu finden, das hatte erst auf eine professionelle Basis gebracht zu werden. Rolando musste lernen, dass Singen auch Anstrengung und Kampf bedeuten kann, dass man erst beim Auftritt vergisst, wie sehr man dafür gearbeitet hat. Noch allerdings wusste der durchaus zu Selbstzweifeln neigende Mexikaner nicht genau, ob er sich wirklich den Unabwägbarkeiten einer noch nicht einmal in weiter Ferne aufscheinenden Sängerkarriere aussetzen sollte.

Zwischen Pubertät und Priester

Berufe und Berufungen, so mancherlei Ideen vermengten sich in seinem jugendlichen Gemüt. Immer noch spielte er mit dem Gedanken, Schauspieler zu werden. Dann las er 16-jährig eine Gandhi-Biografie und schor sich den Kopf kahl, trug eine seltsame Brille und ging in einem langen Gewand auf die Straße. Er hatte auch eine Huckleberry-Finn- und eine Don-Quichote-Phase, in der er sein neues Fahrrad zerstörte, weil es nicht als schäbiger Klappergaul Rosinante taugte. Und er schrieb ein eigenes Stück.

Bild: EMI Classics

Nach dem Abitur jedoch, das er in einer katholischen Schule ablegte – die deutsche Schule hatte er in der 7. Klasse wegen unzureichender Leistungen verlassen müssen –, war er zunächst einige Monate in den Bergen Mexikos als Missionar der Kongregation des Jean-Baptiste de la Salle unterwegs, des seit dem 17. Jahrhundert bestehenden katholischen Männerordens „Brüder der christlichen Schulen“, und spielte ernsthaft mit dem Gedanken, Priester zu werden. (…)

Der Sänger Villazón

Bereits 1990 war Rolando Villazón während einer Schulaufführung an der Espacios-Akademie dem Bariton Arturo Nieto aufgefallen: mit dem Beatles-Song „Yesterday“ und dem „Impossible Dream“ aus dem Musical „Der Mann von La Mancha“. Beeindruckt von seiner unverbrauchten, noch ungeformten Stimme, ging Nieto hinter die Bühne, meinte zu dem jüngeren Sänger, er habe das Zeug zum Opernsänger, und bot ihm an, ihn zu betreuen. Villazón zögerte zunächst, ließ sich dann aber auf das Abenteuer ein. So wurde er in die wirkliche Opernwelt eingeführt, und Arturo Nieto fungierte zunächst privat als sein Lehrer. Zu Hause sang Rolando mit einem Kissen als „Partnerin“ „Bohème“-Duette – wobei der Sofaschmuck anschließend ziemlich zerknautscht aussah. „Schon damals war es der extreme Ausdruck, der mich an der Oper fasziniert hat. Es geht mir nicht um Schönheit, die ist eher ein Nebenprodukt. Ich halte es sogar für eine Gefahr, zu schön klingen zu wollen.“ Noch immer war er freilich zwischen einer inneren Berufung zum Priester und den Verlockungen, die seine sich immer besser entwickelnde Stimme bot, hin und her gerissen. (…) Ein Priester, der als sein Mentor fungierte, riet Rolando Villazón, seine Sängerkarriere ernst zu nehmen, und überredete ihn 1992, am Nationalen Konservatorium in Mexico City vorzusingen. Er wurde angenommen. Der Priester hatte ihn überzeugt, dass seine Berufung nicht Gott, sondern die Bühne sei: „Er gab mir einen Tequila aus“, erinnert sich Rolando Villazón, „und sagte: ‚Ich werde da sein, wenn du dein Debüt an der Met gibst.’ Und so kam es …“ (...)

Bild: EMI Classics

Buch-Hinweis

Manuel Brug: Rolando Villazón. Die Kunst, Tenor zu sein.

Ein Portrait. Henschel, Berlin 2008, 160 Seiten, 19,90 Euro